Das Thema Allianzprojekte ist zurzeit in aller Munde. Der Ansatz ist interessant, internationale Erfahrungen zeigen, dass die Versprechen wie überragende Ergebnisse hinsichtlich der Kosten, der Zeit und andere, dem Bauherrn wichtige, sogenannte »non-cost«-Aspekte gehalten werden können.
Der Hauptunterschied zur herkömmlichen Art der Ausschreibung von Bauleistungen ist, dass alle am Projekt Beteiligten gleichwertig stimmberechtigt sind. Der Ansatz, dass mit Vertrauen, Zusammenarbeit, Innovation und gegenseitiger Unterstützung überragende Ergebnisse erzielt werden, ist mehr als überfällig.
Bisherige Vergabeverfahren basieren auf einer Arbeitsteilung: eine Seite plant, eine Seite baut, eine dritte bezahlt. Diese ursprünglich sinnvolle Unterscheidung hat über die Zeit dazu geführt, dass die Projektbeteiligten mehr und mehr nebeneinander statt miteinander planen und bauen. Die Spezialisierung einzelner Gewerke ist soweit fortgeschritten, dass eine fachliche Kontrolle durch eine Oberbauleitung oft weder logistisch noch inhaltlich möglich ist.
Anforderungen zum Beispiel aus dem Umweltschutz oder Folgen aus den Subvergaben führen zu komplexen, sich gegenseitig bedingenden Randbedingungen, die sich häufig im Projektverlauf wieder ändern und so im Nachhinein kaum mehr nachvollziehbar sind. Der Aufwand einer vollständigen Dokumentation wächst auch aufgrund von Beweislast und Nachweispflichten ins Unermessliche.
Erste Ansätze waren der Einsatz der Instrumente des Lean-Management. Diese können komplexe Abläufe und Abhängigkeiten sichtbar und nachvollziehbar machen. BIM-Modelle speichern inzwischen sieben Dimensionen von Daten und halten alles laufend verfügbar. Im Ergebnis haben wir Datenbanken, in denen rein theoretisch alle (!) Informationen verfügbar und aktuell sind. Wenn denn theoretisch alle Änderungen und Informationen laufend richtig und aktuell in diese Datenbank eingepflegt werden, ist jeder Arbeitsschritt dokumentiert und nachweisbar.
Was ist ein Fehler und was nicht?
Bauwerke sind Einzelmaßnahmen. Selbst in Streckenbauwerken wie Autobahnen und Dämmen, oder in Serienbauwerken wie Reihenhäusern und Hochhäusern gibt es eine Vielzahl von Einzelentscheidungen und kurzfristigen Änderungen, die eine Kaskade von Folgeänderungen auslösen. Bisher wird für jede dieser Änderungen ein Verursacher gesucht. Dieser Verursacher ist schuld und muss die Folgen bezahlen. Aber wer ist denn schuld, wenn der Betonmischer im Stau feststeckt? Wer ist schuld, wenn der Untergrund doch anders ist als angenommen? Und wer ist schuld, wenn es zu viel regnet?
Bislang werden Änderungen im Ablauf oft als Fehler angesehen und die Suche nach Schuldigen steht im Vordergrund.
Der Urfehler ist, dass bisher jede Änderung als Fehler behandelt wird. Dieser Fehler wird monokausal angegangen, das heißt es wird die eine Ursache mit dem einen Schuldigen gesucht, diese Ursache wird behoben, der Schuldige muss bezahlen, und weiter geht es im Projekt. Eigentlich. Tatsächlich aber landen wir in endlosen Schuld-Recht-Diskussionen mit allen bekannten Folgen angefangen vom persönlichen Frust, bis hin zu gravierenden Folgen für das Gesamtprojekt.
Der neue Ansatz von Allianzprojekten
Bisherige Ansätze haben immer darauf abgezielt, die Prozesse zu optimieren. Die Themen wurden technisch angegangen. In den Allianzprojekten werden diese Instrumente ebenfalls gefordert, darüber hinaus wird aber auch festgelegt, dass intensiv an der Abstimmung zwischen den Projektpartnern und am Team gearbeitet wird. Im IPA-Handlungsleitfaden (erhältlich unter www.ipa-zentrum.de) werden unter anderem folgende Ziele aufgelistet:
- Schaffen Sie ein übereinstimmendes und präzises Verständnis für die Ziele des Bauherrn.
- Entwickeln Sie Klarheit über die Ziele und die jeweiligen Verpflichtungen, um diese Ziele zu erreichen. Diese Ziele können im Rahmen eines Projektstarts auch in anderen Vertragsformen bearbeitet werden. Wichtig ist, dass ein gemeinsames Verständnis für die Ziele nur im Rahmen eines professionell moderierten Workshops erarbeitet werden kann. Hier muss mit kreativen Ansätzen und Gruppenarbeit eine projektinterne Festlegung der Ziele erfolgen. Die bisher üblichen »Kick-off-Meetings« bieten nicht den Rahmen, der für diese intensive Abstimmungsarbeit erforderlich ist. Spätestens mit den folgenden Zielen, wird das Neue an Allianzprojekten deutlich:
- Legen Sie Bedenken offen, die Teammitglieder in Bezug auf Personen, den Prozess und das Projekt haben könnten.
