Mittwoch, November 20, 2024

Als einer der größten IT-Berater und -Anbieter im deutschsprachigen Raum ist msg Plaut an vorderster Stelle bei der Entwicklung von Digitalisierungslösungen in der Wirtschaft und Verwaltung. Österreich-Geschäftsführer Georg ­Krause spricht über Erwartungen für die nächsten Jahre und ­IT-Themen, die nun in Europa adressiert werden.

Welche Marktentwicklung gab es für die IT-Branche im vergangenen Jahr in Österreich?

Georg Krause: Obwohl das letzte Jahr für die Wirtschaft generell sehr durchwachsen war, war es für die IT-Branche trotzdem in Summe erfolgreich. Auch wir haben in Österreich ein sehr starkes Wachstum gesehen – sowohl bei msg Plaut aber auch am gesamten IT-Markt. Gab es noch eine Delle in der Nachfrage im zweiten und dritten Quartal, sind die Unternehmen im vierten Quartal fast wieder in einen Normalbetrieb gegangen. msg Plaut ist 2022 in Österreich um fast 30 % gewachsen.

Wie ist der Ausblick für Ihr Unternehmen für heuer?

Krause: Wir haben natürlich entsprechend vorsichtig geplant, da es viele Unwägbarkeiten und hohe Risiken gibt. Doch hat sich im Jänner bereits eine enorme Dynamik gezeigt. Bei den Kunden tut sich unüblich viel – man hat das Gefühl, dass sich nach einer Phase der Zurückhaltung wieder einiges bewegt. Wir haben viele Anfragen und Gespräche über große Vorhaben bei den Kunden. Eigentlich ist das für Anfang eines Jahres untypisch, da in der Vergangenheit oft vieles im vierten Quartal entschieden und Projekte dann bis in das zweite Quartal abgearbeitet worden sind.

Wurde in den Unternehmen zugewartet, große Entscheidungen noch im Herbst zu treffen?

Krause: Die Gründe waren sicherlich die Gesamtsituation mit der Inflation und mit den Lieferengpässen. Das hat sich spürbar gelockert, es sind auch die Energiepreise wieder deutlich gesunken. Bei Gas haben sie teilweise wieder Vorkrisenniveau erreicht. Mit dem Ende der Covid-Restriktionen in China sind die Häfen für Lieferungen wieder frei. Wir hatten bereits in der ersten Jännerwoche Steigerungen im Verkauf, wie wir sie seit 15 Jahren nicht gesehen hatten. Auch der deutsche Branchenverband Bitkom hat eine aktuelle Umfrage bei seinen Mitgliedern veröffentlicht, die von einem durchwegs großen Optimismus für 2023 berichtet. Derzeit sehen wir bei keiner Branche, in der die Kunden der IT-Unternehmen tätig sind, größere Einbrüche. Natürlich kann sich das auch wieder schnell drehen – wir alle kennen die Unwägbarkeiten. Wenn das Jahr aber so weitergeht, wie es begonnen hat, schaut es ganz gut aus. 

In welchen Bereichen ist msg Plaut besonders stark in Österreich?

Krause: Wir sind grundsätzlich ein produktbasiertes IT-Beratungshaus. Wir bieten sowohl eigene Softwareprodukte und Lösungen, aber auch Partnerlösungen, unabhängige SAP-Beratung und individuelle Entwicklungsleistungen. Als umfassend tätiger IT-Dienstleister fokussieren wir vor allem auf den öffentlichen Bereich, auf die Industrie und den produzierenden Bereich – und auf Unternehmen in der Sparte Financial Services: Banken und Versicherungen. Wir bieten seit vielen Jahren Softwareprodukte für den Kern von Versicherungslösungen. Viele der großen deutschsprachigen Versicherungsunternehmen setzen auf msg Plaut in der technischen Abwicklung und bei der Entwicklung von Portalen und Applikationen. Im öffentlichen Bereich sind wir stark in der Beratung bei IT-Projekten mit Kunden wie dem BRZ und gehen hier mit unserer Tochtergesellschaft Repuco auch in die inhaltlich Beratung von Stakeholder-Prozessen in Ministerien, von Entwicklung und Konzeptionen mit Themen wie elektronische Identitäten und Ähnlichem.

