Es ist das Plastilin der digitalisierten Wirtschaft: Ohne Business Software gibt es heute keine Unternehmen. Ein Anbieter aus Europa sagt dabei den Großen den Kampf an.
Effizienz in alle Arbeitsbereiche von Unternehmen zu bringen und Menschen zu entlasten, das hat sich der belgische Softwarehersteller Odoo vorgenommen. Bereits großer Player in Belgien will man vor allem kleineren Unternehmen und dem Mittelstand eine schlanke, leistungsfähige Alternative bieten. Beim Launch der Version „Odoo 17“ im November stellte Firmengründer Fabien Pinckaers mit Odoo den Anspruch, einer von drei großen Business-Software-Anbietern im Bereich ERP („Enterprise Ressource Planning“) zu werden.
Rund 12.000 Teilnehmer*innen haben die Messehallen der „Odoo Experience“ in Brüssel gefüllt. Allein 2023 hat Odoo 1500 neue Mitarbeiter*innen rekrutiert. Die Zahl der Dienstleistungspartner, die Lösungen bei den Firmenkunden umsetzen, ist in Belgien mittlerweile auf 200 gewachsen. In Österreich fokussieren knapp 20 Partner – darunter datenpol als der größte Dienstleister– auf die leichtfüßige Business-Suite für die Warenwirtschaft und mit hunderten Applikationen für Buchhaltung, E-Commerce, Personal oder Projektmanagement.
Odoo hat wie so viele in der IT klein begonnen. Der Vater von Firmengründer Fabien Pinckaers forderte für seinen Schuhhandel ein schlankes, leistbares Warenwirtschaftssystem. Aus dem Eigenbedarf wurde 2005 ein Uniprojekt, das zunächst TinyERP hieß und später zu OpenERP umbenannt wurde. Heute hat Odoo mehr als dreieinhalb Millionen Nutzer*innen. Fabien Pinckaers ist Mehrheitseigentümer und in seiner Rolle auch als Techniker weiterhin nahe an der Basis. Er ist stolz darauf, CEO eines Unternehmens zu sein, in dem „die meisten Entscheidungen nicht vom Management getroffen werden.“
Für datenpol-Geschäftsführer Stefan Wailand punktet Odoo dreifach, wie er betont: „Durch die Nutzerfreundlichkeit: die Software ist einfach anwendbar und setzt auf Open-Source. Das hilft jenen, die Prozesse individuell gestalten wollen. Drittens durch ihre außerordentliche Skalierbarkeit. Sowohl in der Benutzerzahl als auch in der Funktionsbreite kann Odoo im Kleinen und im Großen eingesetzt werden.“
Die neue Version hat eine tiefgehende Integration von ChatGPT in ihren Modulen. „Kein anderer ERP-Hersteller kann derzeit technisch so schnell auf Veränderungen und Anforderungen mit Innovationen reagieren“, ist Wailand überzeugt.
Die Platzhirsche
SAP
Der Branchenprimus unter den Softwareherstellern für die IT-basierte Steuerung von Unternehmen ist SAP. Mit 105.000 Beschäftigten in über 157 Ländern, 24.000 Dienstleistungspartnern und einem Umsatz von knapp 30 Milliarden Euro im Jahr 2022 ist der ERP-Gigant aus Walldorf in Deutschland zugleich auch Europas einziger Softwarekonzern in der Liga der weltgrößten IT-Unternehmen. Mit dem Generationenwechsel ins Cloudgeschäft und der mächtigen Plattform S4/HANA hat SAP wieder zu den Technologieführern aufschließen können. Heute zählt man bereits mehr als 280 Millionen Cloudnutzer*innen. Galt die SAP-Software lange Zeit als technokratisch und starr, kann man nun mit einer flexibleren Anwendungsbreite die Geschäftsprozesse in der traditionell gut bestückten Palette spezialisierter Branchenlösungen abdecken. Freilich ist für die größeren Unternehmenskunden die Umstellung auf s4/HANA mit meist großem Aufwand verbunden. Und die Zeit drängt: Der Softwarehersteller bietet die reguläre Wartung für den Kern der „alten“ Business Suite 7 noch bis Ende 2027 an, gegen Aufpreis bis Ende 2030.
