Mittwoch, Februar 05, 2025

Die Weichen zum flächendeckenden Smart-Meter-Rollout sind in Österreich gestellt. Die nötigen Anpassungen an die Infrastruktur sind aber erheblich. Mit entsprechender Vorbereitung können diese Herausforderungen dennoch gemeistert werden.

Von Daniel Böhm und Andreas Liebenstein, DNV GL - Energy.

Die gesetzlichen Vorgaben in Österreich stellen für die Branche eine enorme Herausforderung dar, den flächendeckenden Smart-Meter-Rollout organisatorisch, technisch und wirtschaftlich umzusetzen. Jeder Netzbetreiber ist verpflichtet, bis Ende 2015 mindestens 10 %, bis Ende 2017 mindestens 70 %, und im Rahmen der technischen Machbarkeit bis Ende 2019 mindestens 95 % der an sein Netz angeschlossenen Zählpunkte mit intelligenten Messgeräten auszustatten. Zahlreiche Smart-Meter-Projekte der DNV GL – Energy haben gezeigt, dass die Einführung von Smart Metern bei Endkunden nicht nur den häufig sichtbaren Zählertausch vor Ort umfasst, sondern im Vorfeld eine Vielzahl weiterer Herausforderungen gelöst werden müssen. Dazu zählen unter anderem Anpassungen und Neuentwicklung der Prozesse, der Neuaufbau einer Kommunikationsinfrastruktur zur Übertragung der Zählerdaten, Informationen und Befehle, die Anpassung vorhandener bzw. die Einführung neuer IT-Systeme sowie die Qualifizierung eigener Mitarbeiter und externer Dienstleister. Maßgebende Erfolgsfaktoren in einem Smart-Meter-Rollout-Projekt sind darüber hinaus das Projektmanagement sowie die Einführung eines Teilprojekt-übergreifenden Testmanagements. Aus den Projekterfahrungen von DNV GL – Energy im Bereich Smart Metering und Smart Grid sind für solche langfristigen Projektvorhaben frühzeitige organisatorische Grob- und Feinplanungen wesentlich. Erstere kann in drei Bereiche aufgeteilt werden: die Roll outvorbereitung, die Installation und Inbetriebnahme und schlussendlich der Betrieb der neuen Infrastruktur. Über alle drei Bereiche müssen sämtliche Planungs-, Beschaffungs- und Umsetzungsaufgaben fixiert und dafür ausreichende Personalkapazitäten vorgesehen werden.

Soll-Prozesse als konzeptionelle Grundlage

Grundlage für viele in diesen drei Bereichen zu erarbeitenden Teilergebnisse sind die zukünftigen Smart-Meter-Soll-Prozesse. Diese haben unter anderem Einfluss auf die Anforderungen an die IT-Systeme, die Durchführung der Installation vor Ort sowie mögliche Logistikvarianten. In der Vorbereitungsphase hat sich für die weitere Feinplanung die Entwicklung einer Smart-Meter-Soll-Prozesslandkarte als ein wesentliches Projektsteuerungsinstrument bewährt. In der Prozesslandschaft werden alle Aufgaben und Prozesse innerhalb der Wertschöpfungskette im Zähl- und Messwesen von der Smart-Meter-Beschaffung, der Montage, Inbetriebnahme und Konfiguration bis hin zu Betrieb und Wartung sowie der Messung und des Messdatenmanagements in Arbeitspakten detailliert und mit ihren Abhängigkeiten und Wechselwirken beschrieben. Im Rahmen von Prozessworkshops sollten neben den eigentlichen Prozessen auch funktionale und nicht-funktionale Anforderungen an die IT-Systeme aufgenommen werden. Mit dem etablierten System der Smart-Meter-Prozesslandschaft bleibt der Umfang der einzelnen Tätigkeiten im komplexen Projekt eines kompletten Rollouts unter dem limitierten Zeitverlauf immer im Fokus.