Welche Themen adressieren Sie in der Industrie?

Krause: In den Unternehmen dort rollt derzeit die Welle der Umstellung auf SAP S/4HANA. SAP hat auch seine Cloud-Angebote in den letzten Jahren stark nachgebessert, Cloud-Lösungen sind für viele Unternehmen gerade auch mit dem Umstieg auf S/4 sehr attraktiv geworden. Darüber hinaus haben wir spezialisierte technische Berater für Automotive für Safety und Security. Das Thema dort ist die Entwicklung von autonomen Systemen in den Autos, meistens in der Kombination von Software- und Hardwaresystemen. Dazu gibt es eine große Expertise in unserem Haus, Teams mit speziellen Zertifikaten für unterschiedlichste sicherheitsrelevante Themenfelder.  Aber im Zentrum aller unserer Projekte seht eine am Menschen orientierte Digitalisierung. Das heißt: Lösungen und Prozesse sollen nicht nur um der Digitalisierung willen umgesetzt werden, sondern wirklichen Mehrwert für die Endkunden, die Anwender bieten. Wir wollen einen Beitrag für die Gesellschaft, für ein besseres Leben der Menschen leisten. 

Wie gestaltet sich dieser Zugang konkret im Projektgeschäft?

Krause: Ein gutes Beispiel ist eine Zusammenarbeit mit den Sozialversicherungen rund um eine App für Diabetiker, mit der chronisch kranke Menschen ein selbstbestimmtes Leben führen können. Ein andere Arbeit betrifft autonomes Fahren, um Unfälle und damit auch Verkehrstote künftig wesentlich zu reduzieren. Bei den Projekten Gaia-X und Ö-Cloud unterstützen wir die digitale Souveränität des Wirtschaftraums Europa, um unabhängiger von möglichen Krisen zu werden, die künftig vielleicht aus Asien oder den USA drohen könnten. Definitiv steht hier nicht der Profit für die IT-Wirtschaft im Vordergrund, sondern die Versorgungssicherheit und Lebensqualität der Menschen.

In welcher Weise sehen Sie hier insbesondere die IT-Branche gefordert?

Krause: Ich bin fest davon überzeugt, dass es notwendig ist, die gesellschaftlichen Vorteile der Digitalisierung bewusst zu machen. Solche Projekte haben einen hohen Stellenwert und damit macht auch die Arbeit mehr Spaß. Auf der anderen Seite gibt es auch immer wieder Dinge, bei denen wir als Unternehmen eben auch nicht mitmachen. Blicken Sie auf die geopolitischen Blöcke USA oder Asien. Die Digitalisierung hat sich sicherlich auch dort in gutem Glauben entwickelt, doch ist sie mit der Kontrolle von Inhalten durch einzelne Unternehmen oder durch die staatliche Überwachung von Bürgern teilweise aus dem Ruder gelaufen. Wir versuchen, in Europa einen anderen Weg zu gehen.

Unternehmen wie OpenAI unterstreichen die weitreichenden Konsequenzen durch die Digitalisierung und künstliche Intelligenz für unsere Wirtschaft und Gesellschaft. Wir alle werden viel bewusster auf ethische Normen, Werte und mögliche Risiken schauen müssen. In einem Strategie-Workshop gemeinsam mit dem Digitalisierungsministerium haben wir vor rund vier Jahren gemeinsam mit mehr als 250 Menschen aus der Wirtschaft und Wissenschaft Zukunftsszenarien für das Jahr 2050 diskutiert.

