Alexander Peschl ist bei Siemens für das Business Development des Bereichs Energieübertragung und -verteilung zuständig und verantwortet das Windkraftgeschäft in Österreich und CEE. Er sieht die Gemeinden als Hebel für die Energiewende.
Report: Herr Peschl, wie geht es dem Windkraftmarkt in Österreich und in den umliegenden Ländern?
Alexander Peschl: Siemens ist von Österreich aus in Summe für 18 Länder in der Region Zentral- und Südosteuropa bis inklusvie Israel verantwortlich. Beim Thema Windpower muss man die Marktsituation in den Ländern individuell betrachten. Welche Fördermechanismen gibt es? Sprechen Gesetze und Verordnungen für den Ausbau? Möchte man auch politisch Windkraft im Land haben? In Österreich waren diese Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren gut, es wurde erfreulicherweise viel installiert. Wir liegen heute bei knapp 2.500 Megawatt installierter Leistung. Das ist für die Größe dieses Landes schon ganz ordentlich. Dennoch herrscht momentan eine Flaute, da durch den Reformstau des Ökostromgesetzes Investitionen zurückgehalten werden. Bewilligte Projekte liegen in den Schubladen, man wartet auf bessere Rahmenbedingungen. Das trifft natürlich auch uns als Lieferant und wir hoffen wie alle anderen auch, dass sich das rasch wieder einpendelt.
In Summe bewegt sich in den südosteuropäischen Staaten einiges. Der Markt in Kroatien entwickelt sich in Folge einer nun klar festgelegten Einspeiseregelung wieder erfreulich. Siemens hat dort auch kürzlich einen Projekterfolg erzielen können. Derzeit wartet die Branche auf den serbischen Windmarkt, in dem sich in der nächsten Zeit einiges bewegen sollte. Die serbische Regierung möchte das Thema erneuerbare Energien klar mit Windkraft unterstützen und schafft gerade die Rahmenbedingungen für den Bau und die Netzanbindung von Windparks. Erfreulicherweise hat Siemens auch ein Projekt mit internationaler Finanzierung in Bosnien umgesetzt. Investitionsbanken wie KfW und andere sind durchaus interessiert, Projekte mit Erneuerbaren zu fördern. In Rumänien wiederum ist der Markt nach den Änderungen der Green-Certificate-Regelungen vor einigen Jahren nach wie vor am Boden. Das tut jenen sehr weh, die dort bereits Windparks betreiben, da sie ihre Investitionskosten so gut wie nicht hereinbekommen.
Einer der Hoffnungsmärkte derzeit ist die Ukraine. Sie verfügt bereits über einige Windparks. Auch wenn sich aufgrund der politischen Situation in den letzten Jahren wenig bewegt hat, zielt die Regierung auf eine unabhängigere Energieversorgung. Wind wäre eine von mehreren Möglichkeiten, auch vom Gas wegzukommen. Ein Gesetzesentwurf für attraktive Einspeisetarife und -konditionen wird vom ukrainischen Parlament wahrscheinlich im Sommer verabschiedet.
Report: Ist Windkraft ohne Förderungen in Europa finanzierbar?
Peschl: Bei den derzeit niedrigen Strompreisen ist dies ohne künstliche Mechanismen in keinem dieser Länder, auch nicht in Österreich, möglich. Es müssen aber nicht immer geregelte Einspeisetarife sein, es gibt ja auch genügend Alternativmodelle wie Investitionsförderungen oder das gerade in Deutschland versuchte Auktionsmodell.
Welcher dieser Mechanismen der beste ist, sei einmal dahingestellt – Tatsache ist: Nachdem die Energiepreise derzeit im Keller sind, kann Windkraft ohne zusätzliche Anreize nicht wirtschaftlich betrieben werden. Wenn sich die Preise ändern sollten oder auch eine Kostenwahrheit in anderen Bereichen hergestellt wird, sieht das wiederum ganz anders aus.
Report: Wagen Sie eine Prognose, wie sich der Strompreis weiter ändern wird?
