Donnerstag, November 21, 2024
Lean Administration
(Titelbild: iStock)

Fehler in der Administration führen zu Problemen und Verzögerungen auf der Baustelle. Nicht so mit Lean Administration. Das Ziel: Den bestmöglichen Nutzen für den Kunden gewinnen  - und Verschwendung auf einem Minimum halten. Teil 11 der Serie »Lean Baumanagement – Werkzeuge und Methoden«

Die Anwendung des Lean-Ansatzes in indirekten Unternehmensbereichen wie Personal, Einkauf, Logistik, Engineering, Vertrieb etc., aber auch Dienstleistungen und Service-Organisationen wird Lean Administration genannt.1 Diese Bereiche stellen für die Bauwerkserstellung unterstützende Prozesse dar und haben am Baufortschritt keinen direkten wertschöpfenden Anteil. Dahingehend kann dem Bereich Lean Administration in Bezug auf die Bauwerksrealisierung ein wertermöglichender Charakter zugeschrieben werden. 

Reine Dienstleistungs- und Serviceunternehmen haben in ihren Kernprozessen durchaus einen wertschöpfenden Anteil, da diese Prozesse für solche Organisationen die Erfüllung der Primäraufgabe sicherstellen. Die Bauwerkserstellung und die Bauplanung haben mit dem administrativen Bereich einer Unternehmung einige Schnittstellen, wodurch es im Falle von Verzögerungen und Problemen im Office zu negativen Auswirkungen auf der Baustelle kommen kann.

Aus diesem Grund ist es von Relevanz, alle Prozesse der Organisation auf Verschwendung zu durchleuchten und diese zu eliminieren. Mit Lean Administration können Geschäftsprozesse definiert, analysiert, gemessen und optimiert werden, um den Kunden den größtmöglichen Wert zuführen zu können, während die vorhandene Verschwendung auf ein Minimum reduziert wird. In der Lean Administration »fließen« vor allem Dokumente und Informationen durch die Organisation, wodurch es schwieriger als bei physischen Materialteilen oder Produkten in einer Produktionshalle ist, vorhandene Verschwendung zu erkennen. Mit Werkzeugen wie der Informationsstrukturanalyse oder der Tätigkeitsstrukturanalyse (im kommenden Teil 12) kann die Verschwendung im Büro identifiziert werden.

Informationsflüsse wie Materialflüsse behandeln

Mit der Informationsstrukturanalyse (ISA) können Informationen auf ihre Herkunft, Qualität und Relevanz analysiert werden. Im Zeitalter der Digitalisierung kommt es immer häufiger vor, dass es zu einem Überangebot an Information kommt, was sich meist in Stapeln an Aufträgen oder vielen ungelesenen Mails in der Inbox widerspiegelt. Um diese Flut an Informationen, digital und auch in ausgedruckter Form, effizient zu managen, müssen die Flüsse der Informationen sowie die Übergaben an andere Bereiche und Personen genau analysiert werden.

»Die Informationsstrukturanalyse untersucht die Flüsse von Informationen in einem Unternehmen und ermittelt so möglichen Informationsbedarf und das Informationsangebot. Sowohl Lücken in der Informationskette als auch die Überproduktion an Informationen bspw. durch übertriebenes Reporting kosten Organisationen wertvolle Zeit und Ressourcen.«2

Der Vergleich eines Wertstromes aus der Produktion mit dem eines Informationsflusses.3

Die Kund*innen melden einen Bedarf an und ziehen das Rohmaterial durch die einzelnen Arbeitszellen, bis am Ende das fertige Produkt zu ihnen gelangt. Die Informationen werden zuerst in verschiedenen Computerprogrammen erfasst, zwischengespeichert und gegebenenfalls transformiert. Um die Information für die Kund*innen in einer guten Qualität zur Verfügung zu stellen, werden die Daten anschaulich visualisiert. Ziel ist, ebenso wie in der Produktion, dass die richtige Information jeweils in einem möglichst effizienten Datenformat mit höchster Qualität und geringstem Zeitversatz zur richtigen Person weitergeleitet wird.

Schritte einer Informationsstrukturanalyse

Ebenso wie die Wertstromanalyse folgt die ISA einem logischen Ablauf, um die Verschwendung im administrativen Bereich zu finden und systematisch zu entfernen. Abbildung 2 zeigt die Schritte einer Informationsstrukturanalyse.

In der Vorbereitung wird überlegt, welcher Unternehmensbereich oder welcher Prozess analysiert werden soll. Eine Auflistung aller vorhandenen Prozesse sowie eine anschließende Priorisierung kann helfen, die wichtigsten Bereiche und Prozesse zu identifizieren. Sobald eine Entscheidung gefällt wurde, müssen die Mitarbeiter*innen im betreffenden Bereich informiert werden, dass eine ISA durchgeführt wird. Informationen zum angewandten Werkzeug sowie die Erwartungen an das Team und an die ISA müssen im Vorhinein kundgetan werden, damit etwaige Zweifel proaktiv aus dem Weg geräumt werden können.

