Mittwoch, Februar 26, 2025
Entwickelt in Österreich, weltweit vermarktet
Die Physikerin Brigitte Bach ist Sprecherin der Geschäftsführung des AIT: »Als kleines Land kann Österreich nicht in allen Bereichen vorne mitspielen.« (Bild: Peter Rigaud)

Von alternativen Energiesystemen bis zur Quantenphysik: An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Unternehmen entwickelt und erprobt das AIT Anwendungen und Infrastrukturen für eine sich wandelnde Wirtschaft. Wir haben Brigitte Bach, Sprecherin der Geschäftsführung, zu den wichtigsten Forschungsthemen derzeit befragt.

 

Auf welche strategischen Wachstumsfelder setzen Sie bei ihren Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten? Was fragt die Wirtschaft nach, gibt es Themen, die sich durch die Sektoren ziehen?

Brigitte Bach: Das AIT ist fokussiert auf die beiden Themen »nachhaltige und resiliente Infrastruktur« – dazu zählen zum Beispiel Energie- und Transportsysteme der Zukunft sowie ausgewählte Gesundheitsthemen – und »digitale Transformation von Industrie und Gesellschaft« – darunter fallen beispielsweise Cybersecurity, Datenanalyse, künstliche Intelligenz, Automatisierung und menschenzentriertes Design. In allen diesen Bereichen sehen wir einen hohen Bedarf von Unternehmen. Wir führen zahlreiche Forschungsprojekte gemeinsam mit Partnern aus Industrie und Wissenschaft durch, sehr stark auch auf europäischer Ebene. Besondere Wachstumsfelder gibt es etwa bei der Dekarbonisierung der Industrie, bei Cybersicherheit, Quantenverschlüsselung oder in der Batterieentwicklung.

Ein zentrales Thema, das sich durch alle Sektoren zieht, ist die künstliche Intelligenz: Hier besteht eine hohe Nachfrage nach spezifischen Lösungen für bestimmte Branchen und Aufgabestellungen. Wir forcieren das Thema KI am AIT derzeit stark: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, eine der führenden Institutionen in Europa bei der Anwendung moderner KI-Methoden zu sein. Dies betrifft sämtliche Bereiche des Unternehmens – von der Art und Weise, wie Forschung betrieben wird und wie Innovationsprojekte gemeinsam mit der Industrie auf- und umgesetzt werden, bis hin zur Verwaltung und den technischen Support.

Eine der Herausforderungen des AIT ist es, als Forschungspartner gerade auch auf europäischer Ebene sichtbar zu sein. Wo ist dies, aus dem kleinen Land Österreich kommend, bereits gut gelungen? Wo sehen Sie dagegen noch Aufholbedarf?

Bach: Wie aktuelle Analysen zeigen, ist Österreich in einer ganzen Reihe von Schlüsseltechnologien sehr gut aufgestellt, Das betrifft beispielsweise fortschrittliche Produktionstechnologien, Umwelttechnologien, erneuerbare Energien, Photonik oder das Internet der Dinge. Wir forschen in diesen Feldern an der vordersten Front und sind in zahlreichen EU-Projekten mit großen europäischen Playern aus Industrie und Wissenschaft aktiv. In vielen Fällen, wie etwa in der Batterieforschung, hat das AIT auch den Lead bei solchen europaweiten Forschungsvorhaben. Das AIT ist in Österreich unter den Top drei bei der Beteiligung an EU-Projekten. Im laufenden EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon Europa haben wir bereits mehr als 64 Millionen Euro aus diesem Topf nach Österreich geholt.

Ein gutes Beispiel für Österreichs Stärken sind Quantentechnologien: Wie der Physiknobelpreis für Anton Zeilinger beweist, ist Österreich in diesem Bereich in der Grundlagenforschung stark; aber auch in der Entwicklung von Anwendungen, insbesondere in der hochsicheren Quantenkommunikation, spielt Österreich eine wichtige Rolle. Das AIT entwickelt in enger Kooperation mit der Grundlagenforschung Technologien, um die Quantenphänomene praktisch nutzbar zu machen. Wir arbeiten zum Beispiel an der Miniaturisierung von Quantensendern und -empfängern sowie am Aufbau europaweiter Quanten-Netze.

