Dienstag, November 19, 2024
»Die Politik hat uns im Stich gelassen.«
»Der Wohnbau ist nicht eingebrochen, weil es keinen Bedarf gibt, sondern weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen«, sagt Andreas Pfeiler. (Fotocredit: Fachverband Steine-Keramik)

Im Interview mit Report(+) spricht Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik in der Wirtschaftskammer, über die Auswirkungen der Signa-Insolvenz auf die Branche, notwendige Maßnahmen, um den Abschwung zu stoppen, und Fehler der Politik.

Text: Bernd Affenzeller

Was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie als Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik an das abgelaufene Jahr denken?

Andreas Pfeiler: Die miserable Auftragslage. Und damit zusammenhängend Marktrückgänge, wie wir sie noch nicht erlebt haben. Den größten Rückgang gab es im Hochbau, speziell im Wohnbau. Da sind zu viele marktverändernde Rahmenbedingungen zu abrupt eingetreten und wir sind auch von der Politik ein Stück weit im Stich gelassen worden.

Inwiefern?

Pfeiler: Dieses Bashing des Einfamilienhauses hilft keinem. Die Gleichsetzung mit Reichtum stimmt einfach nicht. Das stimmt vielleicht im 19. Bezirk in Wien, aber nicht im Wald- oder Mühlviertel. Gerade im ländlichen Raum gibt es oft gar keine andere Möglichkeit, zu wohnen. Da gibt es einen Gebäudebestand, der weitergegeben wird. Und es ist sinnvoll, diesen auch zu nutzen.

Wie sieht die konkrete Forderung an die Politik aus?

Pfeiler: Die Politik muss erkennen, dass der Bedarf an Wohnraum ungebrochen ist. Nur weil aktuell keine Häuser oder Wohnungen gebaut werden, heißt das ja nicht, dass sie nicht gebraucht werden. Der Wohnbau ist ja nicht eingebrochen, weil es keinen Bedarf gibt, sondern weil die Rahmenbedingungen mit zu schnell gestiegenen Zinsen und den strengen Kreditvergabekriterien nicht stimmen. Das ist zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt gekommen. Vor fünf Jahren wären strengere Kreditvergabekriterien wahrscheinlich niemanden aufgefallen, aber gemeinsam mit den stark steigenden Zinsen ist das fatal. Es gibt leider null Bereitschaft der Politik, etwas zu ändern. Ich bin gespannt, wie wir den Bedarf in ein paar Jahren decken, wenn jetzt nichts gebaut wird. Da werden die Preise dann noch stärker steigen.

Was erwarten Sie von der Politik?

Pfeiler: Zumindest eine temporäre Lockerung der Kreditvergabekriterien. Auch eine Rückvergütung der Mehrwertsteuer auf Bauleistung und -material wäre sinnvoll. Wir haben eine ganz konkrete Forderungsliste an das Finanz- und Wirtschaftsministerium sowie das Bundeskanzleramt geschickt (siehe Kasten). Da stößt man auch durchaus auf Verständnis, aber es fehlen die konkreten Maßnahmen. Ganz wichtig wäre es auch, die Fördersätze der Wohnbauförderung an die Inflation anzupassen. Neben der Dotierung muss aber auch sichergestellt werden, dass der Kunde an die Fördermittel kommt. Aktuell könnte man in dem einen oder anderen Bundesland den Eindruck gewinnen, dass man froh ist, wenn die Förderungen nicht abgeholt werden.

Es ist in einem so schwierigen Marktumfeld auch das völlig falsche Zeichen, einzelne Baustoffe ohne wissenschaftliche Evidenz zu bevorzugen. Wenn der Baustoff Holz mit 100 Millionen Euro gefördert wird, weil er angeblich nachhaltiger ist, dann sollte man sich einmal mit echten Experten unterhalten. Die kommen zu einem anderen Ergebnis, nämlich dass über den gesamten Lebenszyklus betrachtet, kein Baustoff besser oder schlechter ist.

Ist die Holzfraktion einfach im Lobbying erfolgreicher?

Pfeiler: Ja, vielleicht. Es will leider niemand wissenschaftliche Fakten hören, sondern einen guten Slogan. Und jeder Politiker lässt sich lieber vor einem Baum ablichten als vor einer Betonwand. Aber leider bestimmt die emotionale Komponente die Diskussion und nicht die wissenschaftlich basierte. 