Peschl: Das ist kaum möglich. Die Energiewende, wird, so wie sie propagiert wird, auch weiterhin gestützt werden müssen. Von freier Marktwirtschaft wird man hier auch in Zukunft noch weit entfernt sein, weil die Staaten ja auch indirekt die Stromerzeugung durch Kohle stützen. Hier wird sich zeigen, wie die Regierungen die Pariser Cop21-Vereinbarung schlussendlich umsetzen werden. Es ist auch spannend, was sich dazu noch in Deutschland tun wird.
Report: Gibt es noch Ausbaupotenzial in der heimischen Windkraft?
Peschl: Experten zufolge könnte mindestens noch einmal so viel Kapazität installiert werden. Entscheidend dafür ist aber die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit. Viele Bürgermeister befürworten den Bau von Windparks – solange dies
nicht auf dem eigenen Gemeindegrund geschieht. Natürlich sollten bei der Umsetzung von derartigen Projekten auf Beeinträchtigungen sowie Naturschutz geachtet und die notwendigen Maßnahmen gesetzt werden. So könnten Windturbinen mit reduzierter Leistung leiser betrieben werden.
Report: Einige Betreiber holen beim Bau von Windkraftanlagen von Anfang an die Bevölkerung an Bord – von symbolisch wirksamen Beteiligungsmodellen bis zu Vollfinanzierung. Wird dies generell bei Projekten der Energiewirtschaft Schule machen?
Peschl: Ja, ich sehe das absolut notwendig. Manche Betreiber tun dies sehr geschickt. Sie erreichen so eine breite Basis für einen Konsens, ein Buy-in der Bevölkerung. Die umweltfreundliche Gestaltung von Infrastruktur sollte auch im Interesse jedes Gemeindevorstands sein. Gerade beim Thema Erneuerbare sollten sich die Gemeinden nicht zurücklehnen und die Meinungsbildung den Energieversorgern überlassen. Es gibt etliche Gemeinden in Österreich, welche die Gestaltung ihrer Energieversorgung mitbestimmen und auch zur Tat schreiten – zum Beispiel mit der Errichtung einer Biomasseanlage.
Report: Sehen Sie einen Trend, dass sich die Menschen bewusst Gedanken zur Herkunft von Energie machen?
Peschl: Absolut. Man sieht dies auch am Wunsch vieler nach eigenen Solaranlagen. Viel Geld erspart man sich bei den derzeitigen Energiepreisen ja nicht – die Motivation dürfte vielmehr darin liegen unabhängiger zu sein und Energie einigermaßen umweltverträglich zu nutzen.
Report: Wird sich die Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen durch den technischen Fortschritt weiter verbessern?
Peschl: Nachdem wir in Österreich nicht extreme Hochwind-, sondern Mittel- bis Schwachwind-Gegenden haben, geht der Trend zu höheren Türmen und damit größeren Rotorblättern. Gegenwärtig haben Rotorkränze bis zu 130 Meter Durchmesser, um den Wind möglichst effizient auszunützen. In der Branche werden bereits auch Turmhöhen von 200 Metern diskutiert. Allerdings sind diese Größen zunehmend ein Logistikproblem. Zum anderen werden die technischen Überwachungsmöglichkeiten verfeinert, um Wartungsaktivitäten mittels »Predictive Maintanance« vorwegnehmen zu können. Die Anlagen werden laufend kontrolliert, um Schäden rechtzeitig zu erkennen und frühzeitig Maßnahmen ergreifen zu können.
Immer ausgefeiltere Analysemethoden lassen noch bessere Informationen aus den anfallenden Daten herausholen. Damit kann auch eine gewisse Ausfallssicherheit garantiert werden. Windanlagenbetreiber arbeiteten bisher schon mit Metereologiedaten, um Prognosen zu Erzeugung und Einspeisung zu erstellen. Das ist auch für die Netzbetreiber wichtig, die so den Bedarf von Regelenergie besser planen können. Produktion, Prognosen und frühzeitige Maßnahmen zur Stabilisierung des Stromnetzes werden nun mehr und mehr verzahnt. Der Datenaustausch wird immer intensiver.
