Eine Trendumkehr ist langsam bemerkbar. Frauen sind in technisch-handwerklichen Berufen aber nach wie vor unterrepräsentiert – der Bau hinkt besonders hinterher.
Der Arbeitsplatz ist für Frauen noch immer ein von Ungleichheit geprägter Ort – das verdeutlicht der aktuelle PwC Women in Work Index 2023 (Analyse von 33 OECD-Ländern). Am besten schneiden hinsichtlich Lohnunterschied und Frauenquote in der Führungsebene Luxemburg, gefolgt von Neuseeland und Slowenien ab, Österreich liegt abgeschlagen auf Rang 26.
Ähnliches liest man im Frauen.Management.Report.2023 der Arbeiterkammer. »Es trifft vor allem den Technikbereich in Österreich und Deutschland«, erklärt Autorin Simone Hudelist und weist trotz sehr guter Ausbildung auf den niedrigen Anteil von Frauen in Geschäftsführungen hin. »Wir haben Handels-, Industrieunternehmen, Banken und Versicherungen untersucht. In der Industrie sind nur 18 von 281 Führungskräften weiblich«, stellt die Betriebswirtin fest.
Woran das liegt? Im Rekrutierungsprozess tendiert Gleiches eher zu Gleichem, das heißt Männer entscheiden sich eher für einen Mann als für eine Frau. Brigitte Schulz, Bundesfrauenverantwortliche der Gewerkschaft Bau-Holz, sieht als Grund für das Scheitern von Gleichberechtigung in der Baubranche vor allem den rauen Umgangston, Sexismus und Diskriminierung. Aufgrund der immer noch in der Gesellschaft verankerten Rollenzuschreibungen würden Frauen technische Jobs schlichtweg nicht zugetraut.
»Es braucht noch mehr Vorbilder, mit denen sich Frauen identifizieren können. Das FiT Programm informiert und versucht, dass Frauen und Unternehmen einander näherkommen«, betont Nicole Walther, Projektleiterin des FiT Zentrums Wien (Frauen in Handwerk und Technik). Die Branche verweist hier ebenso auf Projekte wie die Stiftung MINTality, mit der Mädchen für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik begeistert werden sollen. Positiv zu sehen sei die zunehmende Zahl an Firmenkindergärten. Schulz nennt die Bereiche Architektur und Bautechnik mit einer ansteigenden Frauenquote. Für Peter Kusstatscher, Direktor der HTL Villach, ist das Bild einer engagierten und fachkompetenten Bauleiterin, Architektin und Designerin mittlerweile alltäglich und wird geschätzt.
„Unternehmen sind gut beraten, in eine moderne, weiterbildungsorientierte Lehrausbildung zu investieren und neben fairer Bezahlung Arbeitsbedingungen zu bieten, die den Anforderungen eines modernen Lebens in einer gleichstellungsorientierten Gesellschaft gerecht werden“, empfiehlt Brigitte Schulz, GBH. (Foto: GBH)
Wandel im Zugang
»Wir beschäftigen Frauen nicht nur in den klassischen administrativen Bereichen sondern auch in Fachgebieten, die früher fast ausschließlich Männerdomänen waren, wie Produktion, Anwendungstechnik und Labor«, berichtet Peter Giffinger, CEO von Saint-Gobain Austria, bekannt unter den Marken Isover, Rigips und Weber Terranova. In der Anwendungstechnik liegt der Frauenanteil bereits über 50 Prozent. In der Planung und der technischen Beratung sind Frauen am Bau für Giffinger nicht mehr wegzudenken. »Im Baugewerbe sieht die Lage noch anders aus, hier sind Frauen nur mit einem Anteil von rund zwölf Prozent vertreten. Wir sind aber überzeugt, dass durch die Zunahme der Vorfertigung, speziell im Leichtbau, in Zukunft mehr Frauen im Baubereich beschäftigt sein werden«, blickt er auf die nächsten Jahre.