Anschließend wird ein Formular erstellt, welches auf der linken Seite die einzelnen im Bereich durchgeführten Prozessschritte, oben die Personen oder Personengruppen, die die Prozessschritte ausführen, und rechts die Information über das Medium der Information enthält. Dieses Formular ist mit allen Mitarbeiter*innen in diesem Bereich gemeinsam auszufüllen. Anschließend müssen die Personen die Informationen bewerten. Diese Bewertungen werden farblich markiert, um auf einen Blick sehen zu können, wo Verbesserungspotenzial vorhanden ist und wo die Weiterleitung bereits effizient funktioniert. 
Durch farbliche Markierung wird auf einen Blick ersichtlich, wo Verschwendung vorhanden ist.

Diese Ergebnisse werden zusammengefasst und mit den Mitarbeiter*innen diskutiert. Damit ist die IST-Analyse abgeschlossen. Darauf aufbauend werden gemeinsam Maßnahmen gesucht, um die Informationsflüsse effizienter zu gestalten und die Qualität sowie die Durchlaufzeit der einzelnen Aufträge zu verkürzen. Im SOLL-Konzept werden die einzelnen Gegenmaßnahmen mit dem Team besprochen und jeweils mit einer verantwortlichen Person sowie einer Deadline niedergeschrieben.

Phase drei ist die Umsetzungsphase. Hier werden die einzelnen Maßnahmen von den Teammitgliedern umgesetzt. Um schnelle Erfolge verzeichnen zu können, sollten die Maßnahmen auf so genannte »Quick Wins« untersucht werden. Dies sind Verbesserungen, welche sehr einfach umzusetzen sind und einen großen Mehrwert bringen. Diese Quick Wins können dabei helfen, die Motivation des Teams hochzuhalten. Bei Entscheidungen und Veränderungen in den Zuständigkeiten sowie in den Abläufen müssen die Führungskräfte präsent sein und aktive Unterstützung anbieten. Wurden alle definierten Maßnahmen umgesetzt, muss der neu etablierte Standard eingehalten werden. Der letzte Punkt ist im Sinne des Strebens nach Perfektion die kontinuierliche Verbesserung. 

Verschwendungskategorien im Lean Informationsmanagement 5

  • Wartezeit: Warten auf Informationen
  • Transport: Übergaben; exzessive Informationsverteilung
  • Bestände: Zu viel Information; Information gefangen in Warteschlangen; Überdokumentation
  • Korrektur: Späte Veränderungen führen zu falschen Handlungen und notwendigen Korrekturen
  • Fehler: Fehlerhafte Information; schlechte Verarbeitung; falsche Entscheidungen; geringes Langzeitverständnis
  • Inkompatibilität: Fehlende Standards und schlechte Kommunikation zwíschen Informationssystemen führen zu manueller Verschwendung durch Transformation
  • Unnötiger Transfer von Informationen: Unnötige manuelle Intervention durch schlechte Systemverbindungen; Weiterleitung der Information zu falschen Personen
  • Unpassende Systeme: Zu viele Systeme; multiple Informationsquellen

1 Vgl. Saheb, K.: Lean Administration Schritt für Schritt 1. Die Analyse. S. 23.
2 https://www.kraus-und-partner.de/wissen-und-co/wiki/informationsstrukturanalyse. Datum des Zugriffs: 26.November.2021.
3 Vgl. Hicks, B. J.: Lean informations management - Understanding and eliminating waste. In: International Journal of Information Management, 27/2007. S. 238.
4 Vgl. Saheb, K.: Lean Administration Schritt für Schritt 1. Die Analyse. S. 89
5 Vgl. Höllta, V. et al.: Lean Information Management Model for Engineering Changes. In: World Academy of Science, Engineering and Technology, 42/2010. S. 1460.


Hintergrund zur Serie

Lean Baumanagement umfasst mehrere Bereiche, in denen unterschiedliche Werkzeuge und Methoden angewendet werden, um die Vorteile aus der Lean-Philosophie für den Baubereich nutzen zu können. Die Erläuterungen in den weiterführenden Ausgaben teilen sich grob in die sechs Bereiche Lean Production, Lean Construction, Lean Design, Lean Administration, Lean-Logistik sowie Supply Chain Management und Lean-Kultur. Aufbauend auf der Übersichtstabelle für Lean Baumanagement (Lean Baumanagement - mehr als Lean Construction) werden die einzelnen Bereiche kurz beschrieben und Werkzeuge und Methoden erläutert, die die Verschwendung identifizieren, reduzieren oder sogar eliminieren können.

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