Die APG liefert erste Ergebnisse der Analyse vom Frequenzabfall am 8. Jänner 2021.
Erste Analysen auf europäischer Ebene durch die Dachorganisation der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E) bestätigen, dass am 8.1.2021 ein Split des europäischen Stromnetzes zum Frequenzeinbruch in Österreich geführt hat. Zunächst verursachten um ca. 14:05 kurz aufeinander folgende Ausfälle (Kaskade) von Netzbetriebsmitteln (zum Beispiel Leitungen) in Südost-Europa eine Auftrennung des Netzgebietes von Kontinental-Europa in zwei Gebiete. Die Trennlinie führte durch die Länder Kroatien, Serbien und Rumänien (siehe Grafik).
Grafik: ENTSO_E
Das Gebiet südlich davon hatte zu diesem Zeitpunkt Erzeugungsüberschüsse, welche aufgrund der ausgefallenen Leitungsverbindungen nicht mehr in den Zentralraum Europas transportiert werden konnten. Ein Frequenzanstieg in Südosteuropa auf bis zu 50,6 Hz (Abweichung um 600 mHz) mit anschließender Reduktion der lokalen Erzeugungsleistung war die Folge.
Umgekehrt verhielt es sich im nördlichen Gebiet, zu welchem auch Österreich zählte. Hier fehlten nach dem Netzsplit die Erzeugungsmengen aus Südosteuropa. Dieses Leistungsdefizit ließ die Frequenz auf 49,74 Hz (Abweichung um 260 mHz) absinken, ehe man mit zusätzlicher lokaler Erzeugung bzw. mit Verbrauchsreduktion sowie Importen aus Großbritannien und Skandinavien die Frequenz wieder stabilisieren konnte.
Der exakte Grund für die Ausfälle der Betriebsmittel, die zu dem Split geführt haben, ist zurzeit Gegenstand weiterer Ermittlungen in den europäischen Expertengremien der Übertragungsnetzbetreiber bzw. der europäischen Dachorganisation der Übertragungsnetzbetreiber (ENTSO-E). Zu diesem Zweck müssen große Datenmengen aus den SCADA- bzw. Schutzsystemen aus allen Ländern zusammengetragen und analysiert werden. Die Energiewende bzw. die erneuerbaren Energieträger stehen aus heutiger Sicht in keinem Zusammenhang mit den Geschehnissen vom 8.1.2021 (siehe https://www.entsoe.eu/news-events/news/).
Kooperation hat sich bewährt
Im Fall einer derartigen Störung setzen automatisierte und europaweit abgestimmte „procedures“ ein. Durch automatische Schutzeinrichtungen und dem unverzüglichen Eingreifen aller Übertragungsnetzbetreiber durch das Wartenpersonal konnte die Frequenz stabilisiert und wieder auf das normale Betriebsniveau zurückgeführt werden. Die wesentlichsten Maßnahmen, die im Gebiet der Unterfrequenz zur Frequenzanhebung gesetzt wurden, sind:
- Abschaltung kontrahierter Stromverbraucher (rd. 1.700 MW in Frankreich und Italien). Hier handelt es sich um Verbraucher, welche gegen Abgeltung einer präventiven Abschaltung in solchen Fällen zustimmen. Im konkreten Fall handelte es sich demnach nicht um einen klassischen automatischen Lastabwurf von Endkunden, welcher erst bei größeren Frequenzabweichungen (ab 1.000 mHz) zum Tragen käme.
- Anfahren kurzfristig verfügbarer Kraftwerksreserven in verschiedensten Ländern. Neben der auf Frequenzabweichungen automatisch reagierenden Primärregelleistung aller Länder wurden in Österreich auch weitere Kraftwerksreserven aktiviert.
- Kurzfristige zusätzliche Stromtransporte von Großbritannien und Skandinavien nach Kontinentaleuropa in der Höhe von 480 MW.
Durch diese Maßnahmen und die damit einhergehende Wiederherstellung des normalen Betriebsniveaus von 50Hz (Sollfrequenz) konnten die beiden Netzinseln um 15:08 wieder synchronisiert und anschließend zusammengeschalten werden.
Die Europäische Zusammenarbeit zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und die Koordinierung hat ausgezeichnet funktioniert. Innerhalb von einer Stunde konnte der Normalbetrieb wiederhergestellt werden. Das zeigt, wie wichtig die europäische Zusammenarbeit im Sinne eines europäischen Schutzmechanismus ist. Auch die lessons learned aus dem ähnlich gelagerten Störfall am 4.11.2006 haben sich bestens bewährt, darunter insb. ein europäisches „Awareness System“ in dem sich durch vordefinierte Meldungen und graphische Darstellung / Warnungen alle europäischen Übertragungsnetzbetreiber in Echtzeit stets am letzten Informationsstand halten.
Herausfordernde Netzsituationen
Digitalisierung, Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung sind die wesentlichen Treiber der Veränderung des Energiesystems. Um diese Herausforderungen zu meistern, und gleichzeitig die sichere Stromversorgung nachhaltig gewährleisten zu können, ist es notwendig, das Stromsystem ganzheitlich zu entwickeln und Kapazitätsreserven in verschiedenen Bereichen des Stromsystems zu halten bzw. neu zu schaffen.
Der APG zufolge braucht es dafür zusätzliche Netzkapazitäten, Speicherkapazitäten, ausreichende Kraftwerksreserven sowie weitere Flexibilitätsoptionen, um die Volatilitäten der Erneuerbaren auszugleichen - insbesondere mittels digitaler Technologien.
Mit derartig geschaffenen Kapazitätsreserven können Risiken reduziert und Vorfällen wie dem in der vergangenen Woche präventiv begegnet werden. Andererseits kann damit auch die Integration der erneuerbaren Energien nachhaltig gewährleistet werden. Somit sind diese Kapazitätsreserven die Grundlage eines sicheren und ökologischen Stromsystems und damit Grundlage für den Wirtschafts- und Lebensstandort Österreich und Europa.