Sonntag, Dezember 22, 2024
»Unsere Teams wissen selbst am Besten, wie sie arbeiten wollen.«
Reto Pazderka will mit adesso auch von Graz aus die heimische Industrie mit Digitalisierungsservices ansprechen. (Bild: adesso)

adesso adressiert Kunden in der öffentlichen Verwaltung, Industrie und Finanzwirtschaft. Geschäftsführer Reto Pazderka spricht über das Wachstum des Digitalisierungsdienstleisters im Portfolio und neue Standorte in Österreich.

Titelbild: Reto Pazderka will mit adesso auch von Graz aus die heimische Industrie mit Digitalisierungsservices ansprechen. (Credit: adesso) 

Welche Erwartungen haben Sie für das laufende Geschäftsjahr? Wie geht es adesso in Österreich?

Reto Pazderka: Trotz der besonderen Herausforderungen der Pandemie und ihren Folgen hatten wir in den vergangenen vier, fünf Jahren stets unsere Ziele erfüllt und rund 20 Prozent Wachstum im Jahresdurchschnitt. 2022 hat adesso Austria knapp 16 Millionen Euro Umsatz gemacht. Das entspricht ebenso unserem Wachstum in der Mitarbeiterzahl auf mittlerweile über 100 »adessi«. Uns ist wichtig, trotz des Tempos gesund und profitabel zu bleiben. Unser Zielkorridor für die EBIT-Marge ist zwischen acht und zehn Prozent, den haben wir auch 2022 gut getroffen.

Sie haben im Vorjahr einen Standort in Graz eröffnet. Ist das Wachstum in Mitarbeiter*innen vor allem durch die Präsenz in der Steiermark gegeben?

Pazderka: Es waren beide Standorte involviert, Wien und Graz – wobei wir uns natürlich am neuen Standort besonders bemüht haben. Während neue Mitarbeiter*innen in Wien auf einen laufenden Betrieb mit entsprechenden Teamstrukturen stoßen, haben wir in Graz zunächst mit dem Standortleiter Robin Vorauer begonnen und sind bis Ende 2022 auf ein Team von acht Leuten gewachsen. Geholfen haben uns hier sicherlich sehr flexible Homeoffice-Regelungen und die standortübergreifende, gemeinsame Arbeit.

Aber wir haben gesehen: Gerade beim Aufbau eines Standorts sind auch Räumlichkeiten vor Ort wichtig. Bislang in einem Shared-Space in der Grazer Innenstadt eingemietet, wird adesso Anfang Juli ein eigenes Büro mit 400 Quadratmetern Größe im neuen Smart Tower beziehen, in unmittelbarer Nähe des Grazer Hauptbahnhofs. 

Welches Konzept des hybriden Arbeitens hat sich nach den Pandemiejahren aus Ihrer Sicht gut durchgesetzt?

Pazderka: In der IT-Branche ist das Konzept des fixen Arbeitsortes in den Hintergrund getreten, dennoch haben die meisten Unternehmen Regeln für eine bestimmte Anzahl an Bürotagen eingeführt. Ich glaube, dass es schwer ist, sie einzuhalten. Bei uns gibt es keine allgemeine Verpflichtung, ins Büro zu kommen. Wir haben nach wie vor einen intensiven Homeoffice-Anteil.#

Die Anwesenheit in den Projekten wird den jeweiligen Projektteams in Eigenverantwortung überlassen, die ja selbst am besten wissen, wie sie arbeiten wollen. Natürlich sind alle eingeladen, ins Büro zu kommen, und es haben sich auch gewisse gemeinsame Teamtage vor Ort etabliert. Aber wir geben nicht denselben Rhythmus für alle vor. Auch unsere Kunden sind hier sehr unterschiedlich aufgestellt, wir müssen uns dem natürlich anpassen. 

Wie ist dabei das Onboarding von Mitarbeiter*innen gestaltet?

Pazderka: Das ist ein wichtiges Thema. Wir bemühen uns, bereits in den ersten Arbeitstagen den Erwartungen zu entsprechen, die nach den Vorgesprächen unsere neuen Mitarbeiter*innen an uns haben. Sie bekommen einen »Buddy« zur Seite gestellt – Kolleg*innen, die teilweise aus völlig anderen Aufgabenbereichen kommen.

adesso hat für den Onboarding-Prozess eigens eine App entwickelt, die vor allem auf administrative Themen eingeht. Diese Prozesse müssen aber auch gelebt werden, worauf wir beim Begleiten unserer neuen Kolleg*innen eingehen. An sogenannten Onboarding-Tagen hat man dann auch die Möglichkeit, die Geschäftsführung in einem ausführlichen Gespräch persönlich kennenzulernen. Wir legen großen Wert auf einen guten Umgang miteinander.

Ich denke, ganz aussagekräftig ist, dass manche bereits nach wenigen Monaten an Bord selbst Buddies für Neue sein wollen – und das auch tun. Sie kennen vielleicht nicht jedes Detail des Unternehmens, fühlen sich aber bereits als Teil davon. Das Onboarding ist eigentlich eine der schönsten Aufgaben bei uns geworden. Wir bekommen gutes Feedback, verbessern uns aber auch ständig. 

In welchen Segmenten ist adesso in Österreich tätig? Wie geht es Ihren Kunden?

