Mittwoch, November 20, 2024
Die Welt wird immer smarter
(Fotocredit: iStock)

Neue Energiesysteme und Tarife bieten Wettbewerbsvorteile für Städte, die Straße und Haushaltskunden.

Text: Klaus Fischer, Angela Heissenberger und Martin Szelgrad

Es herrscht mittlerweile Einigkeit zwischen Bürger*innen, Unternehmen und Behörden, dass die Energiesysteme für eine ressourceneffiziente und dekarbonisierte Welt reformiert werden müssen. In einem aktuellen Report von ­Siemens wird der Schulterschluss von Gesellschaft und Wirtschaft bestätigt, auch wenn derzeit nur 37 Prozent der befragten Führungskräfte in der Schweiz, Deutschland und Österreich glauben, dass die gesetzten Klimaziele für 2030 erreicht werden können.

Aber: Bei der Bekämpfung des Klimawandels spielen Städte eine wichtige Rolle. Laut dieser Umfrage glaubt mehr als die Hälfte der Befragten (61 Prozent), dass ein Vorsprung bei der Dekarbonisierung ein Wettbewerbsvorteil für eine Stadt sein könnte. Die Dekarbonisierung der Mobilität, einschließlich der öffentlichen Verkehrsnetze und der Nutz- und Privatfahrzeuge, hat hohe Priorität, wenn es um die Emissionsminderung geht. Als größtes Hindernis für die breite Einführung von Elektrofahrzeugen wird aber die unzureichende Ladeinfrastruktur genannt.

Gleichzeitig seien smarte Lösungen zur Integration der E-Mobilität in lokale Energiesysteme nichts Neues, betont Hauke Hinrichs, CEO des Ladeinfrastrukturbetreibers Smatrics: »Die Technologie zur Rückspeisung von E-Fahrzeugen in die PV-Anlage eines Hauses gibt es seit mehr als zehn Jahren. Nur die dazugehörenden Geschäftsmodelle und der Markt entwickelten sich langsamer«, sieht Hinrichs die Zukunft in sogenannten »Smart Charging Öko­systemen«. Damit würden Ladevorgänge sowohl für Fahrzeugbesitzer*innen als auch für das Stromnetz optimal gestaltet. Es ermöglicht eine intelligente Nutzung der Energiequellen, minimiert Kosten und reduziert Belastungen im Stromnetz.

Besonders die Photovoltaik hat durch ihre niedrigen Erzeugungskosten das Potenzial, die Energiewende signifikant zu beeinflussen, ergänzt Robert Spolwind, Head of Portfolio Management and Energy Economics beim Verbund. »Allerdings muss es auch Möglichkeiten geben, die an sonnigen Tagen gewonnenen Energieüberschüsse zu speichern. Es braucht daher Netze und Speichertechnologien, die uns helfen mit den Schwankungen und Überschüssen sinnvoll umzugehen. Die Batteriespeicher von E-Autos sind hier eine hervorragende Ergänzung zu Pumpspeichern«, sagt Spolwind.


Smarte Energie

Mit der flächendeckenden Ausrollung digitaler Stromzähler wird es für die Energieunternehmen zunehmend attraktiv, auf deren Einsatz abgestimmte Produkte anzubieten. Einer der Vorreiter ist die Energie Steiermark. Sie gründete vor rund zwei Jahren Smart-Energy, die der Entwicklung und der Vermarktung einschlägiger Angebote dient. Produktmanager Franz Hartmann zufolge sind die Produkte so konzipiert, dass die Kund*innen von kurzfristigen Preisänderungen im Großhandel mit elektrischer Energie profitieren können. Sinkende Preise wie derzeit lassen sich so vergleichsweise »rasch weitergeben«, erläutert Hartmann.

Smart und ökologisch: Für die Versorgung ihrer Kunden verwendet SmartEnergy Ökostrom aus Österreich. (Foto: Energie Steiermark)


Geradezu prädestiniert dafür ist das Produkt SmartControl, bei dem stündliche Preisanpassungen aufgrund der Entwicklungen an der Epex Spot erfolgen. Laut SmartEnergy bezahlen Kund*innen »genau den Energiepreis, der auch zu dieser Stunde gehandelt wird«, plus eine Abwicklungsgebühr von 1,44 Cent pro Kilowattstunde inklusive Umsatzsteuer. Täglich um 17 Uhr veröffentlicht SmartEnergy in ihrem Kundenportal die stundengenauen Epex-Spot-Preise für den Folgetag. Die Kund*innen wissen damit, wann der Stromverbrauch am günstigsten ist.

Zur Verfügung steht ihnen auch ein Serviceportal mit individuellen Verbrauchsstatistiken. Hartmann zufolge erfreut sich SmartControl vor allem bei besonders technikaffinen Kund*innen großer Beliebtheit: »Diese Damen und Herren sind extrem gut informiert und fragen immer wieder nach Neuigkeiten, die sie gerne nutzen möchten.« Dieses anspruchsvolle Publikum zu servicieren, sei nicht einfach. Bei anderen Produkten wie SmartNight erfolgen die Preisanpassungen zumeist zum jeweiligen Monatsersten. SmartNight selbst wird von SmartEnergy als »marktpreisabhängiger Strombezug speziell für Nachteulen« beschrieben. Das Produkt enthält zwei Preiszonen, mit geringeren Preisen ab 23 Uhr und Peak-Preisen ab 7 Uhr.

