Seit 15 Jahren können österreichische Stromkunden ihren Lieferanten frei wählen. Die Öffnung des Strommarktes 2001 und des Gasmarktes 2002 erhöhte das heimische Bruttoinlandsprodukt kumuliert um 1,3 Prozent und schuf 17.000 neue Jobs. Das sind die Ergebnisse einer Studie des Wirtschaftsforschers Kurt Kratena im Auftrag der Energieregulierungsbehörde E-Control. Durch die Strommarktliberalisierung ist die gesamte Stromrechnung für einen Haushaltskunden 2014 um 60 Prozent niedriger als in einem Szenario ohne Liberalisierung, für einen Industriebetrieb ist die Stromrechnung um 70 Prozent niedriger. „Der freie Markt hat die Strompreise ordentlich gedrückt. Ohne die Liberalisierung wären die Strompreise deutlich höher als heute“, so Martin Graf, Vorstand der E-Control, heute, Montag, auf einem Pressegespräch in Wien. Die Preise sind gesunken, weil die Energieunternehmen geringere Gewinnaufschläge erzielten und effizienter wurden.
Durch Liberalisierung Bruttoinlandsprodukt um 1,3 Prozent höher, 17.000 neue Jobs
Durch die Öffnung des Strom- und Gasmarktes erhöhte sich das Bruttoinlandsprodukt kumuliert um 1,3 Prozent im Vergleich zu einem Szenario ohne Liberalisierung. Rund 17.000 Jobs sind neu entstanden. Im Elektrizitäts- und Gassektor sind entgegen früheren Berechnungen nur 400 Stellen weggefallen. „Dieser Arbeitsplatzverlust wurde aber durch neue Jobs in anderen Bereichen mehr als wettgemacht.“ So sind etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Verwaltung 9.000 neue Arbeitsplätze entstanden, in Handel und Verkehr 3.000. Da die Konsumenten und Betriebe weniger Geld für Energie ausgeben mussten, floss das verfügbare Geld in die Wirtschaft und schuf dort neue Arbeitsplätze. „Die Liberalisierung brachte positive Effekte für die Energiekunden, den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt“, betonte Graf. „Die Energieunternehmen mussten ihre Strukturen weiterentwickeln und große Herausforderungen meistern. Die E-Wirtschaft ist auch jetzt stark gefordert, etwa durch die neue Konkurrenz von IT-Firmen.“
Stromnetzentgelte seit 2001 um ein Viertel niedriger
Mit der Liberalisierung ging auch die Regulierung der Netzbetreiber einher. Seit 2001 wurden in Summe um insgesamt rund 6,7 Milliarden Euro weniger Stromnetzentgelte bezahlt und die aktuellen Entgelte liegen im Schnitt um 23,8 Prozent niedriger als zu Beginn der Regulierung. Da die Netzbetreiber natürliche Monopolbetriebe sind, werden die Netzentgelte von der Regulierungsbehörde E-Control festgelegt. Die Stromnetzentgelte machen rund ein Viertel der gesamten Stromrechnung aus. „Die Netzbetreiber sind effizienter und schlanker geworden. Diese Einsparungen wurden durch die Regulierung an die Kunden weitergegeben. Gleichzeitig wurde weiterhin viel in die Netze investiert und Österreich hat nach wie vor eine sehr hohe Versorgungssicherheit und eine der geringsten Stromausfallsdauern Europas“, so Graf.
Intensiverer Wettbewerb am Strom- und Gasmarkt
Der Wettbewerb am heimischen Strom- und Gasmarkt ist zuletzt intensiver geworden, betonte Graf. „Immer mehr neue Lieferanten drängen auf den Markt, die Anbieter übertrumpfen sich mit unterschiedlichen Angeboten.“ Am Strommarkt sind seit vergangenem Jahr neun neue Anbieter in den Markt eingetreten. Am Gasmarkt sind zwei neue Lieferanten hinzugekommen. Insgesamt gibt es in Österreich für Haushalte derzeit 147 verschiedene Stromlieferanten und 33 Gaslieferanten. Die genaue Zahl der Lieferanten und Angebote ist abhängig vom Wohnort. Ein Haushalt in Wien beispielsweise kann mittlerweile zwischen 79 unterschiedlichen Stromprodukten von 38 Lieferanten wählen. Vor zehn Jahren gab es nur elf verschiedene Angebote in Wien. Ein Gaskunde in Oberösterreich hat mittlerweile die Wahl zwischen 49 verschiedenen Gasprodukten von 21 Lieferanten. Vor zehn Jahren gab es gerade einmal sechs verschiedene Angebote.
