Office-Automation auf die nächste Stufe gehoben: Wie automatisierte Abläufe in der IT den Menschen am modernen Arbeitsplatz unterstützen können, war Thema einer Podiumsdiskussion am 9. Oktober in Wien.
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Wie Tools und IT-Plattformen „Robotic Process Automation“ liefern und dazu im Alltagsgeschäft unterstützen können, diskutierten bei dem Gespräch des Report Verlag ExpertInnen mit den Schwerpunkten IT-Entwicklung, KI, Organisation und User-Experience. Marc Pieber, Lead AI Strategy & Business Development bei Hatahet Productivity Solutions, demonstrierte die Erstellung und Funktionsweise eines effizienten Bot-Kollegen namens „AngeBOT“. Die anschließende Diskussion mit dem Publikum wurde durch Jürgen Leitner, Head of Delivery bei adesso Austria, Susanne Ostertag, Modern Workplace Spezialistin und Geschäftsgruppenleiterin bei Microsoft Österreich, sowie Johanna Ronay, COO von hackabu, ergänzt. Gastgeber der Report-Gesprächs war Microsoft, das in die Firmenzentrale am Wienerberg geladen hatte. Premium-Partner des Events war adesso.
Fazit: Automatisierte Prozesse am modernen Arbeitsplatz werden die Menschen bei repetitiven, stupiden Arbeiten entlasten. Der Einzelne sollte dadurch – zumindest am Papier – wieder für kreative, sinnvolle Tätigkeiten freigespielt werden. Dass Bot-Lösungen und teilautomatisierte Unternehmensprozesse nicht nur Zukunftsmusik sind, zeigen heute bereits Umsetzungen der IT-Branche bei Kunden. Dennoch muss der Mensch im Mittelpunkt der Lösungen bleiben, waren sich die DiskutantInnen einig. Und Technologie bringe stets einen Kulturwandel in der Kommunikation und Zusammenarbeit.
Bild: Marc Pieber, Hatahet AI: "Das klassische User-Interface wird künftig ganz verschwinden und von Spracheingabe ersetzt werden."
Statement von Marc Pieber, Lead AI Strategy & Business Development, Hatahet Productivity Solutions
"Bei Hatahet AI beschäftigen wir uns mit Lösungen in Verbindung mit Microsoft Sharepoint 2019 und teilweise auch mit künstlicher Intelligenz. Bot-Lösungen am Arbeitsplatz stehen zunächst für eine klassische Automatisierung beispielsweise bei der Erstellung und dem Verschicken von Angeboten. Dabei chattet die Anwenderin, eine Vertriebs- und Marketing-Mitarbeiterin, mit einem „AngeBOT“ über die Collaborationslösung Microsoft Teams. Dieser fragt Detailinformationen nach und generiert aus einer Vorlage ein PDF, das er auch gleich an ein E-Mail hängt. Der Bot übernimmt die Beschlagwortung von Dokumenten sowie deren Ablage. Ebenso sind in dem Prozess tiefergehende Informationen zu Stundensätzen, Adressen oder der Kundennummer verknüpft. Die Mitarbeiterin muss das Dokument dann vor dem Versenden nur noch überprüfen."
Was sind weitere Anwendungsmöglichkeiten, die daraus entstehen können? Wo würden sich Bots ebenfalls eignen?
"Tatsächlich gibt es viele Einsatzbeispiele. Im Bereich des Wissensmanagements könnte ein Bot-Assistent bei Fragen zum Arbeitsplatz unterstützen. Mit der Einbindung von Microsoft Cognitive Services bewegen wir uns dann bereits im Bereich Artificial Intelligence: Ich kann mit dem Assistenten wie mit einem Menschen chatten und erhalte jederzeit auch Unterstützung durch weiterführende Links, Schulungsvideos und verknüpften Informationen - was auch immer in meinem Unternehmen dazu vorhanden ist. Ein anderes Beispiel sind Chatbots im Kundenservice. Denn Kunden wollen am Sonntagnachmittag denselben Service, wie sie ihn auch unter der Woche gewohnt sind."