Selbst wenn jetzt die Baubewilligungen wieder steigen sollten, würde es einige Zeit dauern, bis die Baustellen laufen. Gibt es irgendwelche kurzfristigen Maßnahmen, die helfen könnten? Reicht die Erhöhung der Sanierungsförderung aus?

Pfeiler: Natürlich nicht. Das ist ein gutes Instrument, um die Professionisten in Beschäftigung zu halten, kann den Einbruch im Neubau aber nicht kompensieren. Zudem wäre es wichtig, die administrativen Hürden bei der Antragstellung zu beseitigen. Ich bin vom Fach, habe aber am eigenen Leib erfahren, wie schwierig es ist, an Förderungen zu kommen. Wenn man da keinen Experten an der Hand hat, ist man verloren.

Die Bauwirtschaft hat ein paar richtig gute Jahre hinter sich. Hat man sich zu wenig auf einen Abschwung vorbereitet?

Pfeiler: Keine Frage, die konjunkturstützenden Maßnahmen im Zuge der Pandemie haben uns enorm geholfen. Dazu kam seit zehn Jahren eine Niedrigzinspolitik, die sich in den Köpfen verankert hat. Es ist verständlich, dass man diese Welle reiten will. Es ist auch nicht das Problem, dass die Konjunktur zurück geht, sondern wie schnell sie zurückgeht. An so einen Einbruch wie 2023 kann sich niemand erinnern, der heute im Geschäft ist. Und kaum hat man sich auf die Situation eingestellt, wird die Konjunktur wieder anziehen. Das ist zu volatil, das ist nicht planbar.

Das alles beherrschende Thema der letzten Wochen ist die Signa-Insolvenz. Wird die Pleite langfristige Auswirkungen haben, oder wird alles wieder wie früher sein?

Pfeiler: Es wird immer Leute geben, die Geschäfte machen wollen. Das ist auch gut so, davon lebt unsere Gesellschaft. Es wird auch nach der Signa wieder Investoren geben, die Chancen sehen. Die Signa ist ein internationaler Player und global betrachtet bei weitem nicht der erste Immokonzern, der ins Straucheln kommt. Wenn wir immer aus den Fehlern anderer lernen würden, würde es Entwicklungen wie diese vielleicht gar nicht mehr geben.


Forderungen der Baustoffindustrie an die Politik

  1. Wohnbauförderung stärken
    Zielgruppe: gewerbliche geförderte Mietwohnungsersteller. Aufstockung der Wohnbauförderung durch Bundesmittel im Ausmaß von 670 Mio. Euro, um den bestehenden Rückstau bei der Sanierung und Errichtung von geförderten Mietwohnungen bis 2025 abarbeiten zu können.

  2. Steuerliche Maßnahmen für Förderung von Investitionen
    Befristete Einführung einer Mehrwertsteuerrückvergütung oder Vorsteuerabzugsfähigkeit im Ausmaß von bis zu 100.000 Euro pro Projekt (private Bauherren). Befristete Einführung einer degressiven Afa von 6 % und Anhebung der linearen Afa-Sätze auf 3 Prozent bzw. 2,5 Prozent für Gebäude (gewerbliche Bauherren). Verlängerung der Amortisationsfristen laut Liebhabereiverordnung um jeweils zehn Jahre für die steuerliche Anerkennung von Immobilieninvestitionen (gewerbliche Vermieter).

  3. KIM-Verordnung anpassen
    Abschaffung der in der KIM-Verordnung festgelegten Schuldendienstquote, derzeit maximal 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens, oder Einführung eines zinsgestützten, bundesseitigen Eigenmittelersatzdarlehens für Wohnbauinvestitionen im Ausmaß von bis zu 100.000 Euro, welches bei der Berechnung der Schuldendienstquote gemäß KIM-Verordnung außer Ansatz bleibt.

Eine neu gegründete Initiative aus 18 großen Branchenvertretern will durch Informationskampagnen und -veranstaltungen nun direkt in den konkreten Dialog mit den zuständigen Politiker*innen gehen. Weitere Informationen zur Organisation finden Sie unter »Mehr Zuhaus‘ in Österreich!« und auf der Webseite: https://www.mehrzuhaus.at/

 

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