Mittwoch, Februar 05, 2025

Umweltfreundliche Transformatoren, die Schulgebäude in London heizen? Möglich macht dies die gewachsene Technologiekompetenz an einem Traditionsstandort heimischer Energietechnik in der Steiermark.

Schauplatz Steiermark. Größte Stadt der Oststeiermark ist Weiz, rund 25 km nördlich von Graz gelegen. Die Gemeinde ist eine wesentliche Säule in der Geschichte der österreichischen Energiewirtschaft. Eines der ersten Wasserkraftwerke der damaligen k.u.k Monarchie wurde 1892 am Weizbach eröffnet, im selben Jahr der Grundstein für das spätere Energietechnikunternehmen ELIN gelegt.

2005 wurde das Nachfolgeunternehmen VA Tech schließlich von Siemens gekauft. Siemens investierte kräftig in den Standort: Heute produzieren 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer Werksfläche von rund 54.000 m2 Transformatoren für den internationalen Markt. Das Werk ist der weltweit größte Siemens-Standort für die Entwicklung und den Bau von Transformatoren und gilt innerhalb des Unternehmens als Kompetenzzentrum für Phasenverschieber-Transformatoren. Rund 140 Großtransformatoren und 4.000 Verteiltransformatoren werden hier jährlich gefertigt – nicht schlecht für ein Unternehmen in einer 12.000 Einwohner großen Gemeinde.

Geräuscharm und sauber

Stefan Pieper, Werksleiter Siemens Transformers Weiz, spricht von einem »tollen Erfolg für den Standort«. Rund 30 % des Umsatzes werden Pieper zufolge mit Kunden in den USA erzielt, weitere 30 % mit Betreibern in Europa. Zuletzt haben die Weizer von dem britischen Übertragungsnetzbetreiber National Grid den Auftrag für die Lieferung, Montage und Inbetriebsetzung von drei Transformatoren nach London erhalten. Die Transformatoren sind zur Kühlung und Isolierung mit Ester, einer umweltfreundlichen Alternative zu herkömmlichem Mineralöl, befüllt. Die ersten beiden der insgesamt drei Autotransformatoren mit 240 Megavoltampere (MVA) 400/132/13 Kilovolt (kV) wurden bereits erfolgreich geprüft und aus dem Werk ausgeliefert. Der dritte Transformator wird per Bahn zum Donauhafen Linz transportiert und in Kürze zur Baustelle geliefert, die sich inmitten der britischen Hauptstadt befindet. Die Umspannstation wird in dicht verbautem Gebiet errichtet – dieser Umstand ist für Entwicklung und Produktion der ener­gietechnischen Anlage eine besondere Herausforderung.

Während der Trafo nach der Installation komplett eingehaust ist, werden die Lüftungskomponenten am Dach des Gebäudes verbaut. Als Obergrenze des Geräuschpegels müssen 30 Dezibel eingehalten werden. Stefan Pieper spricht dazu von einer »extremen Anforderung, da ein solcher Pegel im Stadtalltag in der Regel kaum unterschritten wird.« Der rund 300 Tonnen schwere Transformator löst mit frequenzgesteuerten Lüftern in einem speziellen Low-Noise-Design diese Aufgabenstellung jedenfalls zufriedenstellend. Erstmals wird die Abwärme einer Trafoanlage auch ausgekoppelt und in einem Wärmerückgewinnungssys­tem genutzt. Rund 4.000 kWh Wärmeenergie erzeugen die drei Trafos pro Tag. Davon profitiert ein am Standort angrenzendes Schulgebäude.

Auch die Strategie, auf synthetischen Ester als Isolationsmedium zu setzen, zahlt sich für die Österreicher aus. Der Flammpunkt des Esteröls ist doppelt so hoch als bei herkömmlichen Mineralölen, Bei Leckagen ist die Belastung des Grundwassers minimiert. Ester – der aus Alkohol, Säuren und auch aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden kann – ist biologisch abbaubar und daher ideal für den Einsatz in Umweltschutzgebieten und in Städten geeignet. Standortleiter Pieper sieht eine steigende Nachfrage der Netzbetreiber in urbanen Regionen nach solchen »grünen« Transformatoren: »Erst aufgrund der innovativen Technologie und dem damit verbundenen extrem geringen Brandrisiko war eine Errichtung im dicht bebauten Stadtgebiet möglich.« Die Transformatoren generell werden zurzeit auch stark bei der Anbindung von Windkraftanlagen nachgefragt.

Nachteil als Vorteil

Ein weiterer Wettbewerbsvorteil am Weltmarkt ist das materialsparende Design der Transformatoren aus Weiz. Wieder spielt Zeitgeschichte hier eine Rolle: Mit dem Erschließen des Wirtschaftsstandortes im Alpenvorland durch die Bahn im 20. Jahrhundert mussten aufgrund der begrenzten Tunnelquerschnitte entlang der Transportstrecke die Transformatorengrößen angepasst werden. Der anfängliche Nachteil stellte sich bald als Vorteil heraus, schließlich setzen sich die Technikriesen zum Großteil aus Kernblechkomponenten aus Eisen sowie Kupferdraht zusammen. Beides sind Rohstoffe, deren Preise von globalen Marktentwicklungen bestimmt werden. Sie machen den Preis des Produktes Transformator wesentlich aus. Je sparsamer und kleiner, desto besser fürs Geschäft: Heute bietet Siemens aus Weiz eine einzigartig kosteneffiziente Umspanntechnik.

Leistungsbringer Steiermark

Dem Leiter von Siemens Steiermark, Gerhard Geisswinkler, zufolge setzt Siemens in dem Bundesland jährlich rund 725 Mio. Euro um. Man tut dies nicht allein: Auch das Transformatorenwerk beschäftigt mit den Aufträgen, die hier abgewickelt werden, bis zu 900 weitere Unternehmen. »Siemens in der Steiermark ist ein wesentlicher Motor für die regionale Wirtschaft und Beschäftigung. Wir inves­tieren ganz bewusst in die Produktionsstandorte im Bundesland und sorgen so für wesentliche Wertschöpfungsimpulse in der Region«, bekräftigt Geisswinkler.


Fakten: Transformatorenwerk Weiz
- Der Standort ist seit über 120 Jahren untrennbar mit Produkten für die effiziente und nachhaltige Energieerzeugung und -verteilung verbunden.
- Im Werk ist das Know-how für die gesamte Wertschöpfungskette von Forschung, Entwicklung, Vertrieb, Engineering, Projektmanagement, Logistik, Fertigung, Abnahmeprüfung, und Endmontage auf der Anlage bis zur Inbetriebsetzung von Transformatoren gebündelt.
- Siemens-Transformatoren aus Österreich tragen weltweit zur Sicherung einer zuverlässigen Stromversorgung bei.
- Transformatoren aus Weiz sind in über 70 Ländern weltweit zu finden.
- Exportquote: rund 80 %

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