Montag, Dezember 30, 2024
Wasserkraft: Die stille Gefahr
Foto: Thinkstock

Wasserkraftwerke gelten als umweltfreundliche und sichere Alternativen zu fossilen oder Atomkraftwerken. Alter und Konstruktion mancher Staudämme machen sie aber gefährlich.

Es war eine der größten historischen Katastrophen im Zusammenhang mit Energieerzeugung: Am 8. August 1975 brach die Staumauer eines Wasserkraftwerks im chinesischen Banqiao in Folge eines Taifuns. Gewaltige Wassermassen töteten mindestens 85.000 Menschen, manche Quellen gehen gar von bis zu 230.000 Toten aus. Gemessen an den direkten Todesfällen sind Staudämme die gefährlichste Energiequelle. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl mag inklusive ihrer Langzeitfolgen ein Vielfaches an Menschenleben gekostet haben, und auch bei Kohle- oder sogar Biomassekraftwerken gibt es auf lange Sicht gravierendere Folgeschäden für die Bevölkerung. Doch die unmittelbare Katastrophengefahr, die weltweit von Staudämmen bei Wasserkraftwerken ausgeht, wächst mit deren Alter – und der Ambitioniertheit neuer Anlagen.

Erst letztes Jahr entging der Oroville-Staudamm in Kalifornien, der größte der USA, nur knapp einer Katastrophe: Der Teufelskreis sich selbst verstärkender Erosion machte es notwendig, dass 200.000 Anwohner evakuiert werden mussten, weil die Sicherheit der Talsperre nicht länger gewährleistet war. Eine verheerende Katastrophe zeichnet sich auch im kriegsgebeutelten Irak ab – und das seit Jahrzehnten: Der Staudamm von Mossul, ein 1986 fertiggestelltes Prestigeprojekt des ehemaligen Diktators Saddam Hussein, gilt als gefährlichste Talsperre der Welt. Entgegen die Warnungen von Experten errichtet, wird auch dieses Bauwerk von Erosion bedroht – wie stark, ist ungewiss. Gewiss ist nur eins: 40 Kilometer flussabwärts liegt die 2,9-Millionen-Einwohnerstadt Mossul, die beim Bruch der Talsperre metertief unter Wasser gesetzt würde.

Tickende Zeitbomben

Andernorts wird dafür neu gebaut – mit ganz eigenen Risiken. Insbesondere in Asien ist ein regelrechter Wettlauf um die Errichtung der leistungsstärksten Staudammprojekte an der Südflanke des Himalaya im Gang. Mega-Staudämme sollen die Schluchten jener Flüsse, die vom Tibet-Plateau herabfließen, zu Energielieferanten für halb Südasien werden lassen. Die Dammkaskaden, die sich dadurch mit bis zu 20 Staudämmen hintereinander reihen, könnten allerdings durch ihre Anordnung im Katastrophenfall verheerende Dominoeffekte auslösen, wie sie auch bei der Katastrophe von Banqiao eintraten.


Weltweit gelangen zahlreiche Talsperren und Staudämme in den nächsten Jahren ans Ende ihrer Lebensdauer, und Geld für die Erhaltung oder Verbesserung der Infrastruktur ist insbesondere in ärmeren Ländern oft nicht vorhanden. Hochindustrialiserte und dicht besiedelte Länder wie Deutschland und Österreich, die in unterschiedlichem Ausmaß ihren Energiebedarf über Wasserkraft und insbesondere Speicherkraftwerke decken, halten ihre diesbezüglichen Infrastrukturen mit Millioneninvestitionen in Schuss. Im Unterschied zu Schwellenländern, aber auch zum Beispiel den USA, wo bekanntlich seit Jahren dringender Investitionsbedarf in eine an allen Ecken und Enden bröckelnde Infrastruktur besteht.
Sicher ist nur eins: Irgendwann bricht jeder Damm.

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