Mittwoch, November 20, 2024
Kognitiver Bau
Bild: iStock

Als Sprachassistent, Empfehlungssystem und zur Bilderkennung wird KI bereits regelmäßig eingesetzt. In den nächsten Jahren wird KI auch zum leistungsstarken Werkzeug für Planung, Realisierung und Betrieb am Bau entwickelt werden.

 

Algorithmen bestimmen zunehmend das Leben, beruflich wie privat, sie sind Basis alles Digitalen. Bislang sind sie starren, unveränderlichen Prinzipien gefolgt, zunehmend werden sie selbstlernend und können in kurzer Zeit komplexe Sachverhalte verarbeiten. Im Privaten überwacht KI etwa Fitnessaktivitäten, analysiert Schlafmuster und steuert Musik- und Videostreamingdienste. Im Büro steht KI für maschinelle Übersetzung, vorausschauende Wartung und personalisiertes Marketing. Künstliche Intelligenz macht auch vor der Baubranche nicht Halt. Im KI-Portfolio stehen Assistenzfunktionen bei der Standortanalyse und -bewertung, der Entwurfsplanung, beim Projekt- und Risikomanagement, der Qualitätssicherung der Bauausführung und auch bei der Optimierung des Energieverbrauchs im Gebäudebetrieb.

Bis 2026 werden vielfältige KI-Anwendungen in der Baupraxis erwartet. In der Planung sehen Fachleute die Rolle von KI zunehmend bei der Analyse von Daten aus vergangenen Projekten, um beispielsweise Trends zu erkennen und Projektpläne zu optimieren, KI kann Gebäudelayouts optimieren, wobei Faktoren wie Energieeffizienz, strukturelle Integrität und Bedürfnisse der Bewohner*innen berücksichtigt werden. Sie unterstützt zunehmend bei der Qualitätskontrolle auf Baustellen in Echtzeit, überwacht die Leistung von Gebäuden und ermittelt den Wartungsbedarf.

»Mit der zunehmenden Rechenleistung und auf Basis der langjährigen Forschung wird KI immer leistungsstärker und so auch für bauwirtschaftliche Anwendungen immer interessanter«, betont Burkhard Seizer, technischer Projektleiter bei Drees & Sommer. Künstliche Intelligenz habe das Potenzial, Effizienz ebenso zu verbessern wie Sicherheit und Nachhaltigkeit. Bislang haben Trainingsdatensätze gefehlt, das ändert sich aber. Eine große Herausforderung liegt nach wie vor in der Verfügbarkeit geeigneter Daten. »Vielfach liegen sie noch zu verteilt, in proprietären Formaten, zu ungenau oder zu hoch aggregiert und in nicht ausreichendem Umfang vor«, so Seizer. Das hemme die KI daran, ihr volles Potenzial für die Bauwirtschaft auszuschöpfen.


Grafik: Die Planungsunterstützung ist der weitverbreitetste Anwendungsbereich, sowohl in der aktuellen Nutzung als auch in der geplanten Implementierung. 

KI-Bauwelt
KI kann auf eigene Faust kein Haus bauen, sie kann allerdings niederschwellige und repetitive Arbeiten übernehmen. Damit ändert sich der Bauschwerpunkt von herkömmlichen Planungs-, Administrations- und Bauarbeiten hin zu einem informationstechnologischen Ansatz. Die Befürchtung, dass KI Mitarbeiter*innen ersetzt, wurde zuletzt bei der DataCon.AI Konferenz 2023 einstimmig von den Sprecher*innen aus Wissenschaft und Wirtschaft widerlegt, darunter Klemens Haselsteiner, CEO der Strabag, und Hubert Rhomberg, Geschäftsführer von Rhomberg. KI assistiert, bietet eine Entscheidungsgrundlage – die Entscheidung selbst trifft aber nach wie vor der Mensch. Dazu muss KI für z. B. den Polier auf der Baustelle einfach zugänglich und praktikabel sein.