Eines der Kernergebnisse war die Erkenntnis, dass wir uns überlegen müssen, wie unser gesellschaftliches System auf Basis der Digitalisierung aussehen soll. Wird es ein an Firmen orientiertes System sein, wie es heute in den USA der Fall ist, wo die Macht der Digitalisierung bei Unternehmen gebündelt wird, mit nur beschränkten Regelungen durch den Staat? Oder steuern wir auf eine Welt zu, in der der Staat diese Macht bei sich zentriert – also der Weg Chinas heute? Damals ist klar geworden: Wir müssen einen dritten Weg, einen europäischen Weg finden, bei dem die Bürger im Zentrum stehen. Dabei bestimmen weder der Staat noch einzelne Unternehmen, wie mit meinen Daten umgegangen wird. Ich habe das selbst in der Hand. Die Zeit ist gekommen, um das zu adressieren. 

Bürger*innen sollen selbst entscheiden können, wie mit ihren Daten umgegangen wird.

Was wird Gaia-X den heimischen Unternehmen bringen?

Krause: Wenn ein produzierendes Unternehmen heute mit den Daten aus seinen Maschinen arbeiten möchte, ist das oft nur schwer möglich. Oft sehen die Maschinenhersteller diese Daten als ihr Eigentum an und sorgen sich, gegenüber Konkurrenten allzu transparent zu werden. Gleichzeitig wäre es für den Hersteller spannend, anfallende Maschinendaten bei einem Kunden auch anderen zur Verfügung zu stellen – was heute ebenfalls nicht immer möglich ist. Mit Gaia-X wird eine technische Schicht eingezogen, die eine Weitergabe von Daten abhängig von Adressaten, Zeiträumen, etwaige Anonymisierung und vielen anderen Faktoren möglich macht. Daten können dann genutzt werden, ohne die Vertraulichkeit zu gefährden, indem sie zum Beispiel nicht kopiert werden können. Bei Gesundheitsdaten etwa ist es wichtig, Informationen über Medikamente und Wirkungen sammeln zu können, aber ohne dabei Personendaten auszuwerten. Daraus können dann auch neue Geschäftsideen entwickelt werden. Auch Anwendungen mit künstlicher Intelligenz leben davon, dass sie mit Daten gefüttert werden.

Mit dem System bleiben die Eigentümer von Daten Herr über diese, können Sie aber trotzdem dezidiert und begrenzt zur Verfügung stellen. Das beinhaltet auch die Unabhängigkeit von Cloud-Anbietern: Selbst wenn Daten auf Microsoft Azure oder bei Amazon Web Services gespeichert liegen, sind sie verschlüsselt vor Einsichtnahme sicher. Zudem ist damit auch ein Wechsel des Cloud-Anbieters einfach möglich. Und letztlich werden damit auch sogenannte Data Spaces ermöglicht, die länderübergreifend branchen- oder anwendungsbezogene Daten als Basis für Geschäftsmodelle bereitstellen – zum Beispiel Automotive, wo Deutschland eine führende Rolle in Europa einnehmen will. 

Wie ist der Zeitrahmen für Gaia-X?

Krause: msg Plaut ist beim Aufbau von Gaia-X in Europa involviert, wir begleiten diesen Prozess von Anfang an – einer unserer Kollegen hat in Deutschland sogar an dem ersten Whitebook dazu mitgeschrieben. Derzeit werden europaweit Use-Cases für Gaia-X entwickelt. Sie alle vereint der Nutzen und die Möglichkeit, Dateneigentum verantwortungsvoll zu gestalten. Doch gibt es hier keinen Schalter für den großen Marktstart, sondern es werden Stück für Stück Funktionalitäten zur Verfügung gestellt werden. 

Die IT-Branche plagt seit Jahren ein Fachkräftemangel. Wenn Sie nur eine Maßnahme nennen – wie könnten wir diesem Mangel am effektivsten begegnen?

Krause: Am schnellsten könnten wir den Pool von Arbeitskräften erweitern, wenn es uns gelingt, mehr Frauen in die MINT-Fächer zu bringen. Ich meine damit nicht nur Studienrichtungen, sondern auch berufsbegleitende Umstellungen. Österreich hat im EU-Vergleich einen enormen Aufholbedarf. In dem Programm Digital Decade hat die EU das Ziel von 50 Prozent Frauen in technischen Berufen gesetzt. Davor sind wir in ganz Europa noch meilenweit entfernt.

(Bilder: msg Plaut, iStock)

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