In Wien Simmering ist die Pilotanlage „ViennaGreenCO2“ zur Abscheidung von Kohlendioxid in Betrieb gegangen. Projektkoordinator ist die TU Wien, Shell und Wien Energie sind an Bord.
Nach erfolgreichen Laborversuchen hat auf dem Gelände des Wien Energie Biomasse-Kraftwerks in Simmering die Inbetriebnahme einer neuartigen Anlage zur Abscheidung von CO2 aus Abgasen begonnen. Die Pilotinstallation wurde von der TU Wien in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) und Shell entwickelt und von Bertsch konstruiert. Sie dient der Erprobung einer neuen Technik, die Abgasen vergleichsweise kostengünstig Kohlendioxid entziehen soll. Das CO2 kann dann zum Beispiel als Dünger in der Agrarwirtschaft oder als Rohstoff in der Lebensmittelindustrie genutzt werden.
Während im Laborversuch nur zirka 50 kg CO2 pro Tag abgeschieden werden konnten, ist die Piloteinrichtung auf die Abscheidung von einer Tonne CO2 pro Tag ausgelegt. „Mit dem Anlagenstart erreicht das Leitprojekt der Energieforschung eine wichtige Phase der Forschungs- und Entwicklungsarbeit, weil wir nun im größeren Maßstab erproben können, wie wirtschaftlich unser Ansatz im Realbetrieb funktioniert,“ sagt Gerhard Schöny vom Projektkoordinator TU Wien.
Wie andere CO2-Abscheidetechnologien nutzt auch das Wiener Projekt Stickstoff-Derivate – sogenannte Amine – um das Kohlendioxid aus den Abgasen von Verbrennungsprozessen zu trennen und so zu verhindern, dass es in die Atmosphäre gelangt und zur globalen Erwärmung beiträgt. Doch während die derzeit besten verfügbaren Methoden wässrige Amin-Lösungsmittel verwenden, wird bei diesem Verfahren das CO2 aus dem Abgas in der mehrstufigen Wirbelschichtkolonne zunächst an feste Amin-funktionalisierte Partikel ‚andocken‘ und in einer zweiten Kolonne durch Wärmezufuhr wieder abgelöst werden.
In den bisherigen Laborversuchen konnten aus den Abgasen so mehr als 90 % des Kohlendioxids abgeschieden werden. Die ForscherInnen gehen davon aus, die Abtrennkosten pro Tonne CO2 um bis zu 25 % im Vergleich zur derzeit besten verfügbaren Technologie reduzieren zu können.
Die Staatengemeinschaft hat im Jahr 2015 mit dem Pariser Klimaabkommen einen großen Schritt im Kampf gegen den Klimawandel gemacht und sich zum Ziel gesetzt, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celisus zu beschränken. Rob Littel, General Manager für CO2- Minderungstechnologien bei Shell, betont das Potenzial des innovativen Projektansatzes: „Effizienteres Abscheiden von CO2 aus Abgasen von Verbrennungsprozessen kann zu einem nachhaltigen CO2-Kreislauf beitragen. Die Abscheidung und potenzielle Nutzung von CO2 stellt eine von mehreren Maßnahmen dar, die der Welt dabei helfen können, ihr ambitioniertes Ziel, den Klimawandel einzudämmen, zu erreichen und dabei mehr und sauberere Energie zu liefern.“ Ein Beispiel dafür sind Gewächshausbetreiber in den Niederlanden, die seit fast zehn Jahren CO2 der Shell Raffinerie Pernis nutzen, um damit das Wachstum ihrer Pflanzen zu beschleunigen.
Die acht Projektpartner - Bertsch, BOKU, LGV, lkprojekt, M-TEC, Shell, TU Wien und Wien Energie - beweisen im ViennaGreenCO2 Projekt erfolgreiche nationale und internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Energieforschung. „Wir bieten hier am Kraftwerksstandort Simmering eine geeignete Plattform für angewandte Forschung“, so Karl Gruber, Wien Energie-Geschäftsführer. „Die drastische Reduzierung von CO2- Emissionen ist wesentlich, damit Städte wie Wien lebenswert bleiben. Wien Energie setzt daher maßgebliche Akzente in den Ausbau erneuerbarer Energielösungen, in Forschung und Innovation. Die Entwicklung von CO2-Abscheidungsverfahren kann im Gesamtkontext der Dekarbonisierung zusätzlich ein wichtiger Baustein sein.“
„Mit der Klima- und Energiestrategie #mission2030 hat die Bundesregierung klare Ziele für das nächste Jahrzehnt formuliert. Um diese erfüllen zu können, braucht es radikale technische Innovationen, die den raschen Ausstieg aus der fossilen Energiewelt ermöglichen. Energieforschung kann zur Lösung dieser Aufgaben einen maßgeblichen Beitrag leisten. Mit ViennaGreenCO2 wird nun konkret getestet, ob und in welchem Ausmaß ein CO2 Kreislauf möglich ist – denn was im Labor funktioniert, braucht noch viele Schritte bis zur Umsetzung im Industriemaßstab“, so Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds, der das Projekt mit insgesamt 2,4 Mio. Euro fördert. Auch Shell trägt einen "bedeutenden" Anteil an der Förderung, heißt es.