Werden automatisierte Prozesse Arbeitsplätze reduzieren? Welche weiteren Entwicklungen erwarten Sie hier?
"Definitiv ja und man darf sich bei dieser Diskussion kein Blatt vor den Mund nehmen. Auch der Bankomat hat Arbeitsplätze in einem Riesenausmaß abgeschafft. Es wird weitere Technologien geben, die diesen Trend fortsetzen. Künftig wird dies nicht nur einfache Automation, sondern sogar qualifiziertere Fähigkeiten in Berufssparten wie Juristen oder Mathematiker betreffen. Unterm Strich wird es sicherlich mehr Jobs geben – das hilft aber dem Einzelnen, weniger qualifizierten natürlich nicht.
Das klassische User-Interface wird künftig ganz verschwinden und von Spracheingabe ersetzt werden. Natürlich müssen wir uns, wenn wir von KI sprechen, auch Grenzen setzen. Bei der pränatalen Diagnostik, bei der Atomenergie oder Klontechnik ist dies ebenfalls notwendig und bereits passiert. Hier braucht es auch Kommunikation und Erklärungen auf Augenhöhe mit allen Mitarbeitern von Unternehmen – nicht nur mit den Technikern der IT-Abteilung."
Bild: Jürgen Leitner, adesso: "Unternehmen haben mit Digitalisierungslösungen die Effizienz im Vertrieb maßgeblich steigern können."
Statement von Jürgen Leitner, Head of Delivery adesso Austria
Wenn Sie uns aus Ihrer Erfahrung bei Kundenprojekten berichten wollen - welche Chancen bringen automatisierte Prozesse in der Arbeitswelt? Was bietet adesso dazu?
"Bei einem aktuellen Versicherungsprojekt, das wir gerade umsetzen, verändern wir die Dokumentenablage. Bislang wurden von den Fachbereichen Dokumente aus verschiedenen Quellen wie Scans und E-Mail manuell in einem Dokumenten-Management-System abgelegt. Diese Aufgabe ist zeitaufwendig und jedes Teammitglied erledigt diese Aufgabe nach seinen individuellen Vorstellungen. Wir haben nach der Erhebung dieser Prozesse mit einer intelligenten Input-Management-Lösung das Auslesen von Inhalten und Metadaten, die Ablagelogik und das Beschlagworten mit einer Maschine automatisiert. Algorithmen nehmen dem Menschen diese Arbeit ab. Sie führen zu einer Effizienzsteigerung und die Aufgabe wird in viel kürzerer Zeit erledigt. Das führt wiederum zu zufriedeneren Mitarbeitern, die somit mehr Zeit für wertvollere Tätigkeiten bekommen. Das Versicherungsunternehmen steckt mitten in einer Digitalisierungsreise und hat durch dieses Projekt Lust auf mehr bekommen. adesso bietet das gesamte Digitalisierungsspektrum an – von der Prozessanalyse bis zur Beratung und Umsetzung."
Welche Fragestellung stehen am Anfang eines Automatisierungsprojekts für den Arbeitsplatz?
"Wichtig bei einem Automatisierungsprojekt ist zuerst einmal die Überlegung, welche Prozesse eigentlich automatisiert werden sollen und welche Daten und Dokumente dazu im Unternehmen vorhanden sind. Dazu gehört die genaue Kenntnis der Prozesse und natürlich die direkte Einbindung der Kenner dieser Prozesse im Unternehmen. Wir als IT-Dienstleister können mit unterschiedlichen Methoden und Technologien unterstützen, sind aber auf die aktive Mitwirkung von Kundenseite angewiesen. Ein Grundgerüst für eine Bot-Lösung lässt sich auf jede erdenkliche Weise einsetzen. Auch auf Trainingserfahrung von maschinellem Lernen kann bereits aufgebaut werden. Wieviel Know-how hat ein Dienstleister in diesem Gebiet bereits? Hier müssen Unternehmen einfach auch den richtigen Umsetzungspartner finden."
