Sonntag, Mai 05, 2024

Die Antwort auf die Frage, wann ein Projekt »gut« ist, umfasst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das magische Dreieck des Projektmanagements – unabhängig davon, wen man fragt: Wenn das Projekt pünktlich, im Kostenrahmen und mit der geforderten Qualität beendet wurde, dann ist es in der Regel »gut«. Doch die Antwort ist schwammig und die Definition greift zu kurz. Denn was bedeutet »pünktlich«, wie eng ist der Kostenrahmen und wie misst man Qualität? Teil 5 der Serie »Allianzprojekte«. 

Wenn aufgrund von Frost die Baustelle drei Wochen später fertig wird, ist das deshalb dann ein schlechtes Projekt? Oder ist das Projekt schlecht, weil ein Dreimillionenprojekt am Ende 3,1 Millionen gekostet hat? Oder ist es erst ab einer Grenze von 3,2 Millionen schlecht? Die Diskussionen, was »Qualität« im Bauwesen ist, füllt Bibliotheken – wo ist hier die Grenze? Ingenieure sind zu Recht stolz darauf, dass sie Dinge bemessen und anhand belastbarer und nachweisbarer Zahlen Entscheidungen treffen. Aber bei dieser Frage driften sie unausweichlich ins Ungefähre ab. 

Tipp: Die vorangehende Teile dieser Serie können Sie hier nachlesen:

Teil 1: Der Faktor Mensch - Link
Teil 2: Die Kultur in Projektallianzen - vom Umgang mit der Macht - Link
Teil 3: Die Zugehörigkeit in Projektallianzen - Link
Teil 4: Kommunikation im Bauprojekt - Link

Sonderfall Projektallianz

Das herausragende Merkmal einer Projektallianz kommt in dem magischen Dreieck gar nicht erst vor: das Team. Die Idee der Projektallianzen ist auch deshalb entstanden, weil allgemein bekannt ist, dass das institutionalisierte Gegeneinander in den Bauprojekten jegliches »Gute« im Projekt verhindert. In Projektallianzen wird viel Energie auf die Auswahl der Teammitglieder verwendet. Aber nach welchen Kriterien wird ausgewählt? Es wird die fachliche Eignung überprüft, also die Qualität. Es werden nur Vollzeitkräfte zugelassen, die ununterbrochen zur Verfügung stehen, also die Zeit. Die Kosten sind eine interne Entscheidung der Unternehmen. Die Kandidaten werden auf Belastbarkeit und Verhalten unter Druck geprüft. Und natürlich wird das Verhalten im Team geprüft. Denn wenn das gesamte Team gut zusammenarbeitet, kann der Ansatz der Projektallianz erfolgreich umgesetzt werden.

Kehren wir zurück zur ursprünglichen Frage: Wann ist ein Projekt ein gutes Projekt? Ein Projekt ist dann gut, wenn die Menschen gerne und erfüllt in diesem Projekt arbeiten. Es geht also um Motivation, es geht um Befähigung und um Vertrauen. Es geht darum, dass die Menschen fühlen, dass sie am richtigen Platz sind. Und wir müssen zwischen den verschiedenen Beteiligten unterscheiden: den Auftraggebern, den planenden und den ausführenden Ingenieuren. 

Die Grundlagen eines guten Projektes

Für Auftraggeber ist ein Projekt gut, wenn die Kosten eingehalten wurden und er das Gefühl hat, das bekommen zu haben, was er auch wollte. Und diese sehr vage Beschreibung zeigt das Grunddilemma der meisten Auftraggeber. Sie wissen oft nicht detailliert genug was sie wollen und sie haben oft wenig baufachliche Ahnung, was technisch möglich und bezahlbar ist. Hier würde ein professionell geleiteter Workshop Abhilfe schaffen. Teilnehmen sollten Vertreter der Auftraggeber gemeinsam mit Baufachleuten und diese sollten gemeinsam festlegen, was gebraucht wird und welche groben Möglichkeiten es gibt, das zu erreichen.

Im Rahmen dieses Workshops werden erste Festlegungen gemacht, was sein muss, damit das Projekt am Ende ein gutes Projekt ist. Hier werden die Grenzen definiert, an denen das Gesamtprojekt gestoppt werden muss, weil das Basisziel verfehlt wird, oder welche Ziele angepasst werden müssen, damit das Budget nicht überschritten wird. In Allianzprojekten wird intensiv und im Team an genau diesen Festlegungen gearbeitet, die Workshops werden von ausgebildeten Moderatoren geleitet und zum Ziel geführt. Das ist eine wesentliche Ursache für den großen Erfolg dieses Projektansatzes. Es gibt meines Erachtens keinen Grund, warum diese Art Workshops nicht auch in klassischen Projekten durchgeführt werden können. Der Mehrwert dieser Anfangsphase ist unabhängig vom vertraglichen Gerüst. 

Der Weg zur Ausführungsplanung

Für planende Ingenieure ist ein Projekt dann gut, wenn sie verschiedene Möglichkeiten der technischen Umsetzung abwägen können, intelligente Ideen für knifflige Ecken austüfteln und elegante Lösungen zur Umsetzung entwickeln können. Die Motivation der planenden Ingenieure liegt in ihrem Beruf, sie ist bereits da. Sie brauchen jetzt nur noch einen ausreichend leistungsfähigen Computer mit der notwendigen Software und sie brauchen Zeit. Und hier beginnt ein typischer Frust in Projekten.

