Für Energieunternehmen wird es immer wichtiger, sich am Markt durch Service zu differenzieren. Denn Produkte lassen sich oftmals vergleichbar kopieren – Service jedoch nicht.
Von Alexander Becker und Florian Meister
Viele Unternehmen aus Energieversorgung, -technik und -erzeugung haben das Differenzierungsmerkmal Service auf ihrer Agenda und optimieren ihren Service mit dem Ziel, einen höheren Reifegrad zu erreichen. Diese Bemühungen enden jedoch meist an den Grenzen der zentralen Kundenbetreuung. Eine ganzheitliche Verantwortung und Betreuung muss den Kundenservice vor Ort integrieren, was heute jedoch selten der Fall ist. Das zieht einen Bruch in den Prozessen nach sich. Folgen sind beispielsweise nicht berücksichtigte Kundenpräferenzen (»Der Techniker kommt heute zwischen 9 und 17 Uhr«) oder die Möglichkeit, auf unvorhergesehene Ereignisse wie kurzfristige Kundenanfragen oder Störungen zeitnah zu reagieren. Moderner Kundenservice berücksichtigt diese neuen Herausforderungen: Prozesse werden Ende-zu-Ende aufgesetzt, verbunden mit IT-Systemen, welche die Planung und Disposition des Field Service integrieren und einen umfassenden Informationsfluss sicherstellen. Es sind Probleme, mit denen im privaten oder geschäftlichen Umfeld die meisten Menschen bereits konfrontiert wurden: die ungenügende Abstimmung zwischen zentralen Kundenbetreuungseinheiten und den dezentralen Field Services. Dies ist in allen Branchen zu beobachten. Neben der Telekommunikationsbranche ist die Energiewirtschaft hierfür eines der besten Beispiele, da hier Vertrieb, After-Sales, Netz und kaufmännische Bereiche unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen eng und effizient zusammenarbeiten müssen. So ist bereits die Abstimmung eines prinzipiell gut planbaren Standard-Hausanschlusses komplex, wenn mehrere Dienstleister beteiligt sind. Ungleich komplexer werden die Prozesse, wenn Störungen zu koordinieren und abzuarbeiten sind. Das Ergebnis sind Ineffizienzen sowie eine ungenügende Kundenqualität.
Fokus meist auf zentrale Einheiten
Die Energiewirtschaft hat versucht, diesem Problem mit dem Mehrspartenmonteur beziehungsweise Kombimonteur zu begegnen, wobei der Erfolg nur sehr begrenzt war. Einerseits hat sich die Ausbildung als sehr zeitintensiv herausgestellt, andererseits wurden für einfache Aufgaben oftmals Dienstleister zu festen Sätzen beauftragt, so dass sich die Frage nach einer kombinierten Ausbildung nicht mehr stellte. Das Ergebnis: Energieunternehmen haben begonnen, ihren Fokus auf die Optimierung von zentralen Einheiten wie Kundenbetreuungszentren zu legen. Bewährt haben sich bislang die Etablierung von übergreifenden Servicecentern, die als ein Kontaktpunkt sämtliche Kundenanliegen bearbeiten oder zumindest koordinieren, sowie das Ausrichten der Serviceprozesse an realen Kundenbedürfnissen. Diese Maßnahmen haben bereits eine signifikante Verbesserung der Servicequalität erzeugt, bei zentral koordinierbaren Themen wie die Abrechnung, vertriebliche Themen oder etwa Forderungsmanagement. Wesentliche Teile der Energiewirtschaft sind jedoch auf dezentrale Einheiten angewiesen – und hier wird die Serviceerbringung zur Herausforderung.
Ungenutztes Potenzial
Ein wesentlicher Grund dafür ist die hohe Komplexität in der Planung – dezentrale Tätigkeiten sind in der Regel langwieriger, weichen stärker voneinander ab und werden durch externe Umstände, beispielsweise die Verkehrssituation, beeinflusst. So sind die beauftragten Einheiten oftmals für nicht-planbare Arbeiten eingesetzt (ungeplante Instandhaltungsmaßnahmen), noch dazu sind externe Serviceaufträge oftmals in der Planung komplexer, weil etwa unterschiedliche Skills für einen Auftrag notwendig sind. So müssen bei einem Hausanschluss beispielsweise ein Tiefbauer und ein Elektriker eingesetzt werden. Kundenbefragungen zeigen, dass gerade hier signifikante Erfolgsfaktoren liegen. Während Faktoren wie eine telefonische Erreichbarkeit oder Kompetenz des Servicedesks zunehmend Hygienefaktoren werden, mit denen sich ein Unternehmen zwar negativ, nicht jedoch positiv abheben kann, werden Faktoren wie Schnelligkeit oder Terminabsprache und -einhaltung zu den entscheidenden Unterscheidungsmerkmalen.
