Montag, November 25, 2024
»Die Branche befindet sich im Existenzkampf«
»Die Preisvorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer liegen in der Regel fast immer zumindest zehn bis 20 Prozent auseinander. Damit kommen keine Transaktionen zustande«, sagt Thomas Winkler. (Credit: Pollak)

Am Green Peak Festival in Wien diskutierte Thomas Winkler, CEO UBM Development, in einer prominenten Runde über die nachhaltigen Gebäude der Zukunft. Unmittelbar vor der Podiumsdiskussion stand Winkler dem Bau & Immobilien Report Rede und Antwort. Gesprochen wurde über das Ende der Forward Deals, die Transaktionsflaute, die die Branche weiter fest im Griff hat, und wie die UBM auf die neuen Rahmenbedingungen reagiert. 

Das goldene Zeitalter der Immmobilienbranche scheint aktuell an Glanz zu verlieren. Wie würden Sie den derzeitigen Markt in Österreich und Europa beschreiben?

Thomas Winkler: In Österreich und Kontinentaleuropa befindet sich die Branche im Existenzkampf. Wir haben nicht nur im August rund ein Dutzend Gewinnwarnungen gesehen, sondern in den letzten drei Monaten auch sieben Insolvenzen. Dazu kommt, dass die ganz großen, börsennotierten Unternehmen wie Adler oder Corestate umschulden, und zwar in der Form, dass es zu einem Debt-Equity-Swap kommt. Damit werden die Eigentümer stark ausgedünnt, dass von der ursprünglichen Beteiligung kaum etwas übrig bleibt.

Die praktisch komplette Transaktionsflaute des zweiten Halbjahrs 2022 hat sich also auch heuer fortgesetzt?

Winkler: Das hat sich fortgesetzt und ohne in die Zukunft schauen zu können, gehe ich davon aus, dass sich das nicht nur bis zum Jahresende 2023, sondern weit ins Jahr 2024 ziehen wird. Die Marktteilnehmer sind so verunsichert, dass der Transaktionsmarkt praktisch im Stillstand ist. Und die Preisvorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer liegen in der Regel fast immer zumindest zehn bis 20 Prozent auseinander. Damit kommen keine Transaktionen zustande.

Wie begegnen Sie dieser Entwicklung?

Winkler: Indem wir, wie immer in Krisen, auf unsere Liquidität achten. Unser Vorteil ist auch, dass bei einem großen Projekt in München der zweite Teil des Kaufpreises von der Widmung abhängig war und wir jetzt im August knapp 45 Millionen erhalten haben. Der zweite Punkt, der uns zugutekommt: Wir haben jetzt im November noch eine Rückzahlung zu leisten, müssen dann aber für zwei Jahre keine Anleihen mehr bedienen. Das ist natürlich Zufall, aber ein glücklicher Zufall. 

Apropos Anleihen: Für Ihren Green Bond zahlen Sie aktuell sieben Prozent Zinsen. Wie schwierig ist es geworden, Immobilien zu finanzieren?

Winkler: Der Frage entnehme ich, dass Sie die sieben Prozent als recht üppig empfinden. Aber als das Zinsniveau bei null lag, haben wir drei Prozent gezahlt, als es bei vier Prozent war, haben wir sieben gezahlt. Jetzt liegt es bei 4,25 Prozent und wir zahlen immer noch sieben Prozent. Zur Immobilienfinanzierung: Es ist immer noch möglich, weil Banken mit Grundbuch­eintrag und der Verpfändung der Anteile im Rahmen einer Zweckgemeinschaft doppelt abgesichert sind. Deshalb ist das Interesse an einer Immobilienfinanzierung gegeben. Schwierig ist aber der Eigenkapitalanteil. Der lag in völlig überhitzten Zeiten bei 15 Prozent, jetzt sind es 40 Prozent. Das sind genau die Anleihen, die wir aufnehmen. Die Projektfinanzierung an sich ist aufgrund der aktuellen Zinssituation teurer geworden, der Risikoaufschlag ist aber nicht in dem Maße gestiegen, wie man es vielleicht vermuten würde. 