Inwieweit sind KI-Lösungen, die heute bereits im Einsatz sind, ein Vorgeschmack auf die technischen Möglichkeiten in Zukunft? Und wie sieht es mit der Akzeptanz durch die AnwenderInnen aus?
„Vor der künstlichen Intelligenz kommt die menschliche Intelligenz. Wir sprechen heute meist noch von schwacher KI – von Systemen, die in der Lage sind, spezifische Aufgaben sehr gut abzuwickeln. Von einer starken Intelligenz sind wir auch im Forschungsbereich noch meilenweit entfernt. Ein Beispiel: Bei der Apo-Bank, der Deutschen Apotheker- und Ärztebank, haben wir ein System installiert, das auf Basis von Microsoft Cognitive Services unterschiedlichste Streams im Web auf Vertriebsmöglichkeiten prüft. Das System liefert Lead-Möglichkeiten in das Customer-Relationship-Management. Die Vertriebsmitarbeiter geben zu Vorschlägen Feedback und ermöglichen so eine kontinuierliche Verbesserung der Ergebnisse. Das Unternehmen hat die Effizienz im Vertrieb damit bereits maßgeblich steigern können. Mussten früher händisch Portale und News-Feeds im Netz auf passende Inhalte und Vertriebschancen durchsucht werden, passiert dies nun automatisch. Jeder weitere Lead, der dadurch generiert wird, führt zu noch mehr Akzeptanz durch die Mitarbeiter."
Bild: Susanne Ostertag, Microsoft: "Die Arbeit, die mir ein Bot abnehmen kann, will ich sowieso nicht machen."
Statement von Susanne Ostertag, Modern Workplace Spezialistin und Geschäftsgruppenleiterin bei Microsoft Österreich
"Wir sehen hier einen Kulturwandel am Arbeitsplatz und in Unternehmen. Mit der digitalen Transformation müssen die Mitarbeiter ihr Verhalten verändern - das bekanntlich nicht einfach ist. Wir glauben, dass dieser Wandel der Arbeitswelt mit verschiedensten Technologien gestützt und weitergetrieben werden kann. Das können in der Kommunikation automatisierte Helfer sein oder unterstützende Systeme bei der Suche nach Informationen - ein Riesenthema an jedem Arbeitsplatz. Mit intelligentem „Sharing“ können Dokumente nicht nur aufgrund von Schlagworten und Inhalten gefunden werden, sondern auch aufgrund ihrer Historie - an welcher Präsentation etwa zuletzt gemeinsam mit einer bestimmten Kollegin gearbeitet wurde. Collaborations-Tools integrieren bereits heute automatisierte Prozesse, intelligente Suchen und auch Datenanalysen. Im HR-Bereich können diese Werkzeuge bei der Auswahl geeigneter Mitarbeiter eingesetzt werden. Mit dem entsprechenden Datenmaterial im Hintergrund können automatisch auch Trainings und Weiterbildungsmaßnahmen empfohlen werden. Sogenannte „Data Insights“ helfen Organisationen prinzipiell bei der Optimierung von Ressourcen und auch Arbeitsplatzqualität - wenn etwa die E-Mail-Kommunikation einer Führungskraft am Sonntagabend auf eine schlechtere Work-Life-Balance bei den Mitarbeiten deuten kann.
Ein anderes Thema sind Reiseanfragen und Kostenabrechnungen, die zumindest bis zu einer gewissen Obergrenze automatisch abgewickelt werden können. In unserem Unternehmen haben wir monatlich bis zu 200.000 Anfragen, die automatisiert bearbeitet werden. Die HR-Abteilung kann damit jene Aktivitäten betreiben, für die sie eigentlich da ist: mit den Menschen zu sprechen. Das bringt nicht nur der HR etwas, sondern entlastet auch jeden, der eine Vereinbarung für einen Firmenwagen oder eine Reisekostengenehmigung ansucht."
