Die TU Wien setzt ihr bisher größtes Projekt zur Erforschung effizienterer und leichter verfügbarer Materialien für Energiespeicher um.
Text: Irmgard Kischko
Wir starten in ein »Energy Materials Age«, lässt Projektleiter Günther Rupprechter vom Institut für Chemie der TU Wien keinen Zweifel an der großen Bedeutung der dahingehenden Forschung. Jedes neue Zeitalter sei durch neue Materialien eingeleitet worden. Die Technologien, die für die Energiewende nötig seien, seien großteils bekannt, aber die effizienten Materialien fehlten noch.
Die angestrebte Umstellung des gesamten Energiesystems auf erneuerbare Quellen steht und fällt mit Speichermöglichkeiten für elektrische Energie. Die bisherigen Methoden, Überschussstrom in Speicherseen in den Alpen hochzupumpen und bei Bedarf zu nutzen, wird bei weitem nicht ausreichen. Und die Idee, dass die Batterien für E-Autos als kurzfristige Stromspeicher genutzt werden, ist zwar gut, dafür werde aber die Menge an Speicherstrom, der für das Gelingen der Energiewende nötig ist, nicht reichen.
»Wir müssen Materialien suchen, die eine effiziente und kostengünstige Speicherung ermöglichen«, sagt Universitätsprofessor Rupprechter. Er führt seit Anfang Oktober dieses Jahres ein Forschungsprojekt an, das sich genau diesem Thema widmet. 35 Millionen Euro für fünf Jahre stehen diesem größten bisher durchgeführten Forschungsvorhaben der TU zur Verfügung. 20 Millionen Euro davon kommen vom FWF, 15 Millionen von der TU. Eingebunden in den »Exzellenzcluster« sind die Fakultäten für Chemie und Physik der TU sowie Teams der Universitäten Wien und Innsbruck und des Institute of Science and Technology Austria (ISTA). »Das Projekt ist sieben Mal größer als das größte bisherige«, rechnet Rupprechter vor.
Prozesse neu erfinden
Wie Strom gespeichert werden kann, ist im Prinzip bekannt: Man nutzt elektrische Energie, um mittels Elektrolysen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu trennen und den Wasserstoff dann aufzubewahren, bis er wieder in Energie rückgewandelt oder in der chemischen Industrie als Produktionsmittel eingesetzt wird. »Diese Prozesse müssen aber gut funktionieren. Denn unser Konkurrent, der fossile Brennstoff ist günstig: Man bohrt ein Loch in den Boden und der Stoff ist da«, betont Rupprechter. Das ist vergleichsweise billig. In der Welt der Erneuerbaren muss die Energie, die wir nutzen, aber erst aufwendig erzeugt und gespeichert werden. »Wir beschäftigen uns speziell mit diesen Prozessen. Das ist die Elektrochemie und die Photochemie. Für diese Prozesse braucht man Katalysatoren«, erklärt der Experte.
Derzeit sind bei der Elektrolyse Materialien wie zum Beispiel Platin und Iridium beteiligt. Denn damit der Prozess effizient abläuft, brauche man hohe Temperaturen. Iridium eigne sich dafür, doch dieses Element sei nicht in großen Mengen verfügbar. Von anderen Materialien wie Kupfer, gebe es zwar genug, diese seien aber wenig effizient. Und dann existierten noch Systeme, die gut funktionierten, aber nicht stabil seien. »Die laufen nur kurze Zeit, dann sind sie wieder kaputt«, beschreibt Rupprechter die aktuell unbefriedigende Situation.
Daher werde in diesem Projekt versucht, Ersatzstoffe zu finden: neue Legierungen für Niedrigtemperatur-Elektrolyse und Keramiken für Hochtemperatur-Prozesse. Derzeit sind es die Edelmetalle Platin, Iridium, Ruthenium, die am besten funktionieren. Davon existieren weltweit nur kleine Mengen. »Es ist schwierig, Ersatzstoffe zu finden. Aber vielleicht können wir die benötigten Mengen reduzieren«, nennt der Projektleiter eine Idee.
