Samstag, Juli 20, 2024
Zerschlagt sie!
Foto: iStock

Internetriesen wie Google und Facebook kommt immer größere Macht zu – und die reicht tief in die Gesellschaft hinein. Zeit, im Sinne des Gemeinwohls zum Angriff überzugehen.

Es gibt kaum ein Entkommen. Facebook und Google, die zwei größten Internetriesen der Gegenwart, sind überall, egal, ob wir zu ihren Kunden zählen oder nicht. Längst ist der Einfluss von – je nach Lesungsart – cleveren oder missbräuchlichen Marketingmethoden auf demokratische Wahlen und ganze Gesellschaften spürbar, führen algorithmische »Optimierungen« zu Polarisierung und gesellschaftlicher Zersplitterung, haben Entscheidungen in den höchs­ten Ebenen dieser börsennotierten Konzerne Auswirkungen auf die gesamte Welt.

Ein Beispiel: Als Facebook etwa vor drei Jahren mit großem Getöse verkündete, den eigenen Analysen und Zahlen zufolge läge die Zukunft des Journalismus in Video-Content, vollführten Redaktionen und Verlage weltweit Verrenkungen, um dieser Zukunft gerecht zu werden. Drei Jahre, zahllose Kündigungen und schmerzhafte Umstrukturierungen später wird bekannt, was die meisten insgeheim aus eigener Erfahrung vermutet hatten: Video war und ist bei weitem nicht so begehrt wie damals behauptet. Die Zahlen von Facebook waren einfach falsch – und dank geheimer Algorithmen und marktbeherrschender Ausnahmestellung Facebooks unüberprüfbar.

Die Macht der Internetriesen geht über Informationsmonopole allerdings weit hinaus. Googles YouTube-Algorithmus liefert per Design immer extremere Videos aus, auch an Kinder und Jugendliche. Googles Chrome-Browser verknüpft sich ohne Nachfragen automatisch mit personalisierten Gmail-Profilen. Facebook verwendet »racial profiling«, um selektiv Werbung zu schalten und »verliert« regelmäßig hochsensible Daten seiner Milliarden Nutzer. Bewegungsprofile werden in Googles Android auch dann gespeichert und verwertet, wenn der Nutzer dies ausdrücklich verbieten will. Und, und, und.

Monopole schaden allen

Wenn einzelne Marktteilnehmer im Laufe der Geschichte überproportionale Marktmacht erlangten und Quasi-Monopole errichteten, zückten Staaten und Gesellschaften ein scharfes Instrument: Wiederholt wurden große, übermächtig scheinende Firmen, Konzerne und Technologieführer im allgemeinen Interesse zerschlagen und aufgeteilt – von großen Ölfirmen des 19. Jahrhunderts über historische Telefon- und Post-Monopole bis hin zur Entflechtung staatlicher Energie- oder Telekomunternehmen. Ziel dieser Zerschlagungen war stets die Vermeidung von Diskriminierungen, Quersubventionierungen und anderen Wettbewerbsverzerrungen – zum unmittelbaren Schaden der jeweiligen Monopolisten oder von deren Aktionären, aber zum Wohle der Gesellschaft.

Der Zeitpunkt ist gekommen, dieses Werkzeug auch gegen jene Internetriesen zu richten, die sich vor allem in den letzten Jahren als beispiellos lukrative, aber zunehmend gesellschaftlich schädliche Monopolisten erwiesen haben. Die Tech-Giganten Alphabet (Googles Mutterkonzern) und Facebook haben das zweifelhafte Kunststück geschafft, durch technologische Disruption sich in ihren jeweiligen Bereichen zum Teil historisch beispiellose Marktführerschaft und Lukrativität zu sichern – oft genug bei gleichzeitig ebenso historisch beispielloser Vermeidung von Steuern und Umgehung von nationalen Gesetzen.

Aktuell greifen die Internetriesen nach Banklizenzen, um ihr Geschäft noch zu verbreitern. Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, das Gemeinwohl wieder über die Interessen von Shareholdern dieser Riesen zu stellen. Denn Monopole schaden allen – außer den Monopolisten. Zeit, sie zu zerschlagen.

Meistgelesene BLOGS

Firmen | News
25. März 2024
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel und Künstliche Intelligenz (KI) spielt dabei eine entscheidende Rolle. Unternehmen weltweit erkennen zunehmend die Bedeutung von KI für ihre Produktivität und W...
Andreas Pfeiler
27. März 2024
Die Bundesregierung hat ein lang überfälliges Wohnbauprogramm gestartet. Ausschlaggebend dafür war ein Vorschlag der Sozialpartner, der medial aber zu Unrecht auf einen Punkt reduziert und ebenso inte...
Redaktion
09. April 2024
Die Baubranche befindet sich gerade in einem riesigen Transformationsprozess. Dabei gilt es nicht nur, das Bauen CO2-ärmer und insgesamt nachhaltiger zu gestalten, sondern auch Wege zu finden, wie man...
Firmen | News
27. Mai 2024
Die Zeiten, in denen man eine Bankfiliale besuchen musste, um sich über finanzielle Produkte zu informieren, sind längst vorbei. Heute, in einer Ära, in der praktisch jede Information nur einen Klick ...
Fujitsu
05. April 2024
Die IT-Landschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Früher dominierten zentralisierte Rechenzentren, ein neuer Trend favorisiert nun aber eine verteilte IT-Infrastruktur. Diese erstreckt...
Bernd Affenzeller
02. Juni 2024
Am 9. Juni findet in Österreich die Wahl zum Europäischen Parlament statt. Überschattet wird der Wahlkampf derzeit von Vorwürfen gegen die grüne Kandidatin Lena Schilling. Trotz der heftigen Turbulenz...
Marlene Buchinger
21. April 2024
Derzeit gibt es Unmengen an Schulungsangeboten und ESG-Tools schießen wie Pilze aus dem Boden. Anstelle das Rad neu zu erfinden, lohnt es sich bestehende Strukturen zu neu zu denken. Herzlich Willkomm...
Alfons A. Flatscher
02. Juni 2024
Elon Musk, Tesla-Gründer und Twitter-Eigner, ist immer gut für Sager. Jetzt wurde er gefragt, wer denn im November die Präsidentenwahlen gewinnen werde: Biden oder Trump? Er habe keine Ahnung, antwort...

Log in or Sign up