Mit generativer Künstlicher Intelligenz werden neue Inhalte geschaffen. Einzelne Branchen setzen schon jetzt auf die neue Technologie, Industrie und Produktion hinken noch hinterher. Das Potenzial zur Produktivitätssteigerung ist aber branchenunabhängig enorm, sind Expert*innen überzeugt.
Text: Bernd Affenzeller
Die generative Künstliche Intelligenz hat keine einfache Aufgabe vor sich. Immerhin soll sie nicht weniger als die Produktivitätskrise in hoch entwickelten Volkswirtschaften lösen. Eine aktuelle Studie von Roland Berger zeigt, dass diese Hoffnung durchaus berechtigt ist. Mehr als die Hälfte der befragten Führungskräfte weltweit rechnet mit Produktivitätsgewinnen von zumindest zehn Prozent, jeder Fünfte sogar mit über 20 Prozent. Dennoch werden die neuen Möglichkeiten aktuell noch sehr unterschiedlich genutzt.
Während im Groß- und Einzelhandel schon rund 70 Prozent der Unternehmen mit generativer KI arbeiten, sind es in der Produktion nur 14 Prozent. »Wir sehen aber, dass alle Unternehmen beginnen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, auch in der Industrie«, sagt Roland Berger Österreich-Geschäftsführerin Gundula Pally gegenüber dem Bau & Immobilien Report. Allerdings stehen die meisten Unternehmen noch ganz am Anfang und die Rasanz der Fortschritte auf dem Gebiet sorgt mitunter auch für Verunsicherung. »Wir führen aktuell viele Inspirations-Sessions durch, auch in dem Wissen, dass sich alles sehr schnell ändern kann«, sagt Pally.
Wichtig sei es, in Use Cases zu denken. »Man muss verstehen, was KI kann und vielleicht in Zukunft können wird.« Dann gilt es, einen möglichen Mehrwert für das eigene Unternehmen zu definieren und daraus konkrete Anwendungsfälle abzuleiten. Dabei sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. »Ein Unternehmen, das nicht von generativer KI profitieren kann, gibt es nicht«, ist Pally überzeugt. Vielmehr sei es die Kunst, in einem ersten Schritt die Use Cases mit dem höchsten Unternehmensnutzen aus der Fülle an Möglichkeiten herauszufiltern.
3 Schritte zur Implementierung von generativer KI
- Analyse: Bevor man eine tragfähige KI-Strategie entwickelt, müssen mögliche Effizienzgewinne entlang der gesamten Wertschöpfungskette analysiert werden.
- Strategie: Definition übergeordneter Ziele und Produktivitäts-Benchmarks sowie Planung konkreter Use Cases. Aufbereitung der notwendigen Daten. Datenstrategie!
- Umsetzung: Umsetzung der geplanten Use Cases inklusive Evaluierung und Optimierung sowie darauffolgender Rollout.
Daten zuerst
Überall dort, wo es um große Daten geht, kann generative KI ihre Stärken ausspielen. Die KI kann Daten schneller organisieren, besser analysieren und in Verbindung mit dem Menschen auch interpretieren. »Und zwar völlig branchenunabhängig«, ist Pally überzeugt und nennt das Beispiel Wareneinkauf. Bislang musste sich der Einkäufer jedes Jahr den Markt ganz genau ansehen, die Lieferantenbasis analysieren, die bisherige Strategie evaluieren und daraus eine neue, aktualisierte Strategie entwickeln. »Das ist ein enormer manueller Aufwand, der mit einem Warengruppenstrategie-Bot perfekt unterstützt werden kann«, sagt Pally.
Der Bot greift auf die Historie zu, analysiert die Märkte und entwirft eine Strategie. Kontrolle und Feintuning der Strategie bleiben beim Menschen. »Der Bot wird zum Co-Piloten des Menschen, der bei der Vorbereitung hilft, weil er effizienter mit Daten umgehen kann. Diese Ergebnisse dann zu nutzen und zu verfeinern, bleibt Sache des menschlichen Piloten.« Bevor sich Unternehmen an die Umsetzung eines Use Case machen können, gilt es, die eigenen Daten zu analysieren und entsprechend aufzubereiten. »Vor der KI-Strategie steht immer die Datenstrategie«, weiß Pally. Zwar wurde in den letzten Jahren in den meisten Unternehmen sehr viel digitalisiert, es klaffen aber immer noch große Datenlücken. Diese zu schließen, müsse kurzfristig Priorität haben.
Zusätzlich zur Datenlage gibt es laut Roland Berger-Studie noch weitere technische und praktische Hürden. Dazu zählen unter anderem Fragen des Datenschutzes, wie zum Beispiel der Schutz von Geschäftsgeheimnissen und personenbezogenen Inhalten, oder das Einbetten der KI-Anwendungen in den Organisationsablauf, was vielen Firmen in der Praxis Schwierigkeiten bereitet. Erst wenn diese Hürden genommen worden sind, können Unternehmen das ganze Potenzial der neuen Technologie ausschöpfen, so die Studie.
Bei der generativen Künstlichen Intelligenz geht es im Gegensatz zu Machine Learning und Deep Learning nicht mehr um die Automatisierung von Lernprozessen, sondern um die Schaffung von neuen Inhalten. Ein weiterer zentraler Unterschied zu anderen Formen von KI ist die direkte Mensch-KI-Interaktion mithilfe von Sprache und Bildern auf einer Bedienungsoberfläche, die jedermann bedienen kann, weil sie nicht mehr die Beherrschung von bestimmten Codes oder einer bestimmten Syntax verlangt.
Das erklärt auch den großen Erfolg von Plattformen wie ChatGPT, die in der Lage sind, eine Vielzahl von scheinbar menschlichen Tätigkeiten eigenständig durchzuführen. Die Technologie dahinter beruht aber rein auf Statistik. ChatGPT kann nicht nachdenken oder kreativ sein wie ein menschliches Gehirn. Es sammelt einfach Unmengen an Daten.