Kohlendioxid einfangen
Neben der Suche nach effizienterer Elektrolyse befassen sich die Forscher mit dem Einfangen von Kohlendioxid. Die derzeit laufenden Projekte versuchen das CO2 aus Verbrennungsanlagen abzuscheiden und mit Wasserstoff zu verbinden, um Alkohol, zum Beispiel Methanol, zu produzieren. »Die Überlegung ist nun, ob man den Umweg über Wasserstoff machen muss, oder ob man nicht mit der Elektrochemie den Alkohol direkt aus CO2 gewinnen kann.«
Der Alkohol könne dann entweder als Treibstoff oder zu Herstellung von Chemikalien verwendet werden. »Hier geht es also darum, Wege zu erforschen, um den Wasserstoff aus anderen Prozessen als der Elektrolyse zu gewinnen«, sagt Rupprechter. Oder man versuche zumindest, das komplette Verfahren von der Wasserstofferzeugung in der Elektrolyse und der anschließenden Elektrokatalyse mit CO2 in ein Verfahren zusammenzubringen. Das wäre ideal. Dann könnte man CO2 in einen Elektrolyten leiten und daraus die Energieform oder das Produkt erzeugen, das man braucht.
Die Kraft des Sonnenlichts
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die direkte Nutzung der Sonne, um die gewünschten chemischen Prozesse auszulösen. Photokatalyse versucht es den Pflanzen nachzumachen, die Chlorophyll nutzen, um »Licht gut zu ernten«, wie Rupprechter ausführt. Die Forscher suchten also nach chemischen Verbindungen, die auf die Katalysatoren aufgesetzt werden sollten, um die Nutzung der Sonne zu ermöglichen. Der Vorgang funktioniert folgendermaßen: Die Lichtenergie trifft im Katalysator auf ein Metalloxid, auf dem ein organisches Molekül als Art Antenne sitze.
Die spannenden Forschungsfragen betreffen zum einen den Farbbereich des Sonnenlichts, also die Wellenlänge, die in einem Photokatalysator genutzt werden kann. Reagiert er nur mit UV? Da werden Strategien gesucht, die einen größeren Bereich des Sonnenlichts nutzbar machen. Zum anderen gehe es um Effizienz und Stabilität. Das einstrahlende Licht lasse im Metall Elektronen-Loch-Paare entstehen, wodurch Strom geleitet werden kann. Diese Elektronen-Loch-Paare sind meist aber nur kurze Zeit stabil. Also versuchen die Forscher Methoden zu finden, die die Stabilität erhöhen.
Im Echt-Betrieb beobachten
Im Forschungsprojekt sollen nicht nur neue Materialien, die besser funktionieren, gefunden, sondern auch in Echt-Betrieb erprobt werden. Denn oft sei es so, dass etwas im Labor funktioniere, sich das Material im Betrieb jedoch ganz anders verhalte. So höre man immer wieder von neuen Weltrekorden bei der Photokatalyse, tatsächlich aber sei die Effizienz noch ein großes Problem, meint Rupprechter. Wolle man wirklich viel Wasserstoff erzeugen, brauche man die Elektrolyse. Photokatalyse sei viel komplexer als Elektrolyse. Denn ein Photokatalysator müsse Licht absorbieren, die Elektronen-Loch-Paare erzeugen und diese trennen. Das zu steuern, sei nicht einfach. Die nötigen molekularen Strukturen seien komplex. Der Klassiker ist Titanoxid. Das Forschungsprojekt wolle andere Materialien erforschen, zum Beispiel organisch-anorganische Hybridmaterialien. Der Katalysator ist aus anorganischem Material, die »aufgesetzte Antenne« organisch.
Theoretische Modelle
Neben dem Erproben im Echt-Betrieb rechnen einige in diesem Projekt beteiligten Forscher die Prozesse theoretisch durch. Sie erstellen theoretische Modelle der Materialien und gehen die Abläufe in theoretischen Analysen durch. »Da die Materialien hochkomplex sind, müssen neue theoretische Methoden zur Simulation gefunden werden«, erklärt Rupprechter. Dass die Energiewende ein schwieriges Unterfangen ist, daran zweifelt der Projektleiter nicht. Man brauche Energie, um Wasserstoff herzustellen, dieser müsse gespeichert werden, und dann brauche man wieder Energie, um daraus Strom zu erzeugen. Aber was sei die Alternative? Weiter an fossilen Energien festzuhalten, wäre nicht wünschenswert.
Gesucht werden noch Dissertanten, die sich am Projekt beteiligen, und auch Unternehmen. Absichtserklärungen zur Kooperation hat Rupprechter schon von Siemens, ABB oder AVL List. »Wir wollen zunächst nicht Geld von Unternehmen, sondern deren Meinung«, führt der Projektleiter aus – zumindest für den Anfang.