Jan Wolber, Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie, KIT, erwähnt das Projekt Valoon, das eine Brücke zwischen Kommunikationswegen der Bauarbeiter*innen und fortschrittlichen Technologien wie Messengerdiensten schlagen soll. Eine Brücke in die Bauwelt bietet KI auch in der Bilderkennung. »Hier ist Künstliche Intelligenz schon stark vertreten«, betont Steffen Robbi, Geschäftsführer von Digital Findet Stadt, und verweist auf Kameras an Kran und Bagger, die Bildanalysen für Bewegungs-, Material-, Fahrzeug­erkennung, Fahrzeugtracking und z. B. Baufortschrittserkennung durchführen. Auf der Baustelle kann KI auch einen großen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit leisten. Smarte Sensoren zur Objekterkennung und -klassifizierung können ungeschützte Gefahrenzonen identifizieren, auch Vermessungen an riskanten Stellen ohne menschliche Hilfe sind möglich.

Blick in die heutige Bau-KI
»KI ist eine alte Technologie, die es schon seit den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts gibt. Methodisch hat sich nicht viel getan, allerdings hat sich die Datenmenge verändert. Sie ist exponentiell gestiegen und damit auch die Möglichkeit, diese mathematischen Modelle zu trainieren«, so Robbi. In der Vergangenheit hat man zudem mit sehr teuren KI-Modellen gearbeitet. Da war es ein rechentechnisch kostspieliges Unterfangen, größere Modelle zu trainieren und zu verwenden. Das konnte sich nicht jeder leisten. Unternehmen wie Microsoft, Google, Amazon oder Tesla investieren mehrstellige Milliardenbeträge in Unternehmen, die KI-Modelle entwickeln. Das löst Entwicklungssprünge aus und auch den derzeitigen Hype.

Zahlreiche Anwendungsfälle gebe es in der Planung, in der Entwurfsphase von Planungsprozessen, Grundrissen, Simulationen und Berechnungen wie Klimarisiken, Mikroklimasimulationen usw. Delta Pods Architects nutzt KI teilweise bereits zur Visualisierung ihrer architektonischen Entwürfe. Das Tiroler KMU Rieder Bau ist auch schon intensiv in der KI-Welt unterwegs. »Wir nutzen Adobe Firefly zur Unterstützung von Architektur-Visualisierungen, Chat-GPT als Werkzeug zur Formulierung von Schriftstücken und arbeiten daran, vorhandene wie neu hinzukommende Daten zu strukturieren, mit Metainformationen versehen abzulegen, um in Zukunft die Möglichkeit zu haben, mit diesen Daten firmenspezifische KI-Auswertungen machen zu können«, informiert Richard Thrainer, Teamleiter Integrale Planung.

KI-Status
Das Thema Digitalisierung in der Bauwirtschaft ist laut Drees & Sommer insgesamt noch recht jung, der Einsatz von KI etwas verhalten. »Damit ist jetzt nicht die Computerisierung gemeint. Diese hat ja beispielsweise im Bereich der CAD-Planung oder der Baustatik schon früh Einzug gehalten. Aber die Idee durchgehend digitaler Prozesse und die des digitalen Bauens im Sinne einer auch KI-basierten Bauindustrie 4.0 ist noch nicht so alt«, betont Seizer. Erst 27 Prozent der 163 befragten Unternehmen schreiben sich dem Technologiereport 2023 (Digital Findet Stadt) zufolge eine höhere bis hohe Kompetenz im Umgang mit KI zu. »Der Wissensstand wächst, aber er ist immer noch sehr gering, extrem unterschiedlich und hat nichts mit der Größe der Unternehmen zu tun«, betont Steffen Robbi. Dennoch gibt es bereits eine Vielzahl an KI-Projektbeispielen aus der und für die Baupraxis.

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Bild: »Eine Herausforderung an KI am Bau ist das Thema Datenschutz«, sagt Steffen Robbi auf und verweist auf entsprechende Schulungen in der Digitalakademie.

KI-Ausblick
»Ich würde jedem Bauunternehmen raten, sich frühzeitig eine Strategie für Digitalisierung zurechtzulegen. Man muss ja nicht mit BIM anfangen, man kann die täglichen Prozesse wie Kommunikation und Daten auch einfach digital abbilden«, empfiehlt Jan Wolber. Eine Möglichkeit ist die Erfassung über eine Baumanagementsoftware, Mängellisten können mit einer SQL-Datenbank geführt werden statt über Excel. Sobald eine gewisse Datengrundlage vorliegt, kann man auf dieser KI-gestützte Auswertungen besser nutzen.

