Sonntag, Dezember 22, 2024

Alexander Peschl, Leiter des Bereichs Business Development Energy Management CEE bei Siemens, über die Rentabilität von Energiespeichern. Wasserstoff könnte dabei zu einem wesentlichen Baustein dezentraler Erzeugung und Speicherung werden.

Report: Wenn wir von Speichertechnologien sprechen, die in Österreich Tradition haben, fallen einem natürlich Pumpspeicherkraftwerke ein. Wie sieht es mit dieser Technologie aus? Sie ist wohl ein felsenfester Geschäftszweig in der Branche.

Alexander Peschl: Das würde ich heute nicht mehr sagen. Investitionen in Pumpspeicher sind bei den erzielbaren Erlösen im Moment einfach zu teuer. Speziell in Österreich ist der Strompreis relativ niedrig. Die Energieversorgungsunternehmen gehen aber davon aus, dass sich das Markt- und Preisgefüge wieder ändern wird. Aus diesem Grund wird trotz des Umfelds weiter in neue Projekte investiert, wie jüngst durch die Tiwag. Ein Problem hier sind auch die langen Projektzeiträume und Genehmigungsphasen. Bis da einmal ein kleines Pumpspeicherkraftwerk steht – das kann sich schon sehr in die Länge ziehen. Als Antwort auf die Herausforderungen des Marktes eignet sich diese Speicherlösung jedenfalls nicht. So viele Pumpspeicherkraftwerke können gar nicht gebaut werden, um den durch Windkraft erzeugten Strom aus dem Norden Deutschland zu speichern oder auszugleichen. Diese Speicherkraftwerke wird es weiterhin geben, aber die Zahl neuer Projekte wird sich in Grenzen halten.

Report: Gibt es denn nun eine Speichertechnologie, deren Anwendung sich besonders rechnet?

Peschl: Das hängt davon ab, wofür ich den Speicher brauche. Ist der Einsatzfall, kurzfristige Instabilitäten oder Einbrüche im Netz auszugleichen, oder brauche ich eine Lösung für langfristige Speicherung? Beides ist notwendig. Gerade in Deutschland und auch in anderen Ländern bekommen die Netze durch die dezentralen Energieeinspeisungen zunehmend Herzflattern. In solchen Fällen können sich Speicher zur Netzstabilisierung bereits jetzt rechnen, wenn ein Betreiber die Folgekosten eines Netzausfalls einberechnet. Hier gibt es verschiedene Ansätze, wie zum Beispiel in Italien, wo man für kurzfristige Einsatzfälle auf Batteriespeicher setzt. Dabei geht es um eine Größenordnung von Millisekunden bis Sekunden, um Netzeinbrüche an bestimmten Stellen auszupegeln. Andere Versuche werden mit Supercaps gemacht. Dies sind Kondensatoren, wie sie im Prinzip an allen Straßenbahnen und U-Bahnen zur Energierückgewinnung beim Bremsen eingesetzt werden. Die Technologie ist erprobt und man könnte sie im großen Rahmen verwenden. Dazu gibt es bereits einige Ideen und Überlegungen. Theoretisch kann damit relativ viel Leistung relativ schnell gespeichert und abgegeben werden.

Report: Welche längerfristigen Energiespeicher sind aus Ihrer Sicht vielversprechend?

Peschl: Wenn es darum geht, länger zu speichern, leidet noch die Rentabilität der Lösungen. Es dauert sicherlich noch ein paar Jahre, bis die Batteriepreise massiv fallen. Ob dies nun Lithium-Ionen-Batterien sind oder andere, ist eine Frage, welcher Hersteller sich am Markt besser behauptet. Am ausgereiftesten ist derzeit die Lithium-Ionen-Technologie, die wir vom Handy und vielen anderen Geräten kennen. Man kann sie relativ leicht und in großen Einheiten bauen. Bei anderen Batteriearten wie Redox-Flow braucht es wieder zusätzliche Technologien, wie eine Umwälzpumpe. Dies gibt es bereits alles am Markt. Die Vergangenheit hat aber immer wieder gezeigt, dass sich jene Technologien durchgesetzt haben, die vielleicht einfacher gestrickt waren, aber sehr gut multipliziert werden konnten. Wenn man sich an den Übergang vom Großrechner zu heutigen leistungsstarken Rechnern ansieht – irgendwann wurde damit begonnen, tausende PCs miteinander zu verkoppeln. Sie waren »proven technology« und die Kunst liegt heute darin, die Ressourcen vieler kleiner Einheiten zu bündeln. Wenn man dies in großen Stückzahlen beherrschen und steuern kann, dann ist dies mitunter einfacher und billiger, als ausgefallenere Technologien zu betreiben. »Power to gas« ist aus heutiger Sicht die Technologie, die am effizientesten große Energiemengen über lange Zeiträume speichern kann. Doch auch hier ist eine differenzierte Betrachtung nötig. Im ungünstigsten Fall wird Energie aus Strom über Elektrolyse in Wasserstoff verwandelt und bei Bedarf wieder in Strom zurückgeführt. Dabei finden zwei Umwandlungen statt, zweimal mit entsprechenden Verlusten. Erspart man sich dagegen eine der beiden Umwandlungen, wird es energetisch spannender. Wir haben das natürlich schon öfter durchgerechnet, da Siemens dieses Thema am Markt platzieren will. Es gibt ein paar Einsatzfälle, in denen sich das schon einigermaßen vernünftig rechnet – etwa wenn der Wasserstoff direkt weiter für Verbrennungsmotoren verwendet wird. Anfänglich werden damit aber eher Betreiber von Fahrzeugflotten mit ein bis zwei eigenen Tankstellen angesprochen, um sich den Aufbau einer großflächigen Infrastruktur zu ersparen.