Report: Wird man durch bessere Datenanalysen und IT-Vernetzung die Notwendigkeit der Reservehaltung von konventionellen Kraftwerken vermindern können?
Peschl: Völlig ausschließen wird man das nie können, doch lässt sich durch eine höhere Vorhersagbarkeit die Breite des Spielraums etwas einschränken. In irgendeiner Form muss die Netzstabilität immer abgesichert werden. Eine durch Niederösterreich, Wien und das Burgenland durchziehende Gewitterfront hat Auswirkungen von hunderten bis tausenden Megawatt im Übertragungsnetz. Damit waren die Netze früher nicht konfrontiert und es ist eine gewaltige Leistung, dies
in Balance zu halten. Siemens kann mit seinem Portfolio diese wichtigen und nötigen Komponenten und das Know-how für die Netzsteuerung liefern.
Report: Es ist paradox, dass der Wunsch vieler Menschen nach Erneuerbaren und vor allem einer unabhängigen Energieversorgung wieder nur auf einer stärkeren Verflechtung des Marktes fußen kann.
Peschl: Nun, den großen Energiespeicher, der eine Versorgung lokal absichert, wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben. Wenn Haushalte nach der Photovoltaikanlage am Dach nun auch an eine Batterie im Keller denken, werden sie zwar eine Spur autarker, es löst aber nicht das Problem im Ganzen. Die Riesenbatterie, die einen 100-MW-Windpark abpuffert und dessen Ertrag auf ein paar Tage zwischenspeichert, gibt es noch nicht. Alternative Technologien würden sehr wohl bereits existieren. So bin ich nach wie vor ein Verfechter von Power-to-Gas-Verfahren. Sie sind aber nur wirtschaftlich, wenn man nicht die Rückverstromung, sondern andere Wege in Betracht zieht. Das könnte in der Nähe einer Stadt die Erzeugung von Warmwasser für ein Fernwärmenetz sein.
Report: Würden sich lokale Speicherlösungen auf kommunaler Ebene besser für einen Netzausgleich eignen?
Peschl: Da sind wir wieder bei der Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit und der Politik auf Gemeindeebene. Wenn der Wunsch da ist, kann man dieses Thema auch auf kommunaler Ebene fördern. Die Ortsspeicher im kleinen Dorf oder auch einer größeren Gemeinde könnten sich bei Engpässen auch gegenseitig aushelfen. Notwendig sind dazu aber Gesetzesänderungen und das Schaffen geeigneter Rahmenbedingungen, um smarte lokale Netze überhaupt betreiben zu dürfen. Die öffentliche Meinungsbildung kann nicht nur den großen Energieversorgungsunternehmen oder den Alternativen überlassen werden – zu viele Faktoren spielen hier mit. Das betrifft unsere gesamte Gesellschaft und die gesamte Wirtschaft.
Report: Siemens will seine Windkraftpalette mit den Geschäften des Anbieters Gamesa fusionieren – welche Auswirkungen erwarten Sie für Ihr Marktgebiet?
Peschl: Beide Geschäftsbereiche ergänzen sich in hohem Maße in Bezug auf globale Aufstellung, bestehende Produktportfolios und Technologie. Das kombinierte Geschäft wird global in allen wichtigen Regionen aktiv sein und ein weltweites Fertigungsnetzwerk haben. Siemens Wind Power hat eine gute Position in Nordamerika und Nordeuropa, während Gamesa gut in stark wachsenden Schwellenmärkten wie Indien und Lateinamerika sowie in Südeuropa positioniert ist. Zudem wird das gemeinsame Portfolio alle Windklassen und die wichtigsten Marktsegmente adressieren. Es ist allerdings noch zu früh, über konkrete Auswirkungen auf den regionalen Markt zu sprechen, hier gilt es erst noch das Closing im kommenden Jahr abzuwarten.