Dienstag, März 19, 2024
Assistenzsystem in U-Bahn-Stationen
Das Projektteam im Einsatz: Die smarte Brille identifiziert Hindernisse via Bilderkennung, zusätzlich wird eine Navigationshilfe zur Verfügung gestellt.

»Assisted Reality« zur Anwendung gebracht: In der Partnerschaft eines Technologiedienstleisters und der öffentlichen Hand wird eine Navigationslösung und Orientierungshilfe für Blinde und Sehbehinderte entwickelt und erprobt.

Der Technologiedienstleister Nagarro entwickelt aktuell in einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Wiener-Stadtwerke-Tochter Upstream Mobility einen Prototypen einer Indoor-Navigationslösung für den öffentlichen Raum. Die beiden Unternehmen forschen und arbeiten an einer Orientierungshilfe in U-Bahn-Stationen für NutzerInnen mit eingeschränktem Sehvermögen. Diese Hilfe erfolgt über »Smart Glasses« – im konkreten Fall der »Google Glass« –, die in dem Pilotprojekt auf Funktionalität und Massentauglichkeit getestet wird. Der Clou: Die smarte Brille identifiziert Hindernisse am Weg via Bilderkennung. Sehbehinderte werden dann über eine Ansage am Gerät gewarnt und angeleitet. Zusätzlich wird eine Navigationshilfe zu Points-of-Interest (POIs) in der unmittelbaren Umgebung der Nutzer­Innen zur Verfügung gestellt.

Die Frage, die das Projektteam von Nagarro und Upstream Mobility zentral beantworten möchte: Können Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen auf diese Weise mehr Bewegungsfreiheit und vor allem Sicherheit in den U-Bahnstationen und im öffentlichen Verkehr gewinnen? Über das wegweisende Projekt spricht Thomas Riedl, Managing Director Nagarro Österreich:

Report: Wie wollen Sie eine Orientierungshilfe mit Smart Glasses geben? Was wird in dem laufenden Projekt besonders gut gelöst?

Thomas Riedl: Wichtige Informationen werden im Sichtfeld des Smart-Glass-Trägers eingeblendet und für Blinde auch akustisch vermittelt. Dadurch werden die virtuelle und reale Welt auf einem Smart-Glass-Device zusammengeführt.
Im ersten Anwendungsszenario verwenden wir Smart Glasses für Sehende, Sehbehinderte und Blinde. Audio-Informationen und »Heads up«-Informationen, also Informationen, die im Sichtfeld der NutzerInnen eingeblendet werden, leiten sie durch die U-Bahnstationen.

Die Steuerung der Smart Glass erfolgt über Spracheingabe oder einer Touch-Funktion. Damit wird den NutzerInnen die aktuelle Position genannt und die verfügbaren Ziele und POIs zur Auswahl angeboten, wie zum Beispiel verfügbare Ausgänge, Cafés oder Notrufstellen. Blinde und sehbehinderte Personen werden über zusätzliche Audiokommentare zum gewünschten Ziel navigiert. Hindernisse wie temporäre Warnschilder werden von der Smart Glass via KI-unterstützter Algorithmen erkannt und über die Audiofunktion übermittelt. Die Datenbrille fungiert als virtueller Assistent für die U-Bahn-NutzerInnen und gewährleistet mehr Bewegungsfreiheit und erhöhte Sicherheit im öffentlichen Verkehr.

Report: Welchen Herausforderungen sind Sie bislang in der Umsetzung begegnet?

Riedl:
Bei der Nutzung von Navigationshilfen auf Smartphones können die Apps bereits auf umfangreiche Kartendaten zugreifen. Die Genauigkeit liegt je nach Lösung allerdings bei rund 10 bis 20 Metern Abweichung. Bei der Navigation in Innenräumen ist die Präzision laut den Herstellern besser. Theoretisch gibt es bereits Indoor-Positioning-Systeme, die Abweichungen von maximal weniger als zwei Zentimetern versprechen.



