2023 war für die Immobilienbranche ein katastrophales Jahr – und dennoch besser als erwartet. Die jahrelang mit Abstand wichtigste Assetklasse »Wohnen« zeichnet nur noch für neun Prozent der Transaktionen verantwortlich, Büroimmobilien haben einen noch stärkeren Absturz verhindert. Ob die Branche Lehren aus der Krise ziehen wird, ist umstritten.
Text: Bernd Affenzeller
Das Transaktionsvolumen am heimischen Immobilienmarkt ist 2023 wenig überraschend um rund 27 Prozent auf knapp drei Milliarden Euro gesunken. Dass es nicht noch deutlich schlimmer gekommen ist, liegt am zweiten Halbjahr, das um 66 Prozent besser verlaufen ist als das erste.
»Das Investmentjahr 2023 ist stärker ausgefallen als wir dies noch zur Jahresmitte prognostiziert haben, allerdings ist es seit 2016 das schwächste Jahr am Immobilieninvestmentmarkt«, so Lukas Schwarz, Head of Investment Properties beim Immobiliendienstleister CBRE. Den größten Einbruch gab es in der seit 2018 fast ausnahmslos stärksten Assetklasse »Residential«. Während 2022 noch 31 Prozent aller Transaktionen im Wohnbau erfolgten, waren es im abgelaufenen Jahr gerade mal neun Prozent. Die stärkste Assetklasse waren 2023 die Büroimmobilien mit einem Anteil am Gesamtkuchen von 43 Prozent, gefolgt von Handelsimmobilien mit 28 Prozent.
Hauptverantwortlich für die deutlichen Rückgänge war die für Immobilien besonders schwierige Gemengelage. Die hohe Inflation und die zur Bekämpfung der Teuerung stark und schnell gestiegenen Zinsen haben das Kapitalmarktumfeld und den Investmentmarkt fundamental verändert. Dazu kamen die deutlich eingetrübten Konjunkturaussichten und nicht zuletzt die Insolvenzwelle rund um die Signa-Gruppe. Nicht umsonst bezeichnet Thomas Winkler, CEO UBM Development, das Jahr 2023 als »annus horribilis«. Und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch im für die UBM so wichtigen deutschen Markt. »Die Top 7 Städte in Deutschland verzeichneten 2023 im Gewerbebereich minus 69 Prozent Transaktionsvolumen«, so Winkler. Auch sein Gegenüber bei der S Immo, Herwig Teufelsdorfer, berichtet von abwartenden Akteuren, weil »die Preisvorstellungen von potenziellen Käufern und Verkäufern zu weit auseinanderliegen«.
Allerdings scheint sich der Aufschwung aus dem zweiten Halbjahr fortzusetzen. Nachdem bereits seit einigen Wochen wieder eine Stabilisierung an der Zinsfront zu verzeichnen ist, die Zinsen am langen Ende sinken und die Inflation kontinuierlich zurückgeht, sieht die Branche allerdings auch wieder Licht am Ende des Tunnels. »Die Aktivitäten am Investmentmarkt nehmen seit Wochen wieder deutlich zu, Investoren steigen verstärkt in die Ankaufsprüfung von Objekten ein und mit Beginn des neuen Jahres werden nun auch die Akquisitionsziele der Investoren neu definiert, so dass davon auszugehen ist, dass der Markt wieder Fahrt aufnehmen wird«, erläutert Michael Ehlmaier, geschäftsführender Gesellschafter der EHL Immobilien Gruppe.
Auch Winkler und Teufelsdorfer gehen davon aus, dass das Tief zur Jahresmitte überwunden sein sollte. »Nullzinsen werden wir nicht mehr sehen, aber ich bin überzeugt davon, dass sich der Markt mit Zinsen von 3 Prozent plus rasch erholen wird«, so Teufelsdorfer. Schwer werden es aber auch in Zukunft ältere, nicht ESG-konforme Bestandsimmobilien haben, die den Anforderungen der Investoren bzw. den vorgegebenen EU-Richtlinien hinsichtlich Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung nicht mehr entsprechen.
Lernen aus der Krise
Ob die Branche aus der jahrelangen Rekordjagd und dem folgenden Absturz langfristig Lehren zeiht, ist umstritten. Teufelsdorfer ist der Überzeugung, dass Phasen eines starken, raschen Aufschwungs immer auch Glücksritter anziehen. »Im Abschwung zeigt sich dann, wer sein Geschäft tatsächlich versteht«, so der S Immo-Chef. Aus der Finanzkrise 2008/2009 hätten viele Marktteilnehmer gelernt. »Das sind diejenigen, die auch in der aktuellen Phase reüssieren, weil nicht die Gier den Verstand geschlagen hat«. Manchen, die dennoch überlebt hätten, werde es auch diesmal schwerfallen, dazuzulernen.
UBM-CEO Winkler geht davon aus, dass zumindest mittelfristig nichts mehr so sein wird wie zuvor. Anleger würden selektiver werden und ESG- und EU-Taxonomie-Konformität an Bedeutung gewinnen. »Das ist durchaus rational, weil nur solche Immobilien sich in zehn Jahren wieder verkaufen lassen.« Eine weitere Unsicherheit stellt die Signa-Insolvenz dar. »Die Auswirkungen werden im Moment noch von vielen unterschätzt«, ist Winkler überzeugt. Auch für Teufelsdorfer ist klar, dass die Fremd- und Eigenkapitalgeber vorsichtiger werden und der Reputationsschaden die Branche insgesamt treffen wird.