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Bild: Bei Porr ist KI im internen Dokumentenmanagementsystem im Einsatz. Projektziel ist es, Mitarbeitende mithilfe von KI effizient zu den gesuchten Informationen zu führen. Der Bot kann befragt und es kann gezielt gesucht werden. Das System wird konzernweit eingesetzt.

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Bild: Häufig wird der Zustand von Infrastruktur und Gebäude noch analog durch Sichtkontrollen vor Ort überwacht. Neueste KI-unterstützte Datenverarbeitung mit verschiedenen Sensoren und IoT-Anbindung ermöglicht es, Schäden rechtzeitig und automatisch zu erkennen und gleichzeitig die Kosten zu reduzieren. SuessCo Sensors bietet dazu den patentierten 6D-Sensor, basierend auf Magnetfeldtechnologie und KI.

 


Generative Design

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Generative Design ist das größte KI-Projekt der Strabag. In dem rechnergestützten Planungsprozess erzeugen evolutionäre Algorithmen und Optimierungsverfahren in kürzester Zeit eine Vielzahl von Entwurfsalternativen. Generative Design kommt in einem breiten Anwendungsspektrum zum Einsatz: im Tiefbau zur Optimierung von Verbauwänden, im Hochbau zur automatisierten Planung von Standardtreppenhäusern oder zur Erstellung optimaler Energiekonzepte.

 


KI in der Praxis

Der Bau & Immobilien Report hat sich umgehört, wo die künstliche Intelligenz schon heute erfolgreich eingesetzt wird. Einige Beispiele:

Intuitive Planung

»dProB«, eine neue Lösung des Lean-Start-ups BII mit Beteiligung der Rhomberg Gruppe, ist eine Softwarelösung, mit der Bauprozesse intuitiv und interaktiv in einem Gaming-Umfeld geplant werden können. Aufsetzend auf der CAD-Planung für die Bauwerke realisiert dProB die Bauablauf- sowie Bauprozessplanung. Dabei sammelt das Tool alle relevanten Daten und somit das Erfolgsrezept, wie dieses Projekt und damit gleiche Projekte in Zukunft bestmöglich durchgeführt werden können. So lernt die Lösung, (teil-)automatische Bauabläufe zu planen.

Analyse und Strukturierung

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Große Mengen an Daten zu analysieren und zu strukturieren bestätigt auch der Schweizer Bau- und Immobiliendienstleister Implenia als wesentliche Aufgabe für KI. »Hierzu etablieren wir eine zentrale Datenschnittstelle mit Microsoft Fabric, um die individuellen Business-Reporting-Bedürfnisse abzudecken. Zudem haben wir begonnen, eine KI-basierte Software zur Termin- und Arbeitsablaufoptimierung von Alice- Technologies in einigen großen und komplexen Infrastrukturprojekten einzusetzen«, informiert Stephan Burkart, Chief Information Officer. KI ermöglicht, hunderte unterschiedlicher Szenarien zu simulieren und die besten Lösungen zu wählen.

3D-Modell für Baustellen

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Ein modellbasiertes Assistenzsystem für Baustellen hat das Kölner Unternehmen specter automation entwickelt. »Es ist 3D-Modell-basiert, das Modell fungiert als Datenbank und bildet eine horizontale Integrationsplattform«, informiert Geschäftsführer Oliver Eischet. Die Daten helfen, monotone und wiederkehrende organisatorische Abläufe des Baumanagements zu automatisieren – von der Statusverfolgung, der Aktualisierung von Zeitplänen und der Kommunikation mit Nachunternehmern sowie Auftraggebern bis hin zur Datenanalyse, dem Leistungsbericht und der Rechnungsstellung. Ergänzt wird die Software durch einen generativen KI-Chatbot, der auf Text- und Sprachbefehle von Nutzer*innen reagiert.

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