Die Zukunft der Nah- und Fernwärme liegt im Wandel. Fossile Wärmequellen sind rückläufig, alternative müssen stärker integriert, Technologien erneuert werden. Das war der Tenor der »klimaaktiv qm heizwerke«-Fachtagung Anfang Juni in Salzburg.
Der sinkende Wärmebedarf in Neubauobjekten, die Versorgung von Gebieten mit niedrigen Wärmedichten sowie die dezentrale Einbindung von Wärmequellen und Prosumern – die heurige Fachtagung der Forschungseinrichtung AEE INTEC hat das Interesse von mehr als 100 Ziviltechnikern, Nahwärmefachleuten und Vertretern von Abwasserverbänden, Universitäten, Energieinstituten und Stadtwerken geweckt. Die zentrale Botschaft: Neue Konzepte und Denkweisen sind gefordert.
Weiter gedacht
Der erforderliche Wandel im Wärmenetz gelingt nicht nur durch die Einbindung neuer Energiequellen. Schlüsselfaktoren sind die Senkung der Systemtemperatur, die Erhöhung der Flexibilität des Systems, neue Netzarchitekturen und Regelungsstrategien sowie die Stabilisierung älterer Netze. Daniel Reiter, Leiter Bereich Wärmenetze der Salzburg AG: »In Salzburg sind 20 % der Netze, das entspricht fast 40 Kilometern, älter als 35 Jahre. Seit 2010 registrieren wir eine stark steigende Zahl an Rohrbrüchen.« Daher läuft seit 2013 ein Leitungserneuerungsprogramm. Zustandsdaten werden abgeglichen, die Instandhaltungsplanung erfordert eine ordentliche GIS-Dokumentation. Die Salzburg AG arbeitet dazu mit der Software PiReM »Pipe Rehabilitation Management System«, mit der auch das Alterungsverhalten hochgerechnet werden kann.
Ebenso gefordert ist eine neue Netzarchitektur. Dabei spielen laut Austrian Institute of Technology (AIT) Großwärmepumpen und Langzeitspeicher eine wesentliche Rolle. Entscheidend ist ferner die Regelungstechnik. Dazu stellte Bioenergy 2020+ sein Forschungsprojekt BiNe2+ vor, das anhand eines Testnetzes in Niederösterreich untersucht, wie dezentrale Einspeiser in das Nahwärmenetz integriert werden können. Mit der intelligenten Regelungsstrategie werden neue Geschäftsmodelle für Prosumer und Projektpartner realisierbar. Ein weiterer Schlüsselfaktor ist die Hybridisierung des Energiemarktes, die entscheidende Synergien schafft – zwei laufende Projekte des AIT zu diesem Thema: OptHysSys und OrPHeuS.
Senkung der Systemtemperatur
»Ein Professor aus Schweden hat bei einem unserer letzten Workshops die drei wesentlichen Maßnahmen im Wärmenetz genannt: Temperatur reduzieren, Temperatur reduzieren, Temperatur reduzieren«, berichtete Ralf-Roman Schmidt vom AIT. Die Senkung der Systemtemperatur ist nötig, denn in Österreich besteht im Wärmenetz eine starke Dominanz von Hochtemperaturerzeugern. Passiv- und Niedrigenergiehäuser werden oft noch mit Heizkörpern mit einer Vorlauftemperatur von 80 Grad ausgerüstet. »Das ist völlig unnötig. Wenn ich heute keine angepassten Wärmenetze installiere, werden wir in den nächsten 30 Jahren zu hohe Temperaturen in Wärmenetzen haben und damit die Zukunftsfähigkeit dieser Netze massiv in Gefahr bringen«, so Schmidt.
Dieser Teufelskreis muss bereits im Vorfeld durchbrochen werden. Denn Wärmequellen auf geringerem Temperaturniveau wie Industrieabwärme, Geothermie, Solar und Biogas können nicht ordentlich in eine hohe Netztemperatur eingebunden werden. Es erfordert einen hydraulischen Abgleich, das heißt: Jeder Heizkreis wird auf einen bestimmten Durchfluss eingestellt. Durch die Optimierung kann der Rücklauf um fünf bis zehn Grad gesenkt werden. Weitere Vorteile: Reduktion der Wärmeverluste und des Pumpstrombedarfs, Steigerung der Energieeffizienz und erhöhte Abwärmeauskopplung. Daniel Reiter: »In gewachsenen Netzen ist die Senkung von Vorlauf- und Rücklauftemperatur eine große Herausforderung, aber möglich und wirtschaftlich. Die Umbaukosten bei einem unserer Kunden haben 65.000 Euro betragen, sein jährlicher Nutzen liegt bei 18.000 Euro.« Damit hat sich das Projekt in 3,6 Jahren amortisiert.
Auch die Umsetzung von 3-Leiter-Anschlüssen schafft eine Win-win-Situation. Dazu stellte Danfoss seine 3-Leiter-Technologie Microbooster vor. Durch die Kombination von Fernwärme und Wärmepumpe kann die Vorlauftemperatur reduziert und die bestehende Rücklaufleitung ausgekoppelt werden. Als passendes AIT-Forschungsprojekt wurde Stratego präsentiert, das sich mit nachhaltiger Wärme- und Kälteversorgung befasst.
Integration neuer Energiequellen
Die erste Assoziation mit Wärme ist die Sonne. Die Kopplung Solarthermie und Wärmenetze muss in Österreich noch intensiv vorangetrieben werden – derzeit bildet sie einen Nischenmarkt. Ein passendes Forschungsprojekt: Solar Grids, eine Kooperation von TU Wien, AEE INTEC, TU Graz und der Firma Pink. Drei ausgewählte Wärmenetztypen – urbanes Sub-Netz mit hoher linearer Wärmedichte, kleinstädtisches Netz, ländliches Netz – wurden dazu hinsichtlich potenzieller Solarthermie-Einspeisung untersucht. Neben der Sonne bilden industrielle und gewerbliche Abwärme, Umgebungswärme sowie Wärme aus Abwasser günstige Wärmequellen. Durch die bidirektionale Einbindung wird der Verbraucher zum Prosumer. Potenzielle Wärmequellen sind auch Biomasse-Kleinfeuerungen und Power-to-Heat-Systeme. »Durch Wärmepumpen wird das Ergebnis noch effizienter. Leider wird aber nach wie vor vielfach auf Elektrokessel gesetzt«, bedauert Klaus Lichtenegger von Bioenergy 2020+.
Schauplatzwechsel nach Deutschland: In der Gemeinde Wüstenrot in der Nähe von Stuttgart wird Grundwärme durch ein 1,5 Hektar großes Agrothermie-Kollektorfeld gewonnen. In zwei Metern Tiefe ist ein Röhrensystem verlegt, die Wärme wird auf ein Wasser-Glykol-Gemisch übertragen (Grafik). »In den Wohngebäuden sorgt schließlich eine Wärmepumpe für die nötige Temperatur für Raumheizung und Warmwasserbereitung«, berichtet Dirk Pietruschka von der Hochschule für Technik in Stuttgart von einem Positivbeispiel für ein bereits bestehendes Wärmenetz der Zukunft.