Robert Absenger und Robert Öfferl bilden die neue erweitere Geschäftsführung des Bechtle IT-Systemhauses in Österreich. Sie sprechen über den aktuellen Geschäftsverlauf, ihre Erwartungen für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr und den anhaltenden Bedarf für sichere Homeoffice-Infrastruktur bei den Kunden.
Report: Wie ist das Geschäftsjahr 2020 bei Bechtle verlaufen?
Robert Absenger: Wir sind sehr stolz darauf, dass wir als Bechtle IT-Systemhaus zum wiederholten Male auch 2020 auf eine tolle Geschäftsentwicklung zurückblicken können. Wir hatten uns zu Beginn der Pandemie auf Kurzarbeit vorbereitet, diese aber keinen einzigen Tag in Kraft gesetzt – wir haben doch sehr bald gemerkt, als IT-Dienstleister mit einem entsprechenden Portfolio sehr gut vorbereitet gewesen zu sein. Wir sind im vergangenen Geschäftsjahr auf 139 Millionen Umsatz in Österreich gewachsen – mit einem rein organischen Wachstum von 14 Prozent oder 17 Millionen Euro.
Report: Was sind die Gründe für diesen positiven Verlauf?
Absenger: Neben dem typischen Systemhaus-Portfolio haben wir in den letzten zwei Jahren auf einige Fokusthemen gesetzt: Managed Services, Security, Managed Workplace und als viertes großes Thema der Bereich Cloud inklusive Collaboration. Alle diese Themen haben den Bedarf von Unternehmen in der Pandemie maßgeblich bestimmt. Arbeitsplätze mussten auch im Homeoffice gemanagt werden, Kunden benötigten verstärkt professionelle IT-Services, teils auch, weil sie nicht genügend eigene Fachkräfte verfügbar hatten.
Ich möchte aber auch betonen, dass unser Team vom ersten Tag an Hervorragendes geleistet hat und einen enormen Zusammenhalt gezeigt hat. Das Team war trotz aller Widrigkeiten bereit, Verantwortung zu übernehmen, und unsere IT-Spezialisten sind den Kunden kontinuierlich zur Verfügung gestanden.
Ein weiterer Grund ist unser guter Kundenmix in Österreich, mit einem großen Anteil im öffentlichen Sektor und unserer erfolgreichen Positionierung in der Pharmabranche und im Healthcare-Bereich. Das alles waren Marktsegmente, die unter Pandemiebedingungen mehr investiert haben. Marktbegleiter mit anderen Kundenstrukturen, die etwa in der Gastronomie und in der Hotelbranche verankert sind, hatten hier sicher mit erheblicheren Schwierigkeiten zu kämpfen.
Report: Bechtle hat sich jüngst sowohl im Mitarbeiterstand als auch mit einem weiteren Standort verändert.
Absenger: Aktuell sind wir auf dem Weg zu einer Größe von knapp 260 Mitarbeitenden und unternehmen mit dem weiteren Wachstum auch enorme Anstrengungen im Recruiting. Mit der Akquisition von dataformers als neue Tochterfirma mit zirka 55 Softwarespezialisten und dem Hauptsitz in Linz haben wir jetzt IoT-Programmierer als tolle Ergänzung zu unseren Systemhaus-Aktivitäten. Wir haben auch gleich am Standort unsere mittlerweile siebente Niederlassung in Österreich eröffnet. Wir sehen dazu auch ein enormes Potential mit der mittelständischen Industrie in Oberösterreich.
Mit Christian Bart haben wir einen Branchenprofi als Leiter der Linzer Geschäftsstelle und wir sind auch dabei, unser Team in der Technik und auch im Vertrieb weiter auszubauen. Und mit Robert Öfferl, unserem österreichweiten Vertriebsleiter, haben wir zu Jahresbeginn auch die Geschäftsführung im IT-Systemhaus verstärkt.
Report: Warum die erweiterte Geschäftsführung?
Absenger: Die Erweiterung der Geschäftsführung mit Robert Öfferl war von mir persönlich sehr forciert und gewünscht. Wir sehen gemeinsam die Verantwortung gegenüber unseren Beschäftigten, dass man bei einer Organisation von mittlerweile annähernd 260 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine zweite Geschäftsführer-Funktion braucht. Damit sind wir als Geschäftsführung jederzeit für Mitarbeitende und Kunden verfügbar.
