Eine Studie des Austrian Institute of Technology (AIT) holt Energiegemeinschaften aus ganz Europa vor den Vorhang. Die Voraussetzungen sind höchst unterschiedlich. In Österreich soll der gesetzliche Rahmen Anfang 2021 geschaffen werden.
Das kommende Erneuerbaren Ausbau-Gesetz (EAG) wird es möglich machen: Private Haushalte werden künftig eine wichtige Rolle spielen, wenn es um Energieerzeugung geht. Nachbarn können sich dann in Energiegemeinschaften zusammenschließen, um Strom lokal zu erzeugen, zu teilen und zu verkaufen. Österreich folgt damit einem europaweiten Trend, wie eine aktuelle Studie im Auftrag von Wien Energie zeigt.
Das AIT wählte aus knapp 80 Energiegemeinschaften und Plusenergiequartieren sieben Beispiele aus Portugal, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden für eine vertiefende Untersuchung aus. Allen Projekten gemeinsam ist der effiziente Energieeinsatz, sie zielen auf Klimaschutz und Gemeinschaftsbildung. Hinsichtlich der Rahmenbedingungen und Voraussetzungen zeigten sich in der Analyse große Unterschiede. „Die Partizipation der Bevölkerung an der Energiewende ist keine Randerscheinung mehr, sondern ein europaweites Entwicklungsfeld“, sagt AIT-Studienautor Hans-Martin Neumann, der erneuerbare Energiegemeinschaften durchaus als praxistauglich erachtet. „Hürden können aber der rechtliche und organisatorische Rahmen oder auch hohe Anfangsinvestitionskosten sein. Zum Gelingen von Energiegemeinschaften braucht es deshalb eine treibende Kraft.“
Hebel für die Energiewende
In Wien wird das Konzept bereits im „Viertel Zwei“ erprobt. Die erste Handelsphase unter den Bewohnerinnen und Bewohner wurde soeben abgeschlossen und in den kommenden einer detaillierten Analyse unterzogen. Parallel dazu erfolgt eine weitere Öffnung des Projekts, erklärt Michael Strebl, Geschäftsführer der Wien Energie: „Wir gehen in einem nächsten Schritt über die Grätzl-Grenzen des Viertel Zwei hinweg und werden zusätzliche erneuerbare Erzeugungsanlagen, TeilnehmerInnen mit eigenen Photovoltaik-Anlagen am Einfamilienhaus und sogar gewerbliche Kunden einbinden. Unser nächstes Projekt ist ein Energiemarktplatz.“
Michael Stebl, Wien Energie: "Es braucht einen 'Kümmerer', der die einzelnen Schritte koordiniert und die Teilnehmenden mobilisiert."
Im Viertel Zwei habe man „vieles richtig gemacht“, so Strebl: „Hilfe zur Selbsthilfe ist unser Motto: Mit unserem langjährigen Know-how im Energiesektor unterstützen wir künftig bei der Gründung von Energiegemeinschaften, bei der Errichtung und dem Betrieb von erneuerbaren Anlagen und bieten eine digitale Plattform für Kommunikation und Austausch.“ Denn wie die AIT-Studie zeigt, kommen die Projekte nicht von allein ins Rollen. Wichtig sei, alle Beteiligten frühzeitig einzubinden und eine zentrale Anlaufstelle zu haben. Es brauche einen „Kümmerer“, der von Beginn an involviert ist, die einzelnen Schritte koordiniert und die Teilnehmenden laufend mobilisiert. Fördermöglichkeiten und die Integration in die Stadt- und Grätzlplanung sind ebenfalls Erfolgsfaktoren für das Funktionieren einer Energiegemeinschaft.
Überraschendes Detail am Rande: Kostenersparnisse zählen nicht zu den Hauptmotiven der TeilnehmerInnen. Sie nannten als Motivationsgrund die Themen Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Innovationslust und Technologie-Affinität. Digitale Plattformen und Apps, die den Energiefluss darstellen, werden gut angenommen. Das Community-Erlebnis betrachten die meisten als netten Nebeneffekt – eine aktive Kommunikation untereinander findet jedoch selten statt.
Neben dem Engagement der Bevölkerung müssen auch die technischen Voraussetzungen gegeben sein. „Die Herausforderung liegt darin die Erzeugung, Verteilung, Speicherung und Versorgung auf lokaler Ebene in einem optimierten Gleichgewicht zu halten“, sagt Wolfgang Hribernik, Head of Center for Energy am AIT. „In unseren Forschungsprojekten werden dazu verschiedene Ansätze wie der Einsatz von Blockchain-Technologien, lokale Speicher oder auch automatische Steuerungen untersucht. Richtig aufgesetzt können Energiegemeinschaften durch die aktive Beteiligung von BürgerInnen dazu beitragen, die regionale Erzeugung und Nutzung von erneuerbaren Energien zu forcieren.“
Wolfgang Hribernik, AIT: "Sehen das Engagement der Bevölkerung notwendig, ebenso wie die optimierte technische Umsetzung der lokalen Energieversorgung."