Report: Rechnen Sie fix mit dem Wachstum dieses Fahrzeugmarktes? Derzeit dominiert eher ein Hype um Elektromobilität.

Peschl: Ja, davon bin ich überzeugt. Es ist nur eine Frage der Zeit, ob dies schneller oder langsamer gehen wird. Alle großen Hersteller haben den Motor, die Technologien fixfertig in der Schublade. Jetzt ist es nur eine Sache der Vermarktung. Für die Gesamtenergiebilanz ist das Wasserstofffahrzeug jedenfalls eine Ergänzung. Ein anderer Anwendungsfall sind Industrieunternehmen, die in großem Maße Wasserstoff benötigen. Wenn dieser aber mühsam über längere Strecken mit Tankwägen geliefert werden muss, sind die Transportkosten so hoch, dass es interessant sein kann, in unmittelbarer Nähe aus Wind oder anderen Formen Strom zu erzeugen und umzuwandeln. So gibt es im Osten einige wasserstoffintensive Industriebetriebe, die heute über tausende Kilometer per Lkw beliefert werden.

Report: Damit wird es eine größere Bandbreite an Speicher- und Erzeugungslösungen geben, die auch genutzt werden.

Peschl: Wir müssen uns einfach von der Vorstellung lösen, Strom nur als Strom zu speichern und dann wieder als Strom zu verwenden. Das wird wohl ein Aspekt sein, aber eben nicht der einzige. Wichtiger ist die Betrachtung, wie die unterschiedlichen Energieformen angepasst auf Umgebung und Bedarf genutzt werden können. Die effiziente Nutzung der Energieträger ist ja auch etwas, was Wien Energie vorantreibt – jüngst mit dem Warmwasserspeicher in Simmering. Das Energieversorgungsunternehmen hat Infrastruktur für Gas, Strom und eben auch Fernwärme, die vom Warmwasser aus dem Speicher direkt profitiert. Auf diese und andere Weisen kann man dann auch den Wasserstoff ins Spiel bringen. Eine direkte Einspeisung ins Gasnetz ist derzeit noch mit einem paar Problemen behaftet. So darf in einem gesamten Gasleitungsnetz nur maximal 4 % Wasserstoffanteil vorhanden sein. Auch hier wird die technische Entwicklung einen flexibleren Einsatz vorantreiben – davon bin ich überzeugt. In Deutschland gibt es einige Standorte, an denen Wasserstoff mit Windkraft und Elektrolyse erzeugt wird, weiters kommt Kohlendioxid aus der Erzeugung einer nahegelegenen Biomasseanlage und damit lässt sich Methan produzieren. Mit diesem Synthesegas hat man wieder vielfältigste Einsatzmöglichkeiten. Es gibt auch einen anderen interessanten Anwendungsfall, in dem Wasserstoff herkömmlichem Kraftfahrzeugtreibstoff beigemischt wird. Auch die Mineralölindustrie ist angehalten, nachhaltiger zu agieren. Biotreibstoffe stehen ökologisch und gesellschaftlich zur Debatte, da man eigentlich nicht Nahrungsmittel verfeuern möchte. Wenn dann Wasserstoff ebenfalls zu einem bestimmten Prozentsatz beigemischt werden kann, und dieser aus Erneuerbaren erzeugt wird, ist dies nachhaltig. Wenn dann solche Beimischungen in der Energiebilanz und Schadstoffbilanz eines Autos anerkannt und eingerechnet werden, treibt dies die Wirtschaftlichkeit schnell voran.

Report: Damit ist auch wieder ersichtlich, dass Energielieferanten hochpolitische Themen sind.

Peschl: Vieles ist über Förderungen und gesetzliche Vorgaben steuerbar. Auch die Netzgebühren, die auch für Energiespeicher im Netz fällig sind, sind Teil dieses politischen Rahmens. Ändern sich da regulatorische Vorgaben in Österreich und anderen Ländern, wird es auch attraktiver.
Ein wesentlicher Teil der technologischen Entwicklungen ist eine Dezentralisierung der Erzeugung und Speicherung von Energie. Viele kleinere Speicher könnten da in Zukunft zu Pools zusammengeschlossen werden, die in Summe für Geschäft sorgen und die Netzt stabilisieren. Für Gemeinden, die vielleicht weitgehend autonom ihren Energiebedarf selbst managemen wollen, wäre das die richtige Basis. Doch wird es wohl immer eine Mischung aus beidem sein - große, sehr leistungsfähige Speicher und viele verteilte, kleinere.

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