Fehler in der Administration können zu Verzögerungen auf der Baustelle führen. Mit Lean Administration werden sämtliche Geschäftsprozesse definiert, analysiert, gemessen und optimiert. Im Teil 11 unserer Serie wurde bereits die Informationsstrukturanalyse behandelt - dieses Mal geht es um die Tätigkeitsstrukturanalyse.
Teil 12 der Serie »Lean Baumanagement – Werkzeuge und Methoden«.
Die Anwendung des Lean-Ansatzes in indirekten Unternehmensbereichen wie Personal, Einkauf, Logistik, Engineering, Vertrieb etc., aber auch bei Dienstleistungen und Service-Organisationen wird Lean Administration genannt.1 Mit Lean Administration können Geschäftsprozesse definiert, analysiert, gemessen und optimiert werden, um den Kunden den größtmöglichen Wert zuführen zu können, während die vorhandene Verschwendung auf ein Minimum reduziert wird.
In der Lean Administration »fließen« vor allem Dokumente und Informationen durch die Organisation, was das Erkennen der vorhandenen Verschwendung schwieriger macht als physische Materialteile oder Produkte in einer Produktionshalle. Mit Werkzeugen wie der Informationsstrukturanalyse (Teil 11, Lean Administration - Link) oder der Tätigkeitsstrukturanalyse (diesmal) kann die Verschwendung im Büro identifiziert werden.
Die Tätigkeitsstrukturanalyse
Die Tätigkeitsstrukturanalyse (TSA) ist ein Werkzeug zur systematischen Identifikation und Eliminierung der Verschwendung in den täglichen Handlungen der operativ arbeitenden Mitarbeiter*innen. Dieses Werkzeug kann grundsätzlich in verschiedenen Bereichen angewendet werden. Voraussetzung für die Durchführung einer TSA ist die Möglichkeit, Tätigkeiten in einem gewissen Bereich in die Kategorien wertschöpfend, wertermöglichend und nicht wertschöpfend einzuteilen.
Der Ablauf einer Tätigkeitsstrukturanalyse.2
Ähnlich wie bei der Informationsstrukturanalyse startet die TSA mit der Auswahl eines Prozesses oder eines Unternehmensbereichs, in dem Potenzial zur Eliminierung von Verschwendung erwartet wird. Die zuständige Führungskraft muss gleich zu Beginn an Bord geholt und informiert werden. Lean spricht den operativ arbeitenden Mitarbeiter*innen die größte Kompetenz an ihrem Arbeitsplatz und in der Erledigung ihrer täglichen Tätigkeiten zu. Folglich ist es von größter Relevanz, die dort arbeitenden Mitarbeiter*innen ebenso abzuholen, zu informieren und für die Analyse zu begeistern. Wurde ein Bereich ausgewählt und die involvierten Personen informiert, so werden alle Tätigkeiten aufgelistet, welche die Personen täglich in den Prozessen erledigen.
Wichtig ist hierbei, den Fokus auf alle Handlungen zu legen, nicht nur auf jene, die sie laut Stellenbeschreibung ausführen sollten. Dieser Schritt benötigt viel Zeit und ist aufwendig. Weiters muss darauf geachtet werden, dass bei der Beschreibung der Tätigkeiten eine passende Betrachtungsweise hinsichtlich der Genauigkeit gegeben ist. Damit ist gemeint, dass nicht zu detailliert (sekundengenau) und auch nicht zu grob (stundengenau) protokolliert wird. Meist wird mit den Mitarbeiter*innen ein Zeitraum von zirka zwei Wochen fixiert, in welchem die Tätigkeiten auf ihre Häufigkeit und ihre Dauer untersucht und protokolliert werden. Die Mitarbeiter*innen benötigen dazu aktive Unterstützung und Feedback von der Führungskraft, um die Motivation nicht zu verlieren und gegebenenfalls Änderungen und vergessene Tätigkeiten richtig in das Register aufzunehmen.
Tätigkeiten unterscheiden
Die Tätigkeiten sollten gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen in folgende Kategorien eingeteilt werden.
- Kerntätigkeiten: Grundsätzliche Funktion oder Zweck der Stelle. Z. B. »Verkauf« bei einem*einer Verkäufer*in oder »Assistenz« bei einer Person aus dem Sekretariat.
- Nebentätigkeiten: Tätigkeiten, welche erledigt werden müssen, um die Kerntätigkeiten durchführen zu können. Zum Beispiel muss ein*e Vertriebsmitarbeiter*in die Kundendaten pflegen. Dies gehört allerdings nicht zu den wertschöpfenden Tätigkeiten des Verkaufs.
- Organisatorische Tätigkeiten: Diese sind unabhängig von der Stellenbeschreibung und entstehen aufgrund der Zugehörigkeit zum Unternehmen. Hier sind Mitarbeitergespräche, allgemeine Meetings oder Reisekostenabrechnungen zu nennen.3
Die genannte Einteilung entspricht der Einteilung der Tätigkeiten nach Wertschöpfung, Wertermöglichung und Nicht-Wertschöpfung. Nachdem die Ergebnisse ausgewertet wurden, müssen diese an die Mitarbeiter*innen kommuniziert werden. An diesem Punkt ist die Analyse des Ist-Zustandes mittels TSA abgeschlossen. Der nächste Schritt ist die Erstellung des SOLL-Konzepts mit dem gesamten Team. Gemeinsam mit dem* der direkten Vorgesetzten und etwaigen Führungskräften aus anderen Bereichen werden Maßnahmen entwickelt, um die größten Probleme zu beseitigen.