Eine derartige Qualitätserhöhung darf jedoch nicht mit steigenden Kosten einhergehen – insbesondere im Hinblick auf den durch die Anreizregulierung auf den Unternehmen lastenden Druck. Beispielrechnungen zeigen, dass es durchaus möglich ist, die Servicekosten bei gleichzeitig steigender Qualität zu senken. So konnten in Projekten Effizienzpotenziale von bis zu 30 % realisiert werden, indem Prozesse effizienter gestaltet, das Serviceportfolio optimiert sowie die IT-Durchdringung erhöht wurden. Die Optimierungsansätze reichen von der auslastungsoptimalen Planung, abhängig von der Verfügbarkeit von Mitarbeitern inklusive der Schaffung von »Flex Pools« für Spitzenlasten über arbeitsoptimierte Prozesse bis hin zu Routenoptimierungen, um die produktive Zeit des Technikers zu maximieren. Ferner lassen sich durch eine stärkere IT-Unterstützung der Techniker über mobile Endgeräte Produktivitätsvorteile generieren: So kann sichergestellt werden, dass durch Bereitstellung aller relevanten Kundeninformationen keine Zeitv erluste durch Unklarheiten oder Rückfragen vor Ort entstehen. Außerdem lässt sich die Auftragserledigung schnell und einfach digital dokumentieren, aufwendige papierbasierte Prozesse werden so verschlankt. Beispiele zeigen, dass innerhalb eines Unternehmens idente Leistungen mit bis zu 40 % Unterschied in der Verrichtungsdauer erbracht wurden. Ein Teil der Optimierung bedingt eine bessere IT-technische Unterstützung, das heißt die Einführung und Betrieb von speziellen Servicemanagementlösungen beziehungsweise die Erweiterung bestehender Lösungen um den Serviceprozess unterstützende Komponenten.
Mehrwert von ESP
IT-technisch wird die Integration der Services durch einen neuen Layer, dem ESP (Enterprise Service Planning) abgebildet. Unter Verwendung offener und klar definierter Referenzpunkte zur Sicherstellung der Unbundling-Konformität werden die wesentlichen Kernsysteme der Energiewirtschaft zusammen gebracht. Im Gegensatz zu den klassischen IT-Systemen, die eher auf eine Dokumentation oder die Abwicklung einer Transaktion fokussieren, ist es Ziel der ESP‑Lösung, die Interaktion mit dem Kunden zu steuern und zu unterstützen. Kernidee von ESP ist die Abbildung des Serviceprozesses vom Eingang der Kundenanfrage bis zum erfolgreichen, den Kunden zufriedenstellenden Abschluss. Per Definition überspannt dieser Serviceprozess viele bestehende Teilprozesse und organisatorische Einheiten – und gerade aus der Verbindung dieser zum Gesamtprozess entsteht der Mehrwert von ESP. ESP ist damit die koordinierende Instanz, die sicherstellt, dass ein Prozess ganzheitlich geplant und durchgeführt werden kann, obwohl unterschiedlichste Systeme für einzelne Prozessschritte führend sind. Mit diesem Ansatz wird es dem Customer Service ermöglicht, Transparenz über den gesamten Prozess zu erlangen und damit den Prozess auch kontrollieren und verantworten zu können. So kann der Customer Service bei Anfrage eine Angebotserstellung für den Hausanschluss beauftragen unter Berücksichtigung der derzeitigen Auslastungen. Eindeutige Service-Level-Agreements ermöglichen dem Mitarbeiter, bereits zu Beginn verbindliche Aussagen zu der Dauer des Planungsprozesses zu treffen. Über die weiteren Planungs- und Abstimmungsschritte bleibt der Servicedesk immer informiert, so dass er Nachfragen kompetent beantworten oder weiterleiten kann.
Die Autoren
Florian Meister ist Managing Director bei Strategic Service Consulting.
Alexander Becker ist Head of Corporate Strategy bei helpLine it solutions. Das Unternehmen ist im Kundenservice und Field-Service-Management tätig und hat seinen Sitz in Wien.