Mittwoch, November 20, 2024
Panik, Boom, Ernüchterung
Eine Mehrheit der Branchenvertreter*innen bewertet die aktuelle Situation schwieriger als 2008/2009. (Fotocredit: iStock)

Die österreichische Bauwirtschaft hat eine turbulente Zeit hinter sich. Auf eine kurze Schockstarre  am Beginn der Pandemie folgte ein unerwarteter Boom, der durch stei­gende Zinsen und hohe Kosten beendet wurde. Jetzt wartet eine ungewisse Zukunft.

Text: Bernd Affenzeller

Die Bauwirtschaft geht aktuell durch ein lange nicht mehr gekanntes Wechselbad der Gefühle. Auf die Sorge und Panik zu Beginn der Pandemie folgte ein regelrechter Bauboom , der durch – im Nachhinein betrachtet, nicht zwingend notwendige, vielleicht sogar falsche – konjunkturstützende Maßnahmen wie die Investitionsprämie und die anhaltende Nullzinspolitik ausgelöst wurde. Aber das Ende der Hausse ließ nicht lange auf sich warten. Hohe Energie- und Materialkosten, die allgemeine Inflation und mit ihr die stark steigenden Zinsen in Kombination mit den strengeren Kreditvergaberichtlinien führten zu einem jähen Ende der Party.

Eine Umfrage des Bau & Immobilien Report unter 40 Geschäftsführern der Branche im Dezember hat ergeben, dass 58 Prozent die aktuellen Rahmenbedingungen als schwieriger empfinden als während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009. Andreas Pfeiler, Geschäftsführer des Fachverbands Steine-Keramik in der Wirtschaftskammer, bringt es auf den Punkt: »An so einen Einbruch wie 2023 kann sich niemand erinnern, der heute im Geschäft ist.« 

Der Abschwung traf aber nicht alle gleichermaßen. Der Hochbau war mit einem Minus von rund fünf Prozent deutlich stärker betroffen als der Tiefbau mit einen Rückgang von nur einem Prozent. Vor allem der Wohnbau legt aktuell beinahe so etwas wie eine Vollbremsung hin. Die Baubewilligungen für Wohnungen in neuen Gebäuden sind 2023 laut dem Marktforschungsunternehmen Branchenradar auf weniger als 34.000 Einheiten gesunken, 2019 waren es noch fast 70.000. Der Bauproduktionswert ist im Neubau 2023 um 1,1 Milliarden Euro auf rund 15 Milliarden Euro gesunken.

Die Entwicklung der Baubewilligungen zeigt deutlich die aktuelle Krise des Wohnbaus.


Der Negativtrend wird sich laut Branchenradar-Geschäftsführer Andreas Kreutzer noch weiter verstärken. Er rechnet in den Jahren 2024 bis 2026 mit einem weiteren Verlust von 10,3 Milliarden Euro an Neubauvolumen. Die anvisierte Erhöhung der Sanierungsrate durch eine deutlich bessere Dotierung der Sanierungsförderung kann diese Entwicklung laut Kreutzer nicht kompensieren. Rund 5,51 Milliarden Euro sind 2023 im Hochbau in die Erneuerung der Gebäudehülle sowie andere thermisch-energetische Bestandsmaßnahmen geflossen.

»Selbst bei deutlich steigender Nachfrage ist nicht davon auszugehen, dass der Bauproduktionswert in der Sanierung um mehr als 700 Millionen Euro jährlich steigen wird«, so Kreutzer. Dafür wären laut Branche weitere Impulse der Politik nötig. »Sinnvoll wäre eine Mehrwertsteuersenkung auf Sanierung und Sanierungsleistungen von 20 auf fünf Prozent. Zusätzlich könnte man für Sanierungsleistungen günstigere Kredite zur Verfügung stellen«, so die Vorschläge von Wienerberger Österreich-Geschäftsführer Johann Marchner.  

Der Turnaround

Deutlich besser erging es der Branche abseits des Wohnbaus. Im Tief- und Infrastrukturbau gibt es – nicht nur in Österreich – weit weniger Grund zur Sorge. »Der Infrastrukturbau ist in Europa die treibende Kraft hinter dem Branchenwachstum«, erklärt Porr-CEO Karl-Heinz Strauss. Die EU-weiten Anstrengungen rund um Dekarbonisierung, nachhaltige Mobilität und Energiewende würden diese Entwicklung beschleunigen. »Wir rechnen also mit einem branchenweiten kontinuierlichen Wachstum speziell im Tiefbau«, so Strauss. Laut Strabag-CEO Klemens Haselsteiner kann sich Österreich »glücklich schätzen, dass öffentliche Infrastrukturinvestitionen etwa durch ÖBB oder Asfinag kontinuierlich und vorausschauend umgesetzt werden«. Dennoch hat das Zusammenspiel der deutlich angestiegenen Zinsniveaus und der strengeren Kreditvergaberichtlinien dazu geführt, dass in Österreich »der stärkste regionale Rückgang zu verzeichnen war«, so Haselsteiner.

(Fotos: Strabag, Daniel Hinteramskogler, Astrid Knie)


Weitgehende Einigkeit herrscht darüber, dass sich die aktuellen Trends sowohl im Hoch- als auch im Tiefbau noch eine Zeit lang fortsetzen werden. Laut aktuellem Branchenüberblick der UniCredit Bank Austria kündigt die immer noch negative Beurteilung der Auftragslage für die kommenden Monate eine schwierige Konjunkturlage in der Bauwirtschaft an. Die schwache allgemeine Konjunktur, der nur langsame Rückgang der Baupreisdynamik und die hohen Kreditzinsen werden die Nachfrage auch in den kommenden Monaten bremsen.

Etwas positiver sehen Branchenvertreter die Lage. Wienerberger Österreich-Chef Marchner glaubt, dass 2024 der Talboden erreicht werden, es 2025 zu einer Verbesserung und 2026 zu einer Rückkehr zur Normalität kommen wird. Karl-Heinz Strauss rechnet sogar noch heuer mit einer wirtschaftlichen Erholung. Es sei aber nicht absehbar, wie dauerhaft und ausgeprägt diese Erholung tatsächlich sein wird. »Wir alle merken aber bereits, dass es zu einem deutlichen Rückgang der Inflation gekommen ist. Die Kosten für Baumaterialien haben sich auf einem hohen Niveau stabilisiert«, so der Porr-Chef.

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