Im Zuge der Maßnahmenplanerstellung können auch Umschichtungen der Zuständigkeiten einzelner Tätigkeiten in andere Bereiche geschehen. Diese müssen dann abteilungsübergreifend kommuniziert werden. In der Umsetzungsphase werden einzelne Mitarbeiter*innen den Maßnahmenpunkten, die mit Deadlines versehen werden, zugeteilt. Wenn Probleme bei der Durchführung der Verbesserung oder der Veränderung von Abläufen entstehen, muss die Führungskraft unterstützend vor Ort sein.
Im Sinne des PDCA-Zyklus ist die Phase nach der Umsetzung der Maßnahmen jene der Messung der Auswirkungen auf den Erfolg. Dort werden die Mitarbeiter*innen zur potenziellen Verbesserung befragt und die Auswirkungen auf die tägliche Arbeit und die Veränderung der Performance überprüft. Abschließend wird bei Erfolg ein neuer Standard definiert, welcher im Sinne des Prinzips der kontinuierlichen Verbesserung stetig und inkrementell gehoben wird. Wenn keine Erleichterung oder verbesserte Performance beobachtbar ist, muss zu den Tätigkeiten zurückgekehrt werden, um diese noch einmal kritisch zu hinterfragen. Daraus kann ein neuer Maßnahmenplan entwickelt werden und der Zyklus startet erneut.
Formblatt für eine Anwendung der Tätigkeitsstrukturanalyse in der Lean Logistik.4
In der Abbildung sind grundsätzliche Informationen zur Analyse dargestellt. Weiters wird eine Einteilung der Tätigkeiten in die Kategorien wertschöpfend, wertermöglichend und Verschwendung vorgenommen. In das Formblatt werden alle Tätigkeiten des zu untersuchenden Arbeitszyklus systematisch eingetragen. Um wirklich alle Handlungen zu identifizieren, sollte diese Analyse mit den Mitarbeiter*innen, welche im untersuchten Prozess operativ tätig sind, gestaltet und durchgeführt werden. Anschließend werden die einzelnen Tätigkeiten nach ihrer Dauer und der Häufigkeit innerhalb der Arbeitszyklen untersucht. Hier können Kommentare über besonders gut laufende Schritte oder entdeckte Potenziale festgehalten werden.
Neue Ziele festlegen
Nach der Evaluierung ist es wichtig, die Tabelle mit den Arbeiter*innen gründlich durchzugehen und zu validieren, ob alle Schritte entsprechend ihrer wirklichen Dauer und Kategorie eingetragen wurden. Weiters können in diesem Zug zusätzliche Fragen über die aufwändigsten Prozessschritte oder Störfaktoren an die Expert*innen im operativen Prozess gestellt werden. Das Resultat wird in einer Grafik veranschaulicht, welche die Tätigkeiten sowie deren Dauer und Häufigkeit darstellt. So werden Verschwendung und Wertschöpfung im untersuchten Prozess sichtbar.
Nach der Evaluierung ist es wichtig, die Tabelle mit den Arbeiter*innen gründlich durchzugehen und die einzelnen Schritte zu validieren.
Anschließend setzt sich das Team mit der Lagerleitung ein Ziel zur Verbesserung des operativen Prozesses. Dies kann zum Beispiel eine Reduktion der Verschwendung sowie des Transports um 50 Prozent sein. Die Überlegungen hinsichtlich der Zielerreichung führen zu Maßnahmen, welche für das ganze Team gut sichtbar aufgehängt werden. Die Maßnahmen werden wieder mit verantwortlichen Personen und Deadlines hinterlegt und nach dem PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) durchgeführt.
1 Vgl. Saheb, K.: Lean Administration Schritt für Schritt 1. Die Analyse. S. 23.
2 Vgl. Saheb, K.: Lean Administration Schritt für Schritt 1. Die Analyse. S. 97.
3 Saheb, K.: Lean Administration Schritt für Schritt 1. Die Analyse. S. 103.
4 Phillip Süss, PERI Österreich GmbH.
Hintergrund zur Serie
Lean Baumanagement umfasst mehrere Bereiche, in denen unterschiedliche Werkzeuge und Methoden angewendet werden, um die Vorteile aus der Lean-Philosophie für den Baubereich nutzen zu können. Die Erläuterungen in den weiterführenden Ausgaben teilen sich grob in die sechs Bereiche Lean Production, Lean Construction, Lean Design, Lean Administration, Lean-Logistik sowie Supply Chain Management und Lean-Kultur. Aufbauend auf die Übersichtstabelle für Lean Baumanagement (Lean Baumanagement - mehr als Lean Construction) werden die einzelnen Bereiche kurz beschrieben und Werkzeuge und Methoden erläutert, die die Verschwendung identifizieren, reduzieren oder sogar eliminieren können.
Zum ersten Teil von Lean Administration (Informationsstrukturanalyse - Link)