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Werden wir uns an dieses Zinsniveau gewöhnen müssen? Vor kurzem hatte ich ein Interview mit Stefan Graf, CEO Leyrer + Graf, der meinte, vor 20 Jahren hatten wir auch vier Prozent Zinsen, und das System hat funktioniert…

Winkler: Die Zinsen werden deutlich langsamer sinken als alle gehofft haben. Die Kern-Inflationsraten in Österreich oder Deutschland knicken ja immer noch nicht nach unten ab. Sie sinken zwar, aber auch viel langsamer als gedacht. Insofern werden wir uns an höhere Zinsen gewöhnen müssen. Natürlich hat das vor 20 Jahren auch funktioniert, aber da hat der Grundstücksverkäufer auch nicht die Preise erzielt, die er in der Nullzinsphase erzielt hat. Das Kuchenstück wird kleiner und neu aufgeteilt.

In der Vergangenheit war die UBM bekannt für ihre Forward Deals. Wie schwierig sind frühzeitige Transaktionen heute?

Winkler: Noch vor kurzem hätte ich Ihnen gesagt, dass die Zeit der Forward Deals vorbei ist. Aber eben haben wir in Tschechien mit dem Timber Praha ein Mehrfamilienhaus aus Holz forward an einen tschechischen Fonds verkauft. Die Größe ist überschaubar, da geht es um 15 Wohnungen, aber es ist möglich. Dabei waren wir im Vorfeld sogar skeptisch, ob ein Holzbau mit Geothermie, Photovoltaik und Regenwasser-Wiedergewinnung in Tschechien überhaupt funktioniert. Aber wir wollten unsere Strategie nicht ändern, nur weil ein Markt vielleicht noch nicht so weit ist. Und jetzt ist Timber Praha der erste Forward Deal seit Ausbruch des Krieges.

An andere Forward Deals glauben Sie aber nicht?

Winkler: Das würde ich in absehbarer Zeit eher ausschließen, weil ein Forward Deal immer ein Risiko darstellt. Im Moment gibt es auch keinen Druck, sich ein Asset frühzeitig zu sichern. Ich persönlich erwarte aber eine Unterversorgung des Marktes, und zwar nicht nur bei Wohnungen, sondern auch im Bürobereich.Alter Büroraum ist unvermittelbar geworden. Bis 2030 werden 20 Prozent des Bürobestands aufgrund nicht erfüllter ESG-Kriterien nicht mehr vermietbar sein. 

Nicht nur ESG hat die Anforderungen an Büroimmobilien verändert, auch die Pandemie hat die Karten völlig neu gemischt. Wie groß ist die Gefahr, dass man in den letzten Jahren am heutigen Markt vorbei entwickelt hat?

Winkler: Alles was in oder vor 2019 geplant wurde, muss neu gedacht werden. Deshalb ist es so wichtig, die Layouts der Büros so zu wählen, dass sie für alle möglichen Szenarien und Bedürfnisse passen. Die Zalando-Zentrale in Berlin haben wir so geplant, dass sie nicht nur von Zalando genutzt werden kann, sondern theoretisch auch von anderen Unternehmen. Diese Flexibilität ist in Zukunft der Schlüssel zum Erfolg. Es wird auch in Zukunft kein Büro mehr ohne Couch geben, Terrassen und Räume, auch für informelle Kommunikation, sind essentiell.

Wir haben bei unserer Zentrale 2018 darauf geachtet, dass die Kaffeeküchen nicht zu groß sind, damit dort nicht zu viel soziale Interaktion stattfindet. Dafür haben wir eine Lounge gebaut, die auch einem Hotel alle Ehre machen würde. Aus heutiger Sicht komplett verkehrt, weil man in einem Großraumbüro Rückzugräume für die informelle Kommunikation braucht. Ein Unternehmen ist ein sozialer Ort. Die soziale Interaktion muss gefördert werden. Das klingt esoterisch, ist aber in der Praxis erprobt. 

Viele Entwickler haben Projekte gestoppt oder verschoben. Wie steht es um die Projektpipeline der UBM?

Winkler: Auch wir jonglieren mit den Baubeginnen. Bei uns gilt das eherne Gesetz: Ohne vollständige Finanzierung kein Baubeginn. Man muss auch die Frage stellen, welche Projekte man jetzt beginnt, damit es zum eigenen Rückzahlungsprofil passend fertig wird. Unsere Pipeline wurde von 2,1 Milliarden Euro auf 2,2 Milliarden Euro hochgeschoben, ohne aber Projekte zu stornieren. Wir stellen uns ständig die Frage, wie unsere Baubeginne zu unserem Rückzahlungsprofil passen.

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