Zügel straffen, Tempo halten
Einen „kompletten Umstellungsprozess für die Wirtschaft“ ortet Wolfgang Hesoun, Vorstandsvorsitzender der Porr AG, und sieht den Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers als Beginn einer neuen Zeitrechnung. Die Geschwindigkeit, mit dem der Wandel in der Finanzwelt vor sich gehe, mache es für die Realwirtschaft schwer, zu folgen. So hätte sich die Bauwirtschaft früher über jährliche Wachstumsraten von 15 Prozent freuen können, so Hesoun. Österreichs zweitgrößtes Bauunternehmen konnte im letzten Jahr noch um 20% beim Umsatz und um 16% bei der Bauproduktionsleistung zulegen. Rund 3,2 Milliarden Euro machte die Produktion aus, wobei erstmals in der Geschichte der Porr die Grenze von 3 Milliarden überschritten wurde. Darin enthalten sind auch anteilige Bauleistungen aus Arbeitsgemeinschaften, die im Konzernumsatz nicht bilanziert und im Umsatzerlös von 2,66 Milliarden daher nicht enthalten sind. Das Ergebnis nach Steuern und Zinsen (EBT) stieg um 12% auf 46,7 Millionen Euro, das Vorzinsenergebnis (EBIT) nur um 4,4% auf 70,9 Millionen.
Für heuer müsse die Porr keine Umsatzeinbußen befürchten, so Hesoun. Die Auftragsbücher sind voll, der zu Jahresende vorliegende Auftragsbestand in der Höhe von 2,56 Milliarden werde heuer abgearbeitet, im Tiefbau reichen die Aufträge noch bis ins erste Halbjahr 2010. Gleichzeitig werde man aber die Schwerpunkte in der Akquisition neuer Aufträge von privaten in Richtung öffentlicher Auftraggeber und in Richtung Infrastrukturprojekte umstellen, kündigt der Porr-Chef an. Damit will das Bauunternehmen stärker an den Wirtschaftsbelebungsmaßnahmen der öffentlichen Hand partizipieren. Derzeit machen Infrastrukturprojekte rund 70% des Auftragsbestands der Porr aus. Auch beim Einkauf will die Porr Reorganisationen vornehmen. Ein Viertel der derzeit rund 22.000 Lieferanten soll ausgelistet werden, die Einkäufe, die mehr als eine Milliarde Euro ausmachen, sollen gestrafft und Möglichkeiten europaweit genutzt werden, wie Porr-Vorstand Peter Weber ankündigte. Reorganisiert wird auch der Gerätefuhrpark des Bauindustrieunternehmens. Es sollen bessere Auslastungswerte erzielt und damit die Abschreibungen reduziert werden, so Weber. Auch der „Kapitaleinsatz“ im „Working Capital Management“ soll minimiert werden – sprich es sollen weniger Kredite aufgenommen werden, die Liquidität gleichzeitig aber gewährleistet sein. Einen Abbau von Mitarbeitern schließt Hesoun für heuer aus.
Der Auslandsanteil der Porr-Aufträge wird seit zwei Jahren ständig größer. Machte er 2006 noch 29,7% und 2007 34,7% aus, waren es im Vorjahr bereits 41,5%. Die Porr will auch 2010 in den bereits eroberten Märkten vertreten bleiben, so Hesoun. Die fünf größten Auftragseingänge des Jahres 2008 waren für die Porr das mittlere Teilstück der ungarischen Autobahn M6 mit 220 Millionen, das Geriatriezentrum Leopoldstadt mit 55 Millionen, ein Rahmenvertrag mit den ÖBB über Gleistragplatten in der Höhe von rund 48 Millionen, die Save-Brücke in Serbien mit 46 Millionen und ein Business Park in Polen mit 29 Millionen Euro. Baubeginn für das gewonnene Projekt Krankenhaus Wien Nord, wo die Porr gemeinsam mit Siemens und Vamed für Planung, Errichtung und Betrieb verantwortlich ist, soll 2010 sein. Beim Justizzentrum Baumgasse sieht Porr-Vorstand Wolfgang Hesoun die Gefahr der Verschiebung oder gar eines Stopps zugunsten anderer Projekte des Justizministeriums. Überhaupt müsse man aufpassen, dass die im Konjunkturpaket für den Hochbau vorgesehenen Investitionen nicht durch diverse bürokratische Hürden verschleppt werden.