Im Wesentlichen ist Robert Öfferl weiterhin Head of Sales. Er hat seine Teams dazu aufgebaut und kann nun einzelne Aufgaben abgeben. Damit wollen wir uns auch für das geplante weitere Wachstum aufstellen. Ich denke, es ist auch ein gutes Zeichen für unsere Mitarbeiter, dass hier nicht einer allein in eine Richtung marschiert. Prinzipiell sind wir gemeinsam mit unseren Dienstleistungsmanagern Stefan Panholzer und Peter Zednik ein vierköpfiges Geschäftsleitungsteam in Österreich, das Entscheidungen einstimmig trifft. Der Teamgedanke stand und steht hier im Mittelpunkt.
Report: Welche Erwartungen haben Sie für 2021?
Absenger: Wir wollen unsere Kunden weiter auf ihrem Weg der Digitalisierung begleiten. Maßnahmen wie die Investitionsprämie von 14 Prozent für Digitalisierungsprojekte, die zumindest bis Ende Mai verlängert worden ist, sind hier zusätzlich ein Hebel. Generell aber sehen wir das wachsende Bewusstsein von Unternehmen, in die Automatisierung und Digitalisierung investieren zu müssen – um nicht in ein oder zwei Jahren von ihren Marktbegleitern überholt zu werden.
Trotzdem schauen wir auch vorsichtig ins heurige Jahr, da die konjunkturelle Marktentwicklung in Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern eher nachhinkt. Man wird auch sehen, wie es um die Cashflow-Situation und Bonität bei vielen Unternehmen steht. Beides ist ausschlaggebend, um Investitionen tätigen zu können. Persönlich sind wir aber überzeugt, dass nichts gegen eine positive Unternehmensentwicklung spricht. Wir spüren allenthalben, dass uns nach 450 Tagen Pandemie und teilweise nahezu 100 Prozent Homeoffice die soziale Nähe abgeht. Es wird höchste Zeit, dass wir uns wieder häufiger persönlich treffen.
Robert Öfferl: Ich kann die Ausführungen meines Kollegen bestätigen. Ich erwarte ebenso ein hervorragendes zweites Quartal in der Geschäftsentwicklung und bin für die Zukunft optimistisch. Konjunkturell wird in Österreich vieles vom privaten Konsum abhängen. Dieser wird den wirtschaftlichen Aufschwung ab der zweiten Jahreshälfte in die eine oder andere Richtung noch beeinflussen können.
Report: Welche Auswirkungen erwarten Sie durch die Pandemie langfristig, auch hinsichtlich Office-Arbeitsplätzen?
Robert Öfferl: Es ist klar, die »alte« Normalität werden wir in dieser Form nicht mehr bekommen. Corona hat neben den enormen Herausforderungen, die mit der Krise einhergingen, auch einige wichtige Entwicklungen beschleunigt, die sich positiv auswirken werden. Viele Unternehmen haben den Mehrwert von Videokonferenzen schätzen gelernt, auch wenn diese nicht jedes persönliche Gespräch ersetzen werden. Wir erwarten, dass das Homeoffice gekommen ist, um zu bleiben.
Im Bechtle IT-Systemhaus Österreich werden wir künftig den Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben, auf jeden Fall zwei Tage pro Woche im Homeoffice zu arbeiten. Ich gehe davon aus, dass dies auch in anderen Unternehmern so sein wird. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Arbeitsweise. Zum einen wird es in den Unternehmen einen breiten Einsatz von Shared-Desk-Konzepten in den Büros geben, und auch die Security-Maßnahmen im Homeoffice werden verstärkt werden müssen. Man hat in den letzten Monaten gesehen, dass sich die Angriffsvektoren bei Homeoffice-Arbeitsplätzen deutlich verbreitert haben.
Technisch erwarte ich auch eine Integration von Telefoniesystemen in die Video-Kommunikationslösungen wie Microsoft Teams oder Cisco Webex. Man wird einen zentralen Client, ein zentrales GUI (Anm. »Graphical User Interface«) haben, das für den Großteil der Kommunikation dienen wird. Remote-Arbeit und auch ein zugehöriger Remote-Support wird in den unterschiedlichsten Bereichen der Wirtschaft bestehen bleiben – das ist etwas, das in IT-Unternehmen wie bei Bechtle von Technikern und Consultants seit Jahren erfolgreich praktiziert wird. Hier wird die Akzeptanz noch größer werden.
Das hybride Arbeiten hat für uns auch den Vorteil, Konzernressourcen noch besser und effizienter zum Einsatz bringen zu können. Deutlich mehr als die Hälfte unserer Mitarbeitenden in Österreich sind System-Engineers und Consultants. Gesamt stehen wir bei Bechtle mittlerweile bei über 5.000 Consultants und System-Engineers. Es wird künftig noch weniger eine Rolle spielen, ob ein Projektmitglied gerade in Wien, Graz, Innsbruck oder in einem unserer deutschen Systemhäuser tätig ist. Natürlich wird es in der Kundenbetreuung weiterhin einen Mix aus Vor-Ort- und Remote-Terminen geben, je nach Wunsch und Anforderung des Kunden.