Auszug aus einer Smart-Meter-Prozesslandkarte

Als Folge der Überarbeitung und Neuentwicklung der Prozesse zählen zu den weiteren vorbereitenden technischen Aufgaben auch die Erstellung von Lastenheften für IT-Systeme. Damit verbunden sind in einem nächsten Schritt die Vorbereitung und Durchführung von europaweiten Ausschreibungen, die neutrale Bewertung der Angebote von Geräte- und Systemlieferanten sowie die anschließenden Vertragsverhandlungen. Gerade die neue IT-Systemlandschaft mit Meter-Data-Managementsystemen (MDM), Head End System (HES) und neuen Kommunikationsinfrastrukturen (zum Beispiel die Implementierung und der Betrieb der PLC-Technologien) stellen organisatorisch und technisch große Herausforderungen für Netzbetreiber dar. Dafür müssen vorhandene Schnittstellen und Funktionen kritisch hinterfragt werden und neue Anforderungen in Lastenhefte überführt werden. Die Aufnahme dieser Lasten steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der oben beschriebenen Neuentwicklung der Soll-Prozesse. Neben der Aufnahme der Lasten für die IT-Systeme ist es weiterhin entscheidend, schon zu Beginn eine umfangreiche Rolloutplanung aufzusetzen, in der die betreffenden Unternehmensbereiche eines Netzbetreibers einbezogen werden. Dazu gehören das Zähl- und Messwesen mit der Zählertechnik, die IT-Abteilungen sowie die Unternehmensentwicklung und der Einkauf. Während des gesamten Projektes ist es notwendig eine kontinuierliche Beobachtung gesetzlicher Rahmenbedingung unt etwaige Rückkoppelungen ins Projekt stattfinden zu lassen, um gegebenenfalls externe Auswirkungen sofort einzusteuern. Da in Österreich alle Netzbetreiber bis 2019 den Rollout umsetzen müssen, ist es ebenso erforderlich, mögliche Liefer- und Entwicklungszyklen von Zählerherstellern in der Planung zu berücksichtigen. Im Gegenzug müssen den Herstellern verbindliche Vorgaben (angefragt Menge pro Monat) für Lieferchargen übermittelt werden. Dabei wird es nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa in den Jahren 2016/17 zu einer Spitze bei Smart-Meter-Installationen kommen. Ein Lieferverzug kann daher erhebliche Auswirkungen auf die Erfüllung der Installationsvorgaben haben.

Testing und Pilotprojekte

Generell ist empfehlenswert, im Rollout einen Top-down-Ansatz zu verfolgen und sicherzustellen, dass zuerst die IT- und Kommunikationsinfrastruktur implementiert und getestet wird, bevor die Installation der Feldgeräte (Zähler, Gateway) vorgenommen wird. In einem Vorbereitungsprojekt für einen Smart-Meter-Rollout werden in einzelnen Teilprojekten unterschiedliche Themenstellungen (Prozesse, IT-Systeme, Kommunikationstechnik, Gerätetechnik, Logistik) und Ergebnisse erarbeitet. Diese Ergebnisse müssen bei der Umsetzung des Roll­ outs reibungslos ineinandergreifen und in der Praxis funktionieren. Essentiell ist in diesem Zusammenhang daher die Etablierung eines Teilprojekt-übergreifenden Testmanagements, in dem die einzelnen Ergebnisse im Sinne eines End-to-End-Ansatzes auf Abhängigkeit, Konsistenz und Funktionalität überprüft werden. Es muss sichergestellt werden, dass die Ergebnisse ganzheitlich in der Praxis funktionieren, nur dann kann eine Übergabe aus dem Projekt in die Linie erfolgen. Neben der Einführung eines übergreifenden Testmanagements sind ein effizientes und stringentes Projektmanagement mit einer entsprechenden Ressourcen-, Budget- und Zeitplanung sowie ein Projektmonitoring kritische Erfolgsfaktoren. Dazu gehört die Bestimmung und der organisatorische Aufbau der einzelnen personellen Kompetenzen samt Weisungsbefugnissen, die schlussendlich die Unterstützungsinfrastruktur für den Rollout darstellen. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang auch, ein aktives Kommunikationskonzept aufzusetzen. Dabei sollte sowohl in einer internen Kommunikation an andere Bereiche des Netzbetreibers als auch in einer externen Kommunikation an Kunden proaktiv über die bevorstehenden Aufgaben und die Fortschritte des Rollouts informiert werden. So kann schon im Vorfeld ein gemeinsames Verständnis für diese Mammutaufgabe geschaffen werden.


Zur Firma

Mit über 3.000 Experten weltweit begleitet DNV GL – Energy den globalen Umstieg in eine sichere, intelligente und grüne Energieversorgung. DNV GL – Energy gehört zur DNV GL Unternehmensgruppe, in der sich die Unternehmen DNV KEMA und Germanischer Lloyd zusammengeschlossen haben. Die Themen Smart Metering und Smart Grid werden von der KEMA-IEV GmbH in Dresden bearbeitet.

Info: www.dnvgl.com

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