Es ist mehr ein Annähern, als Verstehen, spricht Alexander Glätzle von der Forschung rund um Quantentechnologien. Mit planqc will der gebürtige Tiroler von München aus Anwendungen für die Wirtschaft bauen, die eine neue Ära des Computing einleiten werden.
Titelbild: Das Gründungsteam von planqc: Sebastian Blatt (CTO), Alexander Glätzle (CEO) und Johannes Zeiher (Principal Scientist).
Sie war im Vorjahr die erste Ausgründung des Standorts »Munich Quantum Valley«, um Quantentechnologie aus dem Forschungsbereich des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik auf eine kommerzielle Ebene zu heben. In dem Unternehmen planqc setzt man auf einzelne Atome, die mit großer Präzision gekühlt, eingefangen und bearbeitet werden. »Wenn man weiß, wo sich das Atom im Raum genau befindet, kann es über einen Laser manipuliert werden – zum Beispiel, um eine logische Null oder Eins abzuspeichern«, erklärt Alexander Glätzle, Co-Founder und CEO von planqc. Er verändert mit einem hochpräzise gebündelten Lichtstrahl den Spin von Elektronen. Dreht sich das Elementarteilchen nach links, nimmt es einen Wert ein, dreht es sich nach rechts, einen anderen Wert.
Neuer Level
Die Physik herkömmlicher Leiterplatten- und Mikrochip-Technologie kommt mit den möglichen Leistungen und dem Platzbedarf an ihre Grenzen. In den vergangenen Jahren wurden unterschiedliche Technologien entdeckt, um die Disziplin Computing vielleicht für alle Zeit zu verändern. Alle Verfahren eint, Schaltkreise auf eine noch kleinere Ebene zu reduzieren, auf atomaren Level in Gitterstrukturen – Qubits genannt.
In München wird seit Jahren an einem Verfahren geforscht, bei dem Atome in einem dreidimensionalen Lichtkristall gefangen und anhand der Intensität von Lichtstrahlen manipuliert werden. Strontium wird in einem »Ofen« aufgeheizt und verdampft, die Teilchen werden von einer Anfangsgeschwindigkeit von 200 Metern pro Sekunde in mehreren Schritten auf wenige Zentimeter pro Sekunde gebremst. Für jeden Rechenschritt wird der »Array« geladen, um die Atome in den Tälern des Lichtwellenrasters des Lasers – einer so genannten Stehwelle – anzuordnen. Nach dem Rechenschritt wird das Licht abgedreht und die Vakuumkammer entleert, der Prozess beginnt von neuem; vollautomatisch auf Knopfdruck, in einer Dauer von wenigen Millisekunden. Auf diese Weise werden auch künftige Quantenrechner gebaut werden und funktionieren, erklärt Glätzle.
In München wird an den Computingtechnologien der Zukunft gebaut – mit gebündeltem Licht werden Atome in Gattern angeordnet.
Renommierte Forschungseinrichtungen wie das Max-Planck-Institut und ihre institutionellen Partner haben getreu ihren Statuten aktuell keine Möglichkeit, ihre Erfindungen zu kommerzialisieren – nicht einmal in gemeinsamen Projekten mit der Industrie. Glätzle will mit den planqc-Gründungspartnern Sebastian Blatt und Johannes Zeiher, die selbst in leitenden Funktionen am Max-Planck-Institut tätig sind, diese Lücke füllen und beispielsweise Fahrzeugherstellern den Zugang zu Quantensimulatoren verschaffen.
»Wir tragen die Technologie in die Wirtschaft, bieten ein ›Testbed‹ und dienen auch als Plattform für weitere Entwicklungsarbeiten«, betont der Forscher, der zuvor in Oxford studiert hat. planqc agiert als eigenständiges Unternehmen, sieht seine Zukunft aber in einer engen Kooperation für die Nutzungsrechte an der Technologie – über einen Vertrag zur »Intellectual Property« (IP). Mit dem Standort Gaching ist planqc in unmittelbarer Nähe zum Münchener Insitutscampus. »Diese Synergie ist für uns extrem wichtig. Allein die Labors, die auf ein Zehntelgrad präzise klimatisiert werden können, kosten eine Riesensumme. Ein Start-up könnte das kaum auf eigene Faust stemmen«, weiß der gebürtige Tiroler.
Nahe an Weltspitze
Für die Qubits, mit denen Nullen und Einser abgespeichert werden, setzt man in München auf das Element Strontium. Es wird bereits seit Jahrzehnten in den weltweit präzisesten Atomuhren verwendet. Es ist in seinem Aufbau und Wechselwirkungen extrem stabil und kohärent. Quanteneffekte können damit für rund eine halbe Minute aufrechterhalten werden – das ist auf einer atomaren Skala vergleichsweise lange.