Hohe Investitionen in Gasnetze, Speicherkapazität verdreifacht
Der Gasmarkt habe sich seit der Liberalisierung gut entwickelt, sagte E-Control-Vorstand Walter Boltz. „Seit der Gasmarktliberalisierung sind die Investitionen in die Netze signifikant angestiegen. Die heimischen Gasspeicherkapazitäten haben sich seit der Liberalisierung 2002 fast verdreifacht.“ 2002 erfolgte die Beschaffung von Gas nahezu ausschließlich über langfristige Verträge mit Ölpreisbindung. „Das hat sich enorm geändert, die flexible Beschaffung an Gashandelsplätzen, sogenannten Hubs, wird immer bedeutender“, erläuterte Boltz. Die Liquidität dieser Handelsplätze ist seit 2008 deutlich gestiegen, auch am Virtuellen Handelsplatz in Österreich. „Die Bedingungen für Gaskunden sind so gut wie nie zu vor seit Beginn der Liberalisierung“, betonte Boltz. Kunden können mittlerweile aus vielen verschiedenen Lieferanten und Produkten auswählen, bei Alternativlieferanten sind die Preise sehr niedrig. „Wer wechselt, kann von günstigen Preisen profitieren. Wer nicht wechselt, muss auf Preissenkungen hoffen, diese erfolgen aber nur zögerlich.“
1,6 Millionen wechselten Strom- und Gasanbieter seit Liberalisierung
Ihr Recht, den Lieferanten frei zu wählen, nutzen die Strom- und Gaskunden seit der Liberalisierung immer stärker. Insgesamt wechselten seit 2001 rund 1,6 Millionen Haushalte und Betriebe. Bei Strom wechselten 1,3 Millionen, knapp die Hälfte davon in den vergangenen fünf Jahren. Bei Gas suchten sich seit der Liberalisierung 2002 mehr als 250.000 Gaskunden einen neuen Lieferanten, mehr als zwei Drittel der Wechsel erfolgten in den vergangenen fünf Jahren. „Vor allem in den letzten Jahren wechselten die Österreicher immer häufiger“, so Boltz. Dementsprechend stiegen auch die Wechselraten an. Vergangenes Jahr wechselten bei Strom 2,5 Prozent – deutlich mehr als im Jahresschnitt seit der Liberalisierung (1,5 Prozent). Bei den Gaskunden lag die Wechselrate 2015 bei 3,4 Prozent und war damit mehr als doppelt so hoch wie der langjährige Schnitt von 1,4 Prozent. Insgesamt wechselten im vergangenen Jahr 198.000 Haushalte und Unternehmen ihren Strom- oder Gaslieferanten. Walter Boltz: „Was bei Handyverträgen gang und gäbe ist, wird nun auch bei Strom und Gas immer üblicher. Nämlich Preise zu vergleichen und zu dem für sich günstigsten Anbieter zu wechseln.“
Ersparnisse bei Wechsel binnen fünf Jahren verdreifacht
Warum die Österreicher immer häufiger wechseln, lässt sich zum Teil durch die zuletzt gestiegenen Ersparnisse bei einem Wechsel erklären. „Das Einsparpotenzial hat sich zuletzt rasant nach oben entwickelt. Die Ersparnisse haben sich bei Strom und Gas in den vergangenen fünf Jahren teils verdreifacht“, sagte Boltz. 2011 betrug die maximale Gesamtersparnis bei einem gleichzeitigen Wechsel von Strom und Gas 220 Euro inklusive Neukundenrabatt (Netzgebiet Oberösterreich). Derzeit sind es in Klagenfurt rund 750 Euro, wie aus dem Preismonitor der E-Control für März 2016 hervorgeht. Alleine in den vergangenen zehn Jahren sparten sich alle Haushalte und Gewerbebetriebe, die sich einen neuen Lieferanten suchten, rund 174 Millionen Euro bei Strom und rund 55 Millionen Euro bei Gas. Boltz rät angesichts der höchsten Einsparpotenziale seit der Liberalisierung zum Anbieterwechsel: „Wer seinem alten Lieferanten treu bleibt, zahlt drauf.“
Umfrage: Jeder fünfte Haushalt kann sich heuer Wechsel vorstellen
Knapp 800.000 Haushalte können sich heuer einen Wechsel des Strom-oder Gasanbieters vorstellen, wie eine Hochrechnung auf Basis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Peter Hajek im Auftrag der E-Control unter 1.000 Personen besagt. „Das Potenzial an wechselwilligen Haushalten ist noch lange nicht erschöpft. Jeder fünfte ist grundsätzlich für einen Wechsel heuer offen“, betonte Boltz. Für jene, die gewechselt haben, war der Umstieg leichter als gedacht. Für 81 Prozent der Befragten, die bereits gewechselt haben, ging der Umstieg auf einen neuen Lieferanten „sehr rasch und unkompliziert“. Weitere 13 Prozent stimmten dieser Aussage ebenfalls weitgehend zu. „Neun von zehn Wechslern waren mit Schnelligkeit und Einfachheit des Anbieterwechsels sehr zufrieden oder zufrieden“, fasste Boltz die Umfrageergebnisse zusammen.