Die komplexen Verwicklungen und Abhängigkeiten sind für Außenstehende oft nicht verständlich und werden vom Auftraggeber als Untätigkeit und Unfähigkeit der Planer erlebt. Damit geraten die Ingenieure leicht unter Rechtfertigungsdruck – keine gute Basis für eine weitere Zusammenarbeit. In Projektallianzen wird diesem Problem durch die enge Zusammenarbeit im Team vorgebeugt. Besprechungen werden professionell moderiert, es werden Kreativtechniken angewendet und so Zusammenhänge für alle verständlich erarbeitet. Da alle Entscheidungen gemeinsam gefällt werden, entsteht ein enger Austausch und eine dauerhaft gute Abstimmung zwischen den Beteiligten.

Auch dieser enge Austausch ist nicht abhängig von der Vertragsform. Auch in klassischen Projekten kann diese enge Abstimmung stattfinden. Sie bedarf allerdings eines erheblichen Zeitaufwandes auf allen Seiten und dieser Zeitaufwand muss bekannt und akzeptiert sein und am Ende auch bezahlt werden.

 

Die Umsetzung

Für bauausführende Firmen ist es ein gutes Projekt, wenn nach den ausgegebenen Plänen gebaut werden kann. Und Geld muss natürlich auch verdient werden. In klassischen Projekten ist jeder Änderungsvorschlag der Baufirma auch ein Verbesserungsvorschlag an der Arbeit der planenden Ingenieure. Der Irrglaube, dass eine Bauplanung fehlerfrei sein kann, führt zu Vertrauensverlust und zu erheblichen Konflikten.

In Allianzprojekten wird durch die frühe und intensive Zusammenarbeit diesem Konflikt vorgebeugt. Die gesamte Planung wird von allen gemeinsam erstellt. Der Auftraggeber hat zu jeder Festlegung genickt und damit gesagt, dass er es so haben möchte. Die planenden Ingenieure haben dazu genickt und gesagt, dass dieser Teil so den technischen Anforderungen entspricht. Und die Baufirma hat genickt und damit gesagt, dass die Planung umsetzbar ist. Die Moderation stellt dar, welche Entscheidungen gefällt wurden und sichert so, dass die Diskussion nicht zurückfällt auf »alte« Themen. Es ist ebenfalls Aufgabe der Moderation, darauf hinzuweisen, dass es immer zu Änderungen im Prozess kommen kann und mit dem Team zu erarbeiten, wie mit Änderungen und Fehlern umgegangen werden kann.

Hier liegt die klare Schwäche von klassischen Projekten. Die Trennung zwischen Planung und Umsetzung führt fast zwangsweise zu Planungsänderungen und sich ändernden Kosten. Dies kann umgangen werden, indem Mitarbeiter der Baufirma als Berater an der Planung beteiligt sind. Es gibt Beispiele, wo diese Form der Mitarbeit stattgefunden hat und die Baufirma rechtlich sauber als Anbieter sich für die Ausführung bewerben konnte.

Fazit

Damit ein Bauprojekt von den Beteiligten als ein gutes Projekt bewertet wird, müssen die Menschen die Zusammenarbeit als positiv empfunden haben. Die üblichen Kriterien der Zeit, der Kosten und der Qualität sind für das Bauwerk wichtig, aber nicht für die Menschen.

Wesentlich für den Projekterfolgt ist, dass die Bedürfnisse der verschiedenen Projektbeteiligten berücksichtigt und miteinander in Einklang gebracht werden. Das erfordert eine intensive und dauerhafte Zusammenarbeit während der gesamten Projektlaufzeit, am besten mithilfe einer professionellen Moderation. Alle Beteiligten müssen Entscheidungen gemeinsam diskutieren und fällen. Durch die externe Begleitung dieses Prozesses wird sichergestellt, dass diese Abstimmung dauerhaft stattfindet. Die intensive Abstimmung zwischen allen Parteien ist nicht abhängig davon, ob das Projekt als Allianzprojekt oder als klassisches Projekt durchgeführt wird. Sie hängt alleine davon ab, dass vorab der Auftraggeber aber auch alle anderen Beteiligten diese Art der Zusammenarbeit unterstützen und mitgestalten. 


Das gute Projekt im Überblick

Wenn nach Fertigstellung eines Projekts das Triumvirat aus Planer, Auftraggeber und Auftragnehmer zufrieden ist, stehen die Chancen gut, dass das Projekt »gut« ist.

Das bedeutet…

...für den Planer:
- die Aufgabenstellung war interessant,
- seine Vorschläge wurden angenommen.

...für den Auftraggeber:
- das Projekt ist bezahlbar,
- er erhält, was er haben wollte.

...für den Auftragnehmer:
- es kann nach Plan gebaut werden,
- er wird wie vereinbart bezahlt.

Die vorangehende Teile dieser Serie können Sie hier nachlesen:

Teil 1: Der Faktor Mensch - Link
Teil 2: Die Kultur in Projektallianzen - vom Umgang mit der Macht - Link
Teil 3: Die Zugehörigkeit in Projektallianzen - Link
Teil 4: Kommunikation im Bauprojekt - Link


Die Autorin

Barbara Nilkens ist Bauingenieurin, Kommunikationsexpertin und Inhaberin des gleichnamigen Ingenieurbüros für Baukommunikation. Ihr Ziel ist es, für gute Kommunikation im Bauwesen zu sorgen.
Info: www.baukommunikation.com

(Bilder: iStock)

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