Der Forscher bringt ein anschauliches Beispiel, das in seiner Dimension menschlich trotzdem kaum zu fassen ist: Hätte man zwei Strontium-Atomuhren zu Beginn unseres Universums gestartet, wären sie heute – gut 14 Milliarden Jahre später – lediglich eine Sekunde außer Takt. Auch Quantensensoren, ein weiteres Feld einer wohl bald boomenden Quantenwirtschaft, werden damit gebaut werden. Zieht man benachbarte Strontium-Teilchen nur einen Millimeter auseinander, lässt sich aufgrund ihrer Sensitivität bereits ein Gravitationsunterschied messen. Damit werden sich Schwankungen im Erdmagnetfeld beispielsweise in der Ölindustrie oder in anderen Industrien messen lassen, um Lagerstätten im Boden zu orten.
Am Max-Plank-Institut wird aktuell ein Labordemonstrator in der Größe von 20 Qubits gebaut. »Die Zahl der Qubits ist aber nur ein Faktor beim Erfolg von Quantenrechnern, man muss auch auf die Qualität der Gatter achten«, erläutert Glätzle. In München wird zunächst eine »Gatter-Fidelity« von 99,5 – zwei Jahre später, 2026, eine Größe von 400 Qubits mit einer Vitalität von 99,9 – erreicht werden. »Und das wäre dann schon sehr nah an der Weltspitze«, ist der Forscher überzeugt.
Natürlich vorkommend
IBM hat aktuell einen Quantencomputer vorgestellt, der 400 Qubits schafft – über die Gatterqualität gäbe es aber noch keine seriösen Aussagen. Der Forscher vermutet, dass die Qualität, die man selbst 2026 anpeilt, heute noch nicht erreicht werden kann. IBM und andere arbeiten mit einer Quantentechnologie, die auf Supraleitung und künstlichen Qubits basiert.
Dabei werden makroskopische Objekte auf kritische Temperaturen heruntergekühlt. Im Phasenübergang verhalten sich Objekt und Ströme im Inneren einem Qubit-Modell ähnlich. »Bei unserer Technologie müssen wir diese Qubits nicht extra fertigen und wir arbeiten bei Zimmertemperatur. Mit Strontium haben wir auch eine Qubit-Basis, die direkt in der Natur vorkommt«, erklärt er. Die Herausforderung für das planqc-Team liegt vielmehr im Bau der Geometrie des Gatters und in der Kontrolle der Datenpunkte mittels Laserimpulsen.
planqc-CEO und CO-Gründer Alexander Glätzle (links): »Wir tragen die Technologie in die Wirtschaft.«
Welche Leistungen können nun künftig von Quantencomputern erwartet werden? Als Quantenteilchen können Qubits verschränkte Zustände einnehmen. Es ist diese Ressource, die diese Technologie so besonders macht. Verschränkt bedeutet, Korrelation von Atomen über Raum und Zeit hinweg. Würde der Zustand von Atom A auf der Erde aufgrund einer Messung verändert werden, hätte dies augenblicklich – Physiker*innen sprechen von »instantan« – eine Auswirkung auf Atom B, beispielsweise auf dem Mars. Das Phänomen wird seit Einsteins Relativitätstheorie theoretisch diskutiert. Dass nichts schneller als Licht sein kann, hat die Verschränkung von Atomen nun widerlegt. Auch Nobelpreisträger Anton Zeilinger wurde für Forschung rund um diesen Effekt ausgezeichnet. Aber die Wissenschaft steht trotz der ersten Erkenntnisse an einem Anfang.
Ein Ergebnis aus den nächsten Jahrzehnten Forschungsarbeiten könnte ein besseres Verständnis sein, wie unser Universum aufgebaut ist. »Wenn jemand behauptet, Quantenmechanik verstanden zu haben, dann hat er sie definitiv nicht verstanden«, zitiert Alexander Glätzle den früheren MIT-Physiker Richard Feynman. »Wir Menschen tun uns damit schwer. Es fehlt die Sprache, Quantenvorgänge zu beschreiben«, gibt der Österreicher zu. Doch stünde Quantenmechanik auf einem soliden mathematischen Gebäude. »Mit Mathematik lässt sie sich beschreiben. Sie ist die Grundlage für die Quantenrevolution, die nun auch die Anwendungen bringen wird.«
Neben Verschlüsselungstechnologien und allgemeinen komplexen Simulationen, die große Rechenleistungen erfordern, ist für den planqc-CEO vor allem Materialforschung ein Gebiet, das von Quantencomputing profitieren wird. Moleküle und ihr Verhalten in unterschiedlichsten Zuständen exakt zu beschreiben – dazu sind die größten herkömmlichen Rechner noch nicht in der Lage. Mit der neuen leistungsfähigen Technologie wird es möglich sein, neue Medikamente oder Materialien wie etwa für Batterien nahezu unbegrenzt simulieren zu können. So werden ideale Lösungen möglich, perfekte Materialen.
(Bilder: Dirk Bruniecki)