»Durch die Zunahme der Vorfertigung, speziell im Leichtbau, werden in Zukunft mehr Frauen im Baubereich beschäftigt sein«, ist Peter Giffinger, Saint Gobain Austria, überzeugt. (Foto: M.Hetzmannseder)
Dass der Einstieg in die Baubranche nicht leicht ist, bestätigt Sabine Wondre, Geschäftsführerin von Libera Haus- und Wohnbau. »Gerade in meinen Anfangszeiten, wo ich öfter zu Begehungen mit auf die Baustelle gegangen bin, wurde ich vielfach als »Jausen-Trägerin« gesehen. Aber gerade in solchen Situationen muss man sich behaupten und wenn die Leute sehen, dass du etwas kannst und weißt, wovon du sprichst, dann bist du auch akzeptiert«, betont sie überzeugt.
Das Umfeld entscheidet
Erfolgreiche Frauen im Baubereich haben vielfach bereits im familiären Umfeld Bezug zur Baubranche. Porträts von erfolgreichen Baufrauen, die der Bau & Immobilien Report monatlich publiziert (aktuell: Ulrike Rabmer-Koller, sie führt die Rabmer-Gruppe in zweiter Generation), bestätigen das. Gefordert werden Role Models, das heißt starke Frauen, die zeigen, wie interessant und lohnend technische Berufe sind. »Es ist schade, dass sich nicht mehr Frauen in der Baubranche bewerben, da hier großes Potenzial brachliegt«, betont Martina Auer-Klass, Head of HR der Porr Group. »Wir machen auf den Baustellen beste Erfahrungen mit gemischten Teams, unsere Bauleiter wünschen sich oft ausdrücklich Frauen im Team.«
Porr ist es wichtig, dass Mädchen sich für den Lehrberuf interessieren, und kooperiert daher mit Schulen und Universitäten, baut Vorurteile ab und schafft so einen Pool von Bewerberinnen. Das Bauunternehmen merkt den Erfolg bereits: Bei Bautechnikerinnen und Bauleiterinnen, Bereichen mit einem branchenweit sehr niedrigen Anteil, konnte eine Steigerung auf 13,3 Prozent erzielt werden. »Der Frauenanteil in den internen Nachwuchsführungskräfteschulungen liegt bereits bei 24 Prozent«, so Auer-Klass.
Für Peter Kusstatscher schafft ein höherer Anteil von Frauen am Bau deutliche Verbesserungen im Team. Ähnliches erkennt auch Brigitte Schulz. Ein vielfältig besetztes Team tut jeder Firma gut, weil viele neue Aspekte in Projekte eingebracht werden. Frauen setzen andere Schwerpunkte, das belebt und modernisiert Projekte. Sabine Wondre bestätigt: »In der Architektur gehen Frauen eher von der organischen bzw. von der Interieurseite auf Dinge zu, Männer nähern sich einem Projekt eher von der technischen.«
Wandel in der Ausbildung
Nur 38 Prozent der MINT-Absolvent*innen in Europa sind Frauen, in Bereichen mit hohem Bedarf an Technologietalenten liegt der Frauenanteil laut der McKinsey-Studie »Women in tech« überhaupt nur bei acht Prozent. Frauen interessieren sich zwar für Ausbildungen im Baubereich, sie werden aber vielfach durch äußere Umstände abgeschreckt. Laut den Berufsschulen fehlt auch manchmal das Interesse an ausgebildeten Mitarbeiter*innen. Nicole Walther spricht hier eher vom Baunebengewerbe. »Einige Berufsschulen berichten von fehlendem Ausbildungsinteresse und geringer Schüler*innenzahl.«
„Es gibt wenig positive Bilder, die Frauen als erste Assoziation mit der Baubranche verbinden“ bedauert Nicole Walther, FiT. (Foto: FiT)
Laut Kusstatscher muss das Interesse am Technischen bereits früh geweckt werden. »Hier können wir als HTL Villach auf unsere zahlreichen Kooperationen mit Volks- und Mittelschulen im Projektunterricht hinweisen, ob beim Bau eines Insektenhotels oder der Auseinandersetzung mit CAD.« Kaum eine der 60 Klassen weist nicht zumindest ein Drittel Frauen in der Bautechnik auf, Innenarchitektur und Holztechnik haben rund 80 Prozent Frauenanteil. »Viele Ursachen der Vorstellung eines veralteten Mädchenberufes werden in den nächsten Jahren Geschichte sein«, ist er zuversichtlich. »Letztendlich ist die technische Entwicklung Garant für Chancengleichheit.«