Wie viele Mitarbeiter werden durch automatisierte Lösungen künftig eingespart?
"Ich habe diese Fragen in den letzten Jahren oft gehört. Tatsache ist, dass auch sehr große Unternehmen wie Microsoft trotz der technischen Entwicklung immer mehr Mitarbeiter haben. Wir werden sicherlich Arbeitsstellen verlieren, die Routinearbeiten beinhalten. En gros wird aber die Beschäftigung insgesamt steigen. Und ehrlich gesagt: die Arbeit, die mir ein Bot abnehmen kann, will ich sowieso nicht machen."
Bild: Johanna Ronay, hackabu: "Ich erlebe in meinem Unternehmen jeden Tag, wie Bots und automatisierte Prozesse bei der Arbeit helfen."
Statement von Johanna Ronay, COO von hackabu
Worauf sollte man beim Design und bei der Einführung von Technologieprojekten grundsätzlich achten? Wie erreicht man damit die Menschen am besten?
"Als Growth-Hacking-Agentur sind wir ein Partner für Unternehmen jeder Größe beim Experimentieren und schnellen Wachstum im digitalen Bereich. Im Marketing- und im Onlinebereich spielt Automatisierung mittlerweile eine große Rolle: Wie generiere ich Leads? Wie finde ich die richtigen Menschen und wie speichere ich Informationen dazu bestmöglich auch ab, um diese später nutzen zu können? Im Idealfall habe ich viele Daten, die ich in meinen Systemen ablegen muss. Ich erlebe in meinem Unternehmen jeden Tag, wie Bots und automatisierte Prozesse bei meiner Arbeit helfen. Gerade auch in kleineren Unternehmen helfen Onlinetools wie etwa Slack bei der Kommunikation und Zusammenarbeit – größere Firmen setzen oft noch gar nicht auf derartige Plattformen, die auch weiterführende automatisierte Prozesse einbinden.
Bei neuen Projekten sollte die Technologie aber nicht im Vordergrund stehen, sondern der Nutzen für die Anwenderinnen und Anwender. Mitarbeiter da auf dem aktuellsten Stand zu halten, ist sicher wichtig – ebenso das richtige Onboarding neuer Kollegen. Einfach nur zu sagen: ‚hier ist dein Schreibtisch, leg einfach los‘, ist sicherlich zu wenig. In der Entwicklung von Produkten und Lösungen müssen auf jeden Fall die Kunden möglichst früh ins Boot geholt werden, um auch die Auswirkungen der Technologie von Beginn an zu prüfen und Vorbehalten oder Ängsten entgegenzusteuern.
Die Kosten für die digitalen Tools sind meist nicht ausschlaggebend. Hier geht es eher um die richtige Wahl des für meinen Prozess, mein Unternehmen und meine Mitarbeiter passenden Werkzeugs. Der IT-Markt heute bietet eine Riesensumme an Tools für die Flexibilisierung des Arbeitsplatzes, die eine Übersicht kaum noch möglich machen. Hier braucht es heute mehr Vertrauen zu den Mitarbeitern, dass diese – auch wenn sie nicht die volle Zeit im Büro vorm Bildschirm sitzen – festgelegte Ziele erreichen und Aufgaben erledigen. Vom modernen Arbeitsplatz mit mehr Effizienz und Arbeitsqualität haben dann alle etwas."
Weitere Bilder: Rege Diskussion mit dem Fachpublikum, darunter mit dem Information-System- und Enterprise-Architekten Johannes Lischka ...
... Technologie-Expertin Petra Augustyn, OpenAI.com, zu ethischen Herausforderungen bei Lösungen im Bereich künstliche Intelligenz ...
.. sowie Berater und Coach Thomas Laszlo, der auf Menschen und Beziehungen (in Organisationen) reflekiert.