Eine Alternative bietet SmartEnergy auch zu den Energiegemeinschaften, die, wie Geschäftsführer Thomas Russ erklärt, mit »immensem Aufwand, aber überschaubarer Kostenersparnis« verbunden sind. Mit SmartCommunity hat SmartEnergy eine Plattform entwickelt, über die Privatpersonen mit Energie handeln können. Zurzeit läuft nach einem erfolgreichen Test mit 50 Kund*innen ein Pilotprojekt in Kumberg rund zwölf Kilometer nordöstlich von Graz. Laut Produktwebsite ist die »Umsetzung für B2B in Ausarbeitung«.

Europas größte Wärmepumpe

Sauberes Heizen mit schmutziger Herkunft – nach diesem Prinzip arbeitet ein aktuelles Klimaprojekt in Wien. Aus der benachbarten Kläranlage der ebswien floss das bisher ungenutzte Abwasser nach der Reinigung in den Donaukanal. Ab sofort wird es durch eine riesige Wärmepumpe geleitet: Mit Wärmetauschern werden dem gereinigten Wasser rund sechs Grad an Temperatur entzogen, durch Verdichter erhitzt und letztlich mit bis zu 90 Grad ins Fernwärmenetz eingespeist. Laut Wien Energie handelt es sich um die größte derartige Anlage Europas. In der ersten Ausbaustufe wird Fernwärme an 56.000 Haushalte geliefert. Zu den aktuell drei Wärmepumpen kommen im Vollausbau bis 2027 noch drei weitere. Mit einer Leistung von insgesamt 110 Megawatt werden dann bis zu 112.000 Haushalte versorgt.

Nahe der Hauptkläranlage in Wien-Simmering wurde die erste Ausbaustufe einer neuen Wärmepumpe im November in Betrieb genommen. Sie wird aus Abwasser gespeist und versorgt zunächst 56.000 Haushalte mit Fernwärme. Bis 2027 wird die Leistung verdoppelt. (Foto: ebswien)

Auf dem Weg zur Klimaneutralität, die Wien bis 2040 anstrebt, ist die Anlage ein großer Meilenstein. 2040 sollen 56 Prozent der Haushalte mit klimaneutraler Fernwärme versorgt werden. Die jährliche CO2-Einsparung beträgt 300.000 Tonnen. Bisher belaufen sich die Investitionen auf rund 70 Millionen Euro. Um Strom vom nahe gelegenen Verbund-Kraftwerk Freudenau beziehen zu können, war eine eigene Direktleitung erforderlich. Auch eine Fernwärme-Pumpstation wurde errichtet. Die Dimensionen sind beeindruckend: Jeder der drei riesigen Kolosse – zwölf Meter lang, neun Meter breit, sieben Meter hoch – wiegt rund 205 Tonnen.


(Foto: iStock)

Speicherung: Laut einer Siemens-Studie sind sind Technologie und Digitalisierung die wichtigsten Hebel für einen erfolgreichen Infrastrukturwandel. Zu den Schlüsseltechnologien sehen die Befragten besonders Technologien für die Speicherung von Energie (48 Prozent).

Automation: Weiters werden in der Studie KI-gestützte Prognosen und Automation (49 Prozent) genannt sowie Fernerkundung (Remote Sensing), Geospatial und Monitoring für Informationen (46 Prozent).

Potenzial: Mehr als die Hälfte der Befragten sind der Meinung, dass die Digitalisierung großes Potenzial hat, um Fortschritte bei der Energieeffizienz (53 Prozent), der Produktivität (58 Prozent) und der Dekarbonisierung (59 Prozent) in ihrem Unternehmen zu unterstützen.


Perfekt kombiniert

In Trumau in Niederösterreich befindet sich eine der größten Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen Österreichs mit 17.888 PV-Modulen und einer Gesamtfläche von rund 13 Fußballfeldern. Die Anlage hat eine maximale Leistung von 9,7 MW und kann jährlich zehn 300 MWh Strom erzeugen. Die PV-Großanlage bildet zusammen mit einem acht Windräder umfassenden Windpark das größte Hybridkraftwerks Österreichs.

Für die Umsetzung solcher Konzepte unbedingt erforderlich sind sogenannte Hybridregler, die die einzelnen Erzeugungseinheiten steuern. Entwickelt von Aspern Smart City Research (ASCR) verfügt der Regler über eine Kommunikationsschnittstelle zum Windpark- und zum PV-Regler, welche ihrerseits die Windräder und die PV-Wechselrichter steuern. Weiters gibt es eine Fernwirkschnittstelle zum Netzbetreiber, über die Istwerte, die der Regler regelmäßig misst, und Sollwerte für Leistungsvorgaben ausgetauscht werden können. 

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