Bild: Thomas Riedl, Nagarro: »Das Projekt hat gezeigt, dass viel bereits machbar ist.«

Die erste Recherche bot schon einen guten Einblick, was wir am Ende in Händen halten sollten. Aber wie man weiß, liegt der Teufel im Detail. Da die Entwicklung einer solchen Lösung für uns alle Neuland war, haben wir auf ein agiles Vorgehen bei der Produktentwicklung gesetzt. Nach umfangreichen Tests der verfügbaren Technologien hat sich eine Kombination aus Smart Glass, Smartphone und BLE Beacons – eine integrierte Smart-Glass-Lösung mit Sprachausgabe – als erfolgversprechendste Lösung erwiesen.

Nach ersten Erfolgen in der Umsetzung gab es auch einige Herausforderungen, die uns Kopfzerbrechen bereiteten. Ein Dauerbrenner ist nach wie vor die akkurate Lokalisierung der aktuellen Position der Testperson auf dem Weg von A nach B. Wir haben zahlreiche Teststunden investiert, um das Zusammenspiel von berechneter Navigation und Identifikation der aktuellen Position zu verfeinern. Es hat sich gezeigt, dass sowohl die Indoor-Navigations-Komponenten der Zulieferer als auch das mitberücksichtigte magnetische Feld seine Tücken haben. An den Nachjustierungen haben wir bis zuletzt gefeilt.

Neben einer technischen Evaluierung galt es auch, gewünschte Funktionalitäten für unsere Zielgruppe zu konkretisieren. Welche Bedürfnisse, Wünsche und vor allem reale Hilfen könnten hier wirklich Erleichterung bringen? Aus technischer Sicht ist die Verfügbarkeit verlässlicher Partner und Technologien ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dieses Projekt hat gezeigt, dass heute vieles bereits machbar ist, allerdings noch einige Schritte zu einer veritablen Produktreife erforderlich sind.

Report: Was ist prinzipiell das Kerngeschäft von Nagarro? Wer sind Ihre Kunden?

Riedl:
Unsere Unternehmensschwerpunkte liegen auf den Bereichen agile Softwareentwicklung und Softwaretesting, Cloud-Technologien und Transformationsprojekte für Industrie-4.0-Lösungen.

In Österreich sind unsere Competence Center für Cloud-Lösungen sowie für Software Quality und Test Engineering beheimatet, die weltweit beratend und konzeptionell agieren.

Nagarro betreut Unternehmen weltweit. Im zentraleuropäischen Raum zählen zu unseren Kunden Andritz, GE Aviation, KTM, Lufthansa sowie lokale Marktführer wie A1 Telekom, Österreichische Post, Österreichische Bundesbahnen oder Verbund.



Hintergrund: Umsatzsteigerung nach Börsengang

Dank des breit gefächerten Stamms von 750 Blue-Chip-Kunden aus 50 Ländern und der Nachfrage nach digitalen Lösungen hat sich der Technologiedienstleister Nagarro trotz der Pandemie gut im Jahr 2020 behaupten können. Der Umsatz stieg von 402,4 Millionen Euro im Jahr 2019 auf 430,4 Millionen, was einer Ausweitung um 7 % entspricht. Das bereinigte EBITDA, eine Nicht-IFRS-Kennzahl, wuchs um 38 % von 55,0 Millionen Euro (2019) auf 76,2 Millionen Euro (2020). Nagarro setzte trotz des widrigen wirtschaftlichen Umfelds die Abspaltung vom Mutterkonzern Allgeier und eines eigenständigen Börsenlistings um. Am 16. Dezember 2020 erfolgte die Notierung der Nagarro SE im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse mit einer Erstnotiz von 69 Euro. Zu Redaktionschluss am 21. Mai 2020 stand sie bei 87,8 Euro.

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