Microsoft
Microsoft schlüpft als Rechenzentrumsbetreiber, Cloudprovider und Softwareanbieter in mehrere Rollen, um Unternehmen zu unterstützen. Neben der Arbeitsplatzlösung Microsoft 365 bietet der US-Konzern heute eine integrierte bunte Palette zur Abdeckung von Geschäftsprozessen mit der Business-Software Dynamics 365. Finanzen, Vertrieb, Kundenservice, Betrieb – alles, was ein Unternehmen braucht, ist von einem digitalen Ort aus zugänglich. Bekanntgeben wurde nun eine eigene Cloudregion mit mehreren Rechenzentren auch in Österreich. Das soll die datenschutzkonforme Speicherung von Daten unterstützen, niedrigste Zugriffszeiten bei geschäftskritischen Prozessen garantieren und die „digitale Resilienz“ auf Basis der Microsoft Azure-Cloud liefern. In Österreich fußt der Erfolg auf einem Partnernetzwerk mit 4.500 lokalen Anbietern. Sie bringen nun auch die neuen Automatisierungsmöglichkeiten durch das in Microsoft 365 eingebettete KI-Werkzeug Copilot zu den Kunden.
Oracle
Etwas weniger stark im Applikationsumfeld, dafür aber bei Datenbanken und Plattformen ist Oracle in Österreich aufgestellt. Ebenfalls mit Hauptsitz in den USA ist der Softwarehersteller vor allem bei international tätigen Unternehmen stark, die auf eine einheitliche Softwarelandschaft in den ihren Landesgesellschaften setzen. Nicht diese millionenschweren Megadeals, aber zahlreiche kleinere umgesetzte Projekte kann man in Österreich vorweisen – etwa bei einem Gesundheitsdienstleister im Alpenland, der über mehrere Standorte die Personallösung „Oracle Human Capital Management“ ausgerollt hat. Auch Oracle hat in den vergangenen Jahren den großen Wechsel zum Cloudgeschäft und einem nach einigen Verzögerungen auch flexibleren Lizenzmodell geschafft. Mit seiner weltweiten Rechenzentrumsinfrastruktur und neuen KI-gestützten Prozessen setzt Oracle wie mittlerweile alle Großen auf „Software as a Service“. Zunächst verhalten steigt nun auch bei den Kunden in Österreich die Nutzung von Cloudservices.
„Preis-Leistungs-Sieger im Markt“
In Österreich wird für die Open-Source-Business-Software Odoo Support über Spezialisten wie datenpol geboten – der größte Partner in einer Runde von rund 20 Dienstleistern hierzulande. Geschäftsführer Stefan Wailand sprach mit dem Report in Brüssel.
In welchen Bereichen setzen Kunden von datenpol bislang die Open-Source-Software häufiger ein? Wo sind Sie am österreichischen Markt stark?
Stefan Wailand: In den letzten Jahren haben wir besonders den Bereich Accounting entwickeln können. Auch Odoo ist stark mit dem Thema Buchhaltung für den Mittelstand und kleinere Unternehmen gewachsen. Diesen Weg sind wir in Österreich mitgegangen. Es ist unglaublich, wie schnell und einfach Odoo im Accounting arbeitet. Die Software ist herkömmlicher Buchhaltungssoftware aus Österreich meilenweit voraus. Lediglich die Durchsetzung ist noch nicht so weit – es ist ein sehr starrer Markt.
Was bieten Sie Neues für die Buchhaltung?