- Beziehen Sie die Teamziele in die Projektziele mit ein.
- Versichern Sie sich, dass der Bauherr mit allen Zielen konform geht.
- Entwickeln oder stärken Sie die zwischenmenschlichen Beziehungen im Team.
- Schaffen und vermitteln Sie den Teammitgliedern die kollaborativen Verhaltensweisen und Techniken.
Prozesscharakter im sozialen System
Hier wird eine schonungslose Offenheit erwartet. Es dürfte spannend sein, wie Vertrauen in einem Team entsteht, nachdem jemand wie gefordert seine Bedenken in Bezug auf eine Person geäußert hat. Hier sind das Herz und die Niere des neuen Ansatzes. Diese Offenheit muss von ausnahmslos allen als konstruktiver Beitrag statt als persönlicher Angriff verstanden werden. Dafür begreifen sich die Projektbeteiligten als Teil eines sozialen Systems.
In einem sozialen System gibt es keine eindeutigen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Es gibt nur eine sich aufschaukelnde Spiralendynamik, die wahlweise zu Misstrauen oder zu Vertrauen führt (siehe Abbildung oben). Damit das so ist, muss viel Zeit und Energie in die Themen Projektkultur, Zugehörigkeit, Kommunikation und Ziele investiert werden.
Bahnbrechend neu ist in den Allianzprojekten der zeitliche und finanzielle Raum, der für die Themen der Zieldefinition, der Teamarbeit und der Behandlung von Konflikten bereitgestellt wird. Die Tatsache, dass vertraglich eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit festgelegt wird, ist noch keine Garantie dafür, dass das Team wirklich gut zusammenarbeitet. Aber es lenkt den Fokus weg von der monokausalen Fehlerbehandlung hin zum Menschen als Teil eines sozialen Systems. Denn es sind die Menschen, die bauen.
Zur Autorin
Barbara Nilkens ist Bauingenieurin, Kommunikationsexpertin und Inhaberin des gleichnamigen Ingenieurbüros für Baukommunikation. Ihr Ziel ist es, für gute Kommunikation im Bauwesen zu sorgen.
Info: www.baukommunikation.com
Serie »Allianzprojekte«
Hintergrund: Im Rahmen dieser Artikelserie soll der Fokus darauf gerichtet werden, wie im Rahmen von Allianzprojekten Vertrauen aufgebaut, Zusammenarbeit ermöglicht und Innovation zugelassen wird. Es wird diskutiert, unter welchen Bedingungen diese Art der Zusammenarbeit auch im Rahmen herkömmlicher Bauverträge möglich ist. Im Rahmen dieser Beiträge sind unter dem Oberbegriff »Allianzprojekte« alle Ansätze der partnerschaftlichen Projektansätze zusammengefasst. Dazu zählen: Bauteams, Allianzprojekte, Projektallianzen, Integrierte Projektabwicklung (IPA), Integrated Project Delivery (IPD) sowie der ebenfalls gängige Begriff der Partnerschaftlichen Projektzusammenarbeit (PPZ).
Diese Zusammenfassung ist möglich, da alle Modelle laut »Bauteam - ein Leitfaden für Architekten und Handwerker« der Architektenkammer Baden-Württemberg folgende Ziele gemeinsam haben:
- Die intensive Kommunikation und Kooperation zwischen Architekten, Ingenieuren, Handwerkern, ausführenden Unternehmen bereits ab einem sehr frühen Planungsstadium – selbstverständlich unter Einbeziehung der Bauherren.
- Nutzung von Synergieeffekten bei der technischen und wirtschaftlichen Optimierung des Projekts.
- Dadurch Kostenvorteile und Einsparpotenzial sowie gleichzeitig gewährleistete Terminsicherheit bei hoher Qualität.
Serien - Ausblick
Hintergrund: In dieser Artikelserie soll der Fokus darauf gerichtet werden, wie im Rahmen von Allianzprojekten Vertrauen aufgebaut, Zusammenarbeit ermöglicht und Innovation zugelassen wird. Es wird diskutiert, unter welchen Bedingungen diese Art der Zusammenarbeit auch im Rahmen herkömmlicher Bauverträge möglich ist.
Die Beiträge fassen unter dem Oberbegriff »Allianzprojekte« alle Ansätze der partnerschaftlichen Projektansätze zusammen. Dazu zählen: Bauteams, Allianzprojekte, Projektallianzen, Integrierte Projektabwicklung (IPA), Integrated Project Delivery (IPD) sowie der ebenfalls gängige Begriff der Partnerschaftlichen Projektzusammenarbeit (PPZ).
Möglich wird diese Zusammenfassung, da alle Modelle laut »Bauteam - ein Leitfaden für Architekten und Handwerker« der Architektenkammer Baden-Württemberg folgende Ziele gemeinsam haben:
- Die intensive Kommunikation und Kooperation zwischen Architekten, Ingenieuren, Handwerkern, ausführenden Unternehmen bereits ab einem sehr frühen Planungsstadium – selbstverständlich unter Einbeziehung der Bauherren.
- Nutzung von Synergieeffekten bei der technischen und wirtschaftlichen Optimierung des Projekts.
- Dadurch Kostenvorteile und Einsparpotenzial sowie gleichzeitig gewährleistete Terminsicherheit bei hoher Qualität.