Report: Welche Entwicklungen bestimmten aus Ihrer Sicht aktuell die IT-Infrastruktur-Strategien in den Unternehmen?
Öfferl: IT-Services sind heute bereits ortsunabhängig nutzbar und das wird sich noch weiter verstärken. Die Infrastruktur darunter ist im Idealfall effizient, sicher, kostenoptimiert und nachhaltig aufgebaut. Dort, wo dies sinnvoll ist, gibt es hybride Lösungen mit Infrastruktur »on premises« und in weiteren Bereichen auch in der Cloud. Die hybriden Konzepte bis zur vielschichtigen Multicloud und der Automatisierung im »Software-Defined Datacenter« werden auch Themen wie künstliche Intelligenz vorantreiben.
All dem muss ein ausgefeiltes IT-Security-Konzept zugrunde liegen. Dieses Thema ist seit Jahren auf der Agenda der CIOs ganz oben zu finden und durch Corona nochmals verstärkt worden. Wir haben es bei vielen unserer Kunden erlebt, die mit Cyberattacken konfrontiert waren. Auch Homeoffice-Arbeitsplätze müssen gesichert werden, etwa mit einem abgekapselten System über einen »Virtual Desktop«. Damit werden auch private Geräte der Endanwender abgesichert eingebunden, mit denen man dann auf ein Unternehmensnetz zugreifen kann.
Report: Welche Hersteller sind auf Virtual-Desktop-Lösungen spezialisiert?
Öfferl: Im Virtual-Desktop-Bereich haben wir »VMware Horizon«, »Citrix Virtual Apps & Desktops« und »Microsoft Windows Virtual Desktop« im Portfolio. Die Lösungen gibt es teilweise seit Jahren und wir sehen nun immer mehr Nachfrage nach »Virtual Desktop Infrastructure«.Vorteil für die Unternehmen ist, die Hardwareausstattung des Mitarbeiterarbeitsplatzes nicht mehr managen zu müssen. Man hat einfach die gekapselte Umgebung, die über einen sicheren Weg auch ohne VPN den Zugriff auf die Firmeninfrastruktur ermöglicht. Wenn dann der PC im Homeoffice von einer Malware betroffen wäre, ist nicht gleichzeitig auch das Firmennetzwerk kompromittiert.
Report: Was bieten Sie über herkömmliche IT-Lösungen hinaus für die Sicherheit von Unternehmensnetzen?
Öfferl: Wir haben in einer länderübergreifenden Kooperation im Bechtle Konzern Forensik-Experten und spezialisierte Teams für »Incident Response« aufgebaut. Diese bewahren auch im Falle einer Cyberattacke einen kühlen Kopf und führen die Kunden mit verschiedensten Maßnahmen für die Abwehr und Sicherung durch diese kritischen Situationen. Man darf nicht vergessen, dass es für Unternehmen, die erstmals mit einer solchen Situation konfrontiert sind, sehr schwierig ist, richtig zu reagieren. Hier unterstützen unsere österreichischen Kollegen auch Kunden in Deutschland, da wir mittlerweile sehr viel Know-how aufgebaut haben.
Was aktuell bei Bechtle noch geschieht:
Zusammenschluss der Marken ARP und Bechtle
Mit 1. Jänner 2022 führt Bechtle die Aktivitäten der Konzerntöchter ARP in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich unter dem Dach der »Bechtle direct«-Landesgesellschaften zusammen. Ziel ist, das IT-E-Commerce-Geschäft durch die Nutzung von Synergien und die Reduzierung von Komplexität weiter zu stärken. ARP wurde 1988 als Spezialist für Kabel und Steckerverbindungen in der Schweiz gegründet und entwickelte sich zu einem erfolgreichen E-Commerce-Anbieter von IT-Zubehör. Seit 2004 ist ARP ein Tochterunternehmen der Bechtle Gruppe und beschäftigt aktuell 348 Mitarbeitende. Sowohl das Produktportfolio wie auch die Kundenstruktur näherten sich in den zurückliegenden Jahren immer weiter an, sodass inzwischen eine Mehrmarkenstrategie von ARP und Bechtle direct zu keinen signifikanten Marktvorteilen mehr führt, heißt es. Unter dem Dach der Marke Bechtle direct bleiben weiterhin alle Mitarbeitende von ARP im Unternehmen tätig, auch die bisherigen Standorte der ARP bleiben bestehen. Damit wird in Österreich Bechtle direct nun auch mit Büros in Traun und Wiener Neudorf vertreten sein.