Gemeinsam mit dem Steuerberater Ecovis bieten wir eine Zeiterfassung für die Kunden von Steuerberatungskanzleien, um Daten digitalisiert auch in der Lohnverrechnung verarbeiten zu können. Die Kunden der Steuerberater bekommen eine strukturierte Zeiterfassung, die einfach in der Nutzung ist und einen Komfortgewinn für alle bietet. Wie jeder Steuerberater heute kämpft Ecovis mit einem Personalmangel. Diese Personalsituation kann man gerade bei repetitiven, oft manuellen Tätigkeiten entlasten. Auch künftige Berichtsthemen wie der CO2-Fußabdruck von Unternehmen wird die Steuerberater massiv beschäftigen.
Traditionelle Buchhaltungssoftware ist limitiert und auch nur zu diesem einen Zweck geschaffen worden. Es gibt keine Integration etwa in die Lagerhaltung oder einen Webshop. Das ist nicht mehr zeitgemäß. Unternehmen heute brauchen eine flexible Software, die sich permanent auf veränderte Bedürfnisse wie etwa bei einem Wachstum anpasst.
Was machen Sie besser, als die großen Business-Software-Hersteller wie etwa SAP?
Wir unterscheiden uns mit Odoo mit drei Dingen von den Großen. Zunächst ist das die Nutzerfreundlichkeit, die Software ist einfach anwendbar. Dann setzt Odoo offen auf Open-Source. Das hilft jenen, die Prozesse individuell gestalten wollen. Drittens punktet die Software mit ihrer außerordentlichen Skalierbarkeit. Sowohl in der Zahl der Benutzer als auch in der Funktionsbreite kann Odoo im Kleinen und im Großen eingesetzt werden.
Der Business-Software-Hersteller geht von seinem bisher modularen Lizenzprinzip ab und bietet nun ein integriertes Komplettpaket aller Funktionen. Wie gehen damit Unternehmen um, die zunächst klein in die Software einsteigen wollen?
Der Vorteil einer benutzerbasierten Gebühr ist sicherlich, die Lizenzierung auf einzelne Funktionalitäten reduzieren zu können. So gibt es Unternehmen, die beispielsweise nur die Zeiterfassung in Odoo nützen. Es gibt aber weiterhin die Möglichkeit, hier flexible Lösungen etwa über Portale zu finden. Ich finde den neuen Ansatz bei Odoo aber durchaus gut, denn die Business-Software kann ja nicht nur Zeiterfassung, sondern kann am Arbeitsplatz etwa auch Wissensmanagement, Produktionsabläufe. Diesen breiten Ansatz zu fördern ist positiv: Man traut damit seinen Mitarbeiter*innen zu, einen größeren Leistungsumfang zu nutzen.
Eine All-in-one-Lizenz kann nicht ganz mit dezidierten Pricings für kleine Speerspitzen wie Zeiterfassung mithalten, aber Odoo ist generell in diesem Umfang, den man bietet, Preis-Leistungs-Sieger am Softwaremarkt.
Welche Geschäftsaussichten haben Sie für 2024? Wie groß ist die Lust bei den Unternehmen, zu investieren?
Die Bereitschaft zu Investitionen ist derzeit sehr branchenabhängig. Die Baubranche und nachgelagerte Firmen haben mit Auftragsrückgängen zu tun. Andere wie etwa im Finanzbereich, in der Digitalisierung und allgemein im Dienstleistungsbereich sind weiterhin in einem Aufschwung. Die vergangenen zwei Jahre waren starke Wachstumsjahre für die Digitalisierung mit Zuwächsen deutlich im zweistelligen Bereich. Es wird ein bisschen zurückgehen, aber nach wie vor können wir sehr optimistisch sein.
Auch im Bereich KI ist Odoo am Zahn der Zeit. Die neue Version 17 wurde im November veröffentlicht und hat bereits eine tiefgehende Integration von ChatGPT in seinen Modulen. Kein anderer ERP-Hersteller kann derzeit technisch so schnell auf Veränderungen und Marktanforderungen mit Innovationen reagieren.
Bild: Auch bei den Bestellprozessen des Caterings der Konferenz Odoo Experience im November 2023 kam die europäische Business Suite zum Einsatz.