Lange Jahre galt der Streit am Bau als »part of the game«, der Gang zum Gericht war obligatorisch. Doch immer mehr Auftraggeber und Auftragnehmer wollen langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren vermeiden. Die außergerichtliche Streitbeilegung gewinnt an Bedeutung. Gemeinsam mit Müller Partner Rechtsanwälte hat der Bau & Immobilien Report fünf Verfahren unter die Lupe genommen und ihre Besonderheiten, Vor- und Nachteile analysiert.
Die Bauwirtschaft zählt zweifellos zu den Branchen, in denen sich Auftraggeber und Auftragnehmer am häufigsten in die Haare geraten. Nicht selten endet die Zusammenarbeit im Streit. Die Gründe dafür sind vielfältig. »Je größer und komplexer ein Bauvorhaben, desto mehr Unternehmen und Leute sind involviert. Das alleine birgt schon hohes Konfliktpotenzial«, erklärt Katharina Müller, Partnerin bei Müller Partner Rechtsanwälte.
Der Termin-, Kosten- und Qualitätsdruck ist hoch, die Kommunikation oft schlecht und die baubegleitende Planung führt laufend zu Ausführungsänderungen. »Viel hängt auch von der Vorarbeit des Auftraggebers ab«, sagt Mathias Ilg von Müller Partner Rechtsanwälte. Je höher die Qualität der Ausschreibung und Planungsphase und je klarer die Vertragsbestimmungen desto geringer das Konfliktpotenzial. »Die unterschiedliche Vertragsauslegung ist ein häufiger Streitpunkt«, weiß Ilg. Endet der Streit vor Gericht, ist das für alle Beteiligten mühsam und belastend.
Bild oben: »Eine außergerichtliche Streitbeilegung ist nur dann sinnvoll und erfolgversprechend, wenn auf beiden Seiten der Wille zur Einigung da ist«, erklärt Katharina Müller, Müller Partner Rechtsanwälte.
Gerichtsverfahren dauern nicht selten mehrere Jahre und die drohenden Verzugszinsen schweben wie ein Damoklesschwert über dem Auftraggeber. »Aber auch für Auftragnehmer ist die Situation nicht einfach, ist man doch gezwungen, sich jahrelang mit der Vergangenheit zu beschäftigen«, erklärt Müller. Dabei muss es gar nicht so weit kommen. Der Gang zum Gericht könnte in vielen Fällen auch vermieden werden, gibt es doch zahlreiche Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung.
Der Wille zum Kompromiss
Größere Ansichten der obigen Tabellen als PDF hier: Teil 1 + Teil 2
Zu den wichtigsten Methoden der außergerichtlichen Streitbelegung zählen die Mediation, das Schlichtungsverfahren, das Schiedsgutachterverfahren, das Adjudikationsverfahren und das Schiedsgerichtsverfahren. Sie alle haben ihre spezifischen Charakteristika, ihre Stärken und Schwächen (siehe Übersicht). Eines allerdings eint alle fünf Methoden. »Eine außergerichtliche Streitbeilegung ist nur dann sinnvoll und erfolgversprechend, wenn auf beiden Seiten der Wille zur Einigung da ist. Die Parteien müssen bereit sein, ihre Maximalstandpunkte aufzugeben und einen Kompromiss zu finden«, erklärt Müller. Ist das nicht der Fall, sind viele dieser Instrumente zum Scheitern verurteilt.
Laut einer Umfrage der österreichischen Gesellschaft für Baurecht und Bauwirtschaft zählen die Mediation und das Schiedsgutachterverfahren mit einem Bekanntheitsgrad von fast 100 Prozent zu den bekanntesten Methoden der außergerichtlichen Streitbeilegung. Dahinter folgen das Schlichtungsverfahren und das Schiedsgerichtsverfahren mit rund 96 Prozent. Abgeschlagen auf dem letzten Platz der abgefragten Methoden landet das Adjudikationsverfahren mit einem Bekanntheitsgrad von rund 82 Prozent.
Geht es um die konkreten Erfahrungen, die die Befragten mit den verschiedenen Methoden gemacht haben, dreht sich das Bild und das Adjudikationsverfahren landet auf dem ersten Platz. 30 Prozent haben damit »sehr gute« Erfahrungen gemacht, ebenfalls 30 Prozent immerhin »gute« Erfahrungen. Mit der Mediation haben zwölf Prozent »sehr gute« Erfahrungen gemacht (vier Prozent »gute«), mit dem Schiedsgericht 9,5 Prozent »sehr gute« Erfahrungen (38,1 »gute), mit dem Schiedsgutachten 4,4 Prozent »sehr gute« Erfahrungen (30,4 Prozent »gute«) und mit dem Schlichtungsverfahren 3,9 Prozent »sehr gute« Erfahrungen, aber immerhin 53,9 Prozent » gute« Erfahrung.
Baubegleitende Verfahren
Das in Österreich am weitesten verbreitete Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung ist laut Müller und Ilg das Schlichtungsverfahren in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen. Es ist flexibel mit nur wenigen formalen Anforderungen, es steht und fällt mit der Person des Schlichters, der die Fähigkeit besitzen muss, Kompromisse zu finden. »Der Schlichter arbeitet, anders als der Mediator, konkrete Einigungsvorschläge auf Grundlage seiner Fachkompetenz aus«, erklärt Ilg.
Sehr gute Erfahrungen hat man bei Müller Partner Rechtsanwälte mit baubegleitenden Schlichtungsverfahren gemacht. »Es ist sinnvoll, wenn es schon während des Projekts eine Stelle gibt, wo man eskalieren kann«, erklärt Müller. Auch das Adjudikationsverfahren ist eine baubegleitende Maßnahme. Ziel ist, den Streit aus der operativen Ebene wegzubekommen, hin auf eine sachliche Ebene. »Dann kann der Konflikt übergeordnet geordnet bereinigt werden«, sagt Ilg.
Für welche Methode man sich auch immer entscheidet, sinnvoll ist, das ausgewählte Instrument schon in den Vertrag zu schreiben. »Dann muss man nicht die Eskalation abwarten, sondern kann frühzeitig eingreifen und den Streit auf eine andere Ebene führen« sagt Müller. Das entlastet die operativen Einheiten und ist besser für den Bauablauf.
Die Experten
Katharina Müller ist Partnerin bei Müller Partner Rechtsanwälte mit den Beratungsschwerpunkten Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
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Mathias Ilg ist bei Müller Partner Rechtsanwälte spezialisiert auf Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung
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