Pazderka: Wir haben einen großen Schwerpunkt im Public Bereich mit über 50 Prozent unseres Geschäfts mit öffentlichen Auftraggebern. Zu unseren Kunden zählen ebenso Versicherungen und seit der Eröffnung des Standorts Graz im Jahr 2022 auch die Industrie. Es ist ein stabiles Geschäft, doch eine große Hurra-Stimmung merken wir in diesen Segmenten nicht. Momentan herrscht eine gewisse Zurückhaltung. Als IT-Dienstleistungsunternehmen haben wir auch mit der kollektivvertraglichen Anpassung der Gehälter die Herausforderung, das einzupreisen. Wir gehen jedenfalls mit einem gesunden Respekt vor dieser Situation ins laufende Jahr.

Sorgen müssen wir uns mit unserem breiten Leistungsportfolio aber nicht machen. Wenn die anderen Quartale so gut laufen, wie das erste, bin ich hochzufrieden. Als Dienstleister passt man sich ohnehin der jeweiligen Situation an und vor allem der öffentliche Bereich ist immer noch krisenfest in Österreich. 

Welchen Digitalisierungsbedarf hat die Verwaltung, auch in Hinblick auf eine kommende Personalknappheit in den nächsten Jahren?

Pazderka: Der Bedarf ist weiterhin groß, in Richtung moderne Services für Bürger*innen und Unternehmen, bei den künftig knapperen Personalressourcen, aber auch – und das halte ich für sehr wichtig – für die Attraktivität als Arbeitgeber. Der Public Bereich bietet fachlich total spannende Projekte, die wertvoll für die Gesellschaft sind. Talente finden bei uns beides: Wir bieten als Partner und Dienstleister für öffentliche Institutionen das ideale Umfeld in einer fokussierten Technologiebranche mit Projekten zum Wohle der Allgemeinheit.

Davon profitieren dann auch die Behörden oder auch Banken. Sie können gemeinsam mit uns Dinge umsetzen, die sie vielleicht aus dem Tagesgeschäft heraus nicht stemmen würden. Eine in den Prozessen effiziente, bürgerfreundliche Umsetzung von etwa einem Heizkostenzuschuss oder die Beantragung von Pflegegeld – das hat einen echten Mehrwert für alle. Besonders profitiert adesso von geteilten Ressourcen. Unser Ansatz, auf Fachkräfte und deren Skills im Verbund unserer Unternehmensgruppe zurückgreifen zu können, wird auch in Zukunft gefragt sein. 

Welche Projekte setzt adesso für Industriekunden um? Mit welchen Produkten und Dienstleistungen sehen Sie hier Ihr Unternehmen gut für die nächsten Jahre aufgestellt?

Pazderka: Das geht in zwei Richtungen. adesso ist in Deutschland ein großer Player in den Sparten Automotive und Manufacturing. Wir können mit diesen Referenzen und Erfahrungen auch auf österreichische Kunden zugehen. Nachgefragt werden typische Industriethemen wie Produktionssteuerung oder digitalisiertes Variantenmanagement im Automobilbau, die wir dann gemeinsam mit den Expert*innen von adesso SE adressieren. Kunden erwarten heute maßgeschneiderte Lösungen für ihre immer komplexer werdenden Anforderungen. Das gilt im Consumer-Bereich genauso wie für das B2B-Segment, wo speziell angefertigte Komponenten, Maschinen und Produktionsanlagen gefordert sind.

So hat adesso einen großen Getriebehersteller in Deutschland bei der Digitalisierung der Workflows rund um Anfrage, Produktkonfiguration, Preisfindung, Angebot, Kundenauftrag, Bestellung, Einzelteilfertigung, Montage, Auslieferung, Inbetriebnahme und Service unterstützt. Das geht in die zweite Richtung unserer Tätigkeiten: Wir sind ein klassischer IT-Dienstleister für Kunden in allen Wirtschaftsbereichen, mit unseren Skills zu Rollen wie Scrum Master, Product Owner, Fachleute für Requirements Engineering und Softwareentwickler*innen. In der Industrie haben wir erste große Referenzkunden in Österreich gewinnen können, die wir allerdings noch nicht nennen dürfen. 

Wie geht es mit dem Wachstum von adesso in Österreich weiter?

Pazderka: Wir planen, Ende des Jahres einen weiteren Standort in Linz zu eröffnen. Es ist für uns nach Wien und Graz der nächste logische Schritt für eine lokale Präsenz nahe an Kunden und auch Mitarbeiter*innen. In Oberösterreich werden wir vor allem die Industrie, den öffentlichen Bereich und den Bankenbereich adressieren. Dazu erweitern wir gerade unser Branchenportfolio für das Bankensegment. adesso hat bereits Kunden hier, aber noch keinen dezidierten Schwerpunkt in den Angeboten.

Wenn wir in Linz bis Ende des Jahres organisch fünf, sechs Mitarbeiter*innen für unser Team gewinnen können, wäre unser Ziel für heuer erfüllt. Hier sind wir mitten in der Vorbereitungsphase, sondieren vertrieblich und auf Recruiting-Ebene und knüpfen Kontakte. Auch das Büro in Linz wird zunächst in einem geteilten Office-Bereich zu finden sein, wir wollen dann aber so schnell wie möglich eigene Räumlichkeiten eröffnen. Bei allen Veränderungen in einer hybriden Arbeitswelt sind unsere Standorte ein Teil unserer Identität. Sie bleiben wichtige Orte für Begegnungen.

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