Als kleines Land kann Österreich natürlich nicht in allen Bereichen vorne mitspielen. Daher ist es entscheidend, strategisch vorzugehen, Stärkefelder weiter zu stärken und in zentrale Schlüsseltechnologien für die Zukunft zu investieren.

Sie haben selbst einen starken Hintergrund im Energiebereich, mit der Leitung der Energieforschung beim AIT und Führungspositionen bei Wien Energie und zuletzt als Direktorin bei der Salzburg AG. Wie steht es um die Transformation der Wirtschaft und unserer Gesellschaft zu effizienten, klimaschonenden Systemen? Was sind für Sie hier die Knackpunkte für ein rasches Vorankommen?

Bach: Man braucht ein passendes Ökosystem, in dem Forschung und Industrie gemeinsam an den Zielen arbeiten, in denen die gesamte Innovationskette abgedeckt wird und alle Bereiche – von der Entwicklung der Grundlagen über angewandte Forschung bis hin zur industriellen Umsetzung – gut ineinander spielen. Ein gelungenes Beispiel dafür ist der Forschungsverbund »New Energy for Industry« (NEFI). Das AIT hat gemeinsam mit Partnern eine Hochtemperaturwärmepumpe für Trocknungsprozesse in der Lebensmittelbranche entwickelt, mit der Abwärme aus Prozessen genutzt und Erdgas ersetzt werden kann. Gemeinsam mit dem Baustoffkonzern Wienerberger haben wir diese Technologie auch auf die Trocknung von Ziegeln angewendet und mithilfe weiterer Technologien ein dekarbonisiertes Ziegelwerk entwickelt. Diese Fabrik wurde im November 2024 in Uttendorf in Oberösterreich eröffnet. Die Energieeffizienz in dieser Anlage ist um ein Drittel höher, die CO2-Emissionen sind um bis zu 90 Prozent niedriger.

Diese Story setzt sich jetzt auch in der nächsten Branche fort. Gemeinsam mit dem Pharmaunternehmen Takeda haben wir eine Hochtemperaturwärmepumpe entwickelt, mit der Heißdampf für die Produktion erzeugt wird. Und schließlich könnte ein Hersteller aus Österreich so große Wärmepumpen international vermarkten.

Die Geschwindigkeit von Veränderungen und notwendigen Anpassungen an ein neues Marktumfeld nimmt seit Jahren zu – das wird sich wohl auch in diesem Jahr erneut zuspitzen.

Bach: Die Herausforderungen, vor denen wir als Gesellschaft und Wirtschaft stehen, sind zunehmend komplex – um zu innovativen und funktionierenden Lösungen zu kommen, ist eine interdisziplinäre Vorgangsweise erforderlich.

Von zentraler Bedeutung ist es, eine klare Strategie zu verfolgen, das Portfolio laufend zu analysieren und an etwaige neue Gegebenheiten und Erfordernisse anzupassen. Am AIT haben wir kürzlich einen entsprechenden Strategieprozess gestartet, in den die Erfahrungen aus der jüngsten Zeit sowie die laufenden Veränderungen einfließen. Gleichzeitig haben wir auch einen Kulturent­wicklungsprozess begonnen, um alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen – denn für Spitzenleistungen ist ein inspirierendes Arbeitsumfeld und ein effektives Zusammenarbeiten in Teams wesentlich.

Auf diesem Weg hilft es uns sehr, dass wir in der Dreier-Geschäftsführung des AIT das Prinzip »Shared Leadership« leben – mit klarer Arbeitsteilung und gemeinsamer Verantwortung. Meine beiden Kollegen, Andreas Kugi und Alexander Svejkovsky, und ich bringen sehr unterschiedliche Kompetenzen, Skills und Stärken ein, die sich wunderbar ergänzen. Eins plus eins plus eins ist in dieser Hinsicht nicht gleich drei, sondern wesentlich mehr.


Hintergrund

Die Physikerin Brigitte Bach (57) hat als Sprecherin der Geschäftsführung des AIT Austrian Institute of Technology die Verantwortung für die strategische Positionierung der Forschungseinrichtung sowie für die Außenbeziehungen und das Produktportfolio inne. Das AIT ist mit rund 1.500 Mitarbeiter*innen Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Gesellschafter sind die Republik Österreich (50,46 % der Anteile) und der Verein zur Förderung von Forschung und Innovation der Industriellenvereinigung Österreich mit 49,54% der Anteile.

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