Mittwoch, November 20, 2024
Eine Frage des Systems
Bilder: istock, M. Hetzmannseder

Der wirtschaftliche Druck der letzten Jahre hat dazu geführt, dass im Trockenbau statt auf umfassend geprüfte Industriesysteme, auf nicht vollständig geprüfte Mischsysteme ausgewichen wird. Die kurzfristigen Kosteneinsparungen können aber ein teures Nachspiel haben.

 

Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen die Baubranche vor ein Dilemma. Zum einen steigen die Qualitätsanforderungen, zum anderen hat die Kostenentwicklung der letzten Jahre dazu geführt, dass Unternehmen laufend auf der Suche nach neuen Einsparungsmöglichkeiten sind. Das trifft auch den Trockenbau. Laut einer Studie des Magazins »Der Schweizer Hauseigentümer« entfallen zwischen 2,4 Prozent der Gesamtkosten im Einfamilienhausbau und fünf Prozent im mehrgeschoßigen Wohnbau auf den Trockenausbau.

Entgegen der landläufigen Meinung ist Trockenbau aber mehr als eine schematische Aneinanderreihung von immer den gleichen Wänden und Decken. Denn häufig sind Sonderlösungen wie Brandschutzwände mit Überhöhen, höhere Lasten bei abgehängten Decken und andere Spezialanforderungen gefragt. Zudem ist der moderne Trockenbau eine wichtige Schnittstelle zu den verschiedenen Gewerken. Dafür liefern die Industriehersteller umfassend geprüfte Systeme sowie spezielles Know-how und laufenden Support. Wird beim Trockenbau gespart, greifen Verarbeiter in der Regel statt zu diesen durchgängig geprüften Industriesystemen zu günstigeren, aber nicht vollständig geprüften Mischsystemen.

»Im Zuge des Energiepreis-Schocks und den gestiegenen Materialkosten ist in den letzten Jahren eine leichte Abwanderung von den Industriesystemen wahrzunehmen«, erklärt Michael Allesch, Geschäftsführer Vertrieb und Marketing Isover und Rigips Austria. Findige Fachhändler haben die vermeintliche Marktlücke erkannt und bieten ihre eigenen Systeme an. Gab es vor drei Jahren in Österreich noch vier Anbieter von Trockenbausystem aus dem Industriebereich, sind es heute bis zu acht Anbieter von Systemen oder Teilsystemen. Damit verfügt Österreich über eine der höchsten »Systemdichten« in Europa.

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Bild: »Die Frage, ob Verarbeiter auf ein geprüftes Trockenbausystem setzen, ist auch eine Frage der Haftung. Kurzfristige Einsparungen beim Material können langfristig richtig teuer werden«, sagt Michael Allesch, Saint-Gobain.

System ist nicht gleich System
Bei den Mischsystemen werden Einzelkomponenten, sowohl von etablierten Industrieherstellern wie Knauf oder Rigips aber auch von Billigherstellern aus dem Ausland, eingekauft und dann auf eigene Faust zu einem System zusammengefügt. Das spart gegenüber den etablierten Industriesystemen Geld, erhöht aber auch das Risiko für Verarbeiter und Bauherrn. »Vielfach ist zu wenig bekannt, dass es beim Trockenbau starke qualitative Unterschiede gibt, die in Bezug auf Sicherheit, Gewährleistung oder fehlenden technischen Support bei der Umsetzung etc. zu beträchtlichen Risiken führen können«, so Allesch.

Damit ein Trockenbausystem die richtige Performance hinsichtlich Schall, Brand, Standsicherheit, Wärmeisolierung oder Korrosion gewährleisten kann, muss das System »aus einem Guss bestehen« und im Ganzen auch auf Eventualitäten und Sonderkonstruktionen geprüft werden. »Bei Industriesystemen ist genau das der Fall. Der Industriehersteller hat das System geprüft, verfügt bei der Anwendung über jahrelange Erfahrung und steht für jede einzelne Komponente und deren Zusammenspiel ›gerade‹«, sagt Allesch. Bei einem Mischsystem stammen die Einzelkomponenten von unterschiedlichen Herstellern. Jeder einzelne Hersteller hat seine eigene Komponente geprüft, die Gesamtperformance kann funktionieren - muss aber nicht. In der Praxis kommt es auch häufig vor, dass ein Bauträger dem Verarbeiter diese Einzelkomponenten zur Verfügung stellt, die in weiterer Folge als System verarbeitet werden. »In diesem Fall - wie in jedem anderen Fall - tritt der Verarbeiter als Systemgeber auf und es entfallen auf den Verarbeiter Nachweis­pflichten, die im Falle einer Reklamation schlagend werden«, so Allesch.

Ungewisse Zukunft
Mischsysteme bedeuten aber nicht per se, dass sie nicht funktionieren, betont Allesch. Welche Anwendungen in Zukunft noch zulässig sein werden, entscheidet sich nicht zuletzt in Brüssel. Die Trends bei den EU-Regulativen gehen aufgrund der höheren Sicherheit klar in Richtung Universalsystem. »Bei WDVS schreibt die EU schon heute verpflichtend eine System­anwendung vor. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend auch im Bereich Trockenausbau langfristig durchsetzen wird«, sagt Allesch, der auch bezweifelt, dass alle neuen Anbieter in der jetzigen Form in einigen Jahren noch am Markt präsent sein werden.


Vorteile »Bauen im System«

Definition. Ein vollständig geprüftes System liegt dann vor, wenn definierte Komponenten – dazu gehören Platten, Profile, Dämmstoffe, Befestigungstechnik sowie Fugenfüller  – auf Brandverhalten, Feuerwiderstand oder Schallschutz geprüft, bewertet und klassifiziert sind.

Umfang. Der Begriff »System« umfasst bei den Industrieherstellern nicht nur das geprüfte System, sondern auch die begleitende technische Beratung, die kostenfrei ist. 

Ergebnis. An moderne Trockenbausysteme werden die unterschiedlichsten Anforderungen gestellt. Dazu zählen neben Ebenheit, Stoßfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit der Komponenten auch technische Aspekte wie Brand- und Schallschutz sowie ästhetische Ansprüche. Nur mit perfekt abgestimmten Komponenten können diese Anforderungen mit Sicherheit erfüllt werden. 

Prüfung. Gesamtsysteme werden von der staatlichen Versuchsanstalt TGM, der IBS Linz oder der MA39, Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle der Stadt Wien regelmäßigen Brand-, Schall- und Statik-Prüfungen unterzogen, wodurch das Zusammenspiel der einzelnen Systemkomponenten sichergestellt wird.

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