Die Frage nach dem besten, effizientesten und ökologischsten Gebäudekonzept wird schon lange und intensiv diskutiert. Auch wenn das viele Branchenvertreter nicht wahrhaben wollen: Studien zeigen, dass nicht nur ein Weg nach Rom führt. Weitere Spannung versprechen zwei aktuelle Forschungsprojekte zum Thema Energieautarkie.
Anfang des Jahres haben fünf Forschungsinstitute der Austrian Cooperative Research ACR für ziemlich viel Aufsehen in der Bauwirtschaft gesorgt. Das Bautechnische Institut Linz (BTI), die Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen (FGW), die Holzforschung Austria (HFA), die OFI Technologie & Innovation GmbH und das Forschungsinstitut der Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie (VÖZfi) haben berechnet, welche Bauweise und welche Haustechnik für Häuser langfristig am umweltverträglichsten und wirtschaftlichsten sind.
Anhand eines fiktiven Hauses mit 220 Quadratmetern Gesamtfläche auf zwei Stockwerken wurden die Gebäudetypen Niedrigenergiehaus, Sonnenhaus, Passivhaus und Plusenergiehaus untersucht. Aus der Kombination mit verschiedenen Baustoffen (Beton, Holz, Ziegel, Holzfaserbeton) und Haustechnikvarianten (Wärmepumpe, Solarthermie, Photovoltaik, Pelletheizung) entstanden 45 Gebäudevarianten. Für diese Varianten wurden die Umweltwirkungen über 100 Jahre und die Lebenszykluskosten über 50 Jahre berechnet.
Das Ergebnis war für viele überraschend und schenkt man den Gerüchten Glauben, wollten Vertreter einzelner Baustoffe und Gebäudekonzepte die Studie sogar vorzeitig abbrechen, als das Ergebnis absehbar war: Es gibt nämlich keinen Sieger. Keine Gebäudevariante, kein Baustoff und kein Energiestandard schneidet bei allen Öko-Indikatoren besser ab als die anderen. Wichtiger als die Entscheidung für den Gebäudetyp ist das Nutzerverhalten.
»Es gibt nicht die richtige Bauweise oder den besten Energiestandard. Es wäre nicht seriös, wenn wir einen bestimmten Haustyp empfehlen, der für jeden Häuslbauer von Kitzbühel bis ins Wiener Becken der beste ist. Wenn wir einen Zeitraum von 50 Jahren betrachten, haben zum Beispiel die verwendeten Baustoffe kaum Einfluss auf die Gesamtkosten«, erklärt Petra Johanna Sölkner, die den ACR-Forschungsschwerpunkt Nachhaltiges Bauen leitet.
Das wichtigste Thema ist laut Sölkner die Haustechnik und wie sie bedient wird. Eine wichtige Forderung die sich aus der vergleichende ACR-Studie ergbt, ist die Weiterentwicklung und Vereinfachung von haustechnischen Systemen und die Entwicklung von Mechanismen, die Energieverschwendung im Zuge der Gebäudenutzung reduzieren. In diesem Zusammenhang ist in der Branche auch viel von Energieautarkie die Rede. Mit diesem Thema beschäftigen sich aktuell unter anderem zwei Forschungsprojekte in Oberösterreich und im Burgenland.
Fokus Energieautarkie
In Oberösterreich verfolgt die Bauhütte Leitl-Werke mit dem VitalSonnenhausPro das Ziel eines energieautarken und leistbaren Wohnhauses. Die Energieversorgung erfolgt ganzjährig überwiegend durch die Sonne. Der Rest wird durch regional verfügbare erneuerbare Energie bereitgestellt. Der zwischen Frühjahr und Herbst erzielte Energieüberschuss soll für genügend Energie im Winter sorgen. Durch ein modulares Erweiterungskonzept kann der Grad der Autarkie an das verfügbare Budget angepasst werden. Als Baustoff kommen aus Eferdinger Heierde gebrannte sogenannte Vitalziegel zum Einsatz. Die erste Realisierung dieses neuartigen Gebäudekonzeptes in Österreich erfolgt derzeit in Schwertberg.
»Unser Hauptaugenmerk lag neben den bautechnischen Aspekten bzw. den notwendigen technologischen Weiterentwicklungen vor allen in der Planung und Realisierung eines für den späteren Bauherrn realistisch finanzierbaren energieautarken Gebäudes. Die bis dato existierenden 100 % energieautarken Lösungen waren einfach zu teuer. Wir bieten eine leistbare Lösung für den normalen Häuslbauer«, erklärt Martin Leitl, Geschäftsführer der Bauhütte Leitl-Werke.
Ebenfalls dem Thema Energieautarkie verschrieben hat sich ein Konsortium aus Fertighausspezialist ELK, der auf Photovoltaik- und Energiespeicherlösungen spezialisierte IEWM GmbH und dem Energieoptimierer EES. In dem Projekt »Absolut Autark Plushaus« werden elektrische und thermische Speicher zum Management der Energieversorgung eines Einfamilienhauses integriert. »Unsere Botschaft ist klar: Wir wollen die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen und von den Landesenergieversorgungsunternehmen erreichen«, sagt Martin Wieger, Geschäftsführer IEWM.
Wieger probiert die unterschiedliche Technologien für Wärmespeicher quasi am eigenen Leib aus. Mitte September ist er in Trausdorf mit seiner Familie in einen einstöckigen Neubau eingezogen und testet jetzt auf 190 m² Wohnfläche das Zusammenspiel von Energieerzeugung, -speicherung und -verbrauch im Alltag seines Haushaltes. Neben elektrischen Speichern kommen folgende thermische Speicher zum Einsatz: ein Gebäudespeicher, der die Raumtemperatur bei geringsten Verlusten rund 24 Stunden halten kann, ein Asphaltspeicher im Bereich der Einfahrt, ein Erdspeicher und ein Betonkernspeicher, der beidseitig gedämmt ist.
Weiters sind ein Eisspeicher, der mit Temperaturwechsel rund um den Gefrierpunkt arbeitet, im Einsatz, ein hydraulischer Pufferspeicher sowohl für Warm-, als für Kaltwasser, ein Zeolith-Speicher und ein Phasenwechsel-Speicher auf Paraffinbasis – ein sogenannter »Phase Change Material (PCM)«-Speicher. Erste konkrete Ergebnisse zum Zusammenspiel und der Effizienz der Speicher in Trausdorf wird es nach der ersten Heizsaison geben.
Weitere Informationen zum Thema Klimaaktiv: Österreichs derzeit am weitesten verbreitetes Gebäudebewertungssystem Forschungsobjekt mit Fokus Be- und Entlüftung: Wohnanlage Wallenmahd |