Getrieben von der starken Nachfrage nach klimafreundlichen Heiz- und Kühllösungen verzeichnete Daikin 2022 ein Rekordgeschäftsjahr in Europa. Carl Lievens, Managing Director für die CE-Region, erwartet nun weiteres Wachstum bei Wärmepumpen – der politische und gesellschaftliche Wille für den Ausstieg aus Öl und Gas wäre zweifelsfrei da.
Der Wärmepumpenbereich ist mittlerweile die größte Produktsparte bei Daikin. Welche Erwartungen haben Sie hier für die weitere Marktentwicklung in Europa?
Carl Lievens: Wir sind allein in diesem Bereich in der Region EMEA im letzten Geschäftsjahr um 150 Prozent gewachsen. Getrieben wird der Markt in Europa stark durch den Green Deal der EU und die Zielsetzungen der Dekarbonisierung. Der Krieg in der Ukraine und die Sorge um die Versorgungssicherheit bei Gas haben der Nachfrage noch einmal einen enormen Schub verliehen. Das hat aktuell wieder etwas abgenommen – die Medienberichterstattung ist zurückgegangen, ebenso hat die Kaufkraft abgenommen. Eine Wärmepumpe ist nicht billig im Vergleich zu einer Gastherme.
Wir haben gesehen, dass die Marktdynamik bei Wärmepumpen nicht so stabil ist wie vergleichsweise bei Klimaanlagen. Aber der Wille in der Bevölkerung ist da, auf alternative Energieformen umzusteigen. Wir rechnen für unsere Region Zentral- und Osteuropa mit einer Verdoppelung, wenn nicht sogar Verdreifachung des Umsatzes in den nächsten zwei bis drei Jahren. Die Technologie haben wir seit den 1950er-Jahren – ist doch jede Klimaanlage im Prinzip eine Luft-Luft-Wärmepumpe.
Dieser Markt hängt stark von Förderungen ab.
Lievens: Soll Europa die Dekarbonisierung gelingen, müssen Nachfrage, Wirtschaftlichkeit und auch politische und gesellschaftliche Ziele stärker in Einklang gebracht werden. Trotz des Riesenpotenzials ist der Wärmepumpenmarkt derzeit sehr volatil. Wenn zum Beispiel das Fördersystem in der Slowakei oder in Ungarn für ein paar Monate ausgesetzt wird – aus Gründen wie einer Neubildung der Regierung oder bevorstehenden Wahlen –, wirkt sich das sofort auf die Nachfrage aus.
Auch eine negative Berichterstattung in Medien wie in Deutschland hat Einfluss. Diskutiert werden dort die Investitionskosten für die Energiewende und auch prinzipiell Szenarien, wie der Ausstieg aus der Wärmeversorgung mit Fossilen auch rechtlich gestaltet werden soll. Das führt zu Unsicherheiten bei den Konsument*innen.
Aus welchen Gründen halten Sie an einer Produktion in Europa fest?
Lievens: Es ist ein Grundsatz bei Daikin, nahe an Absatzmärkten zu produzieren. Diese »Proximity Strategy« ermöglicht es uns, besser auf lokale Nachfrageschwankungen oder auf verschiedene rechtliche Voraussetzungen zu reagieren, um Geräte gegebenenfalls anzupassen.
Wir feiern heuer 50 Jahre Daikin in Europa und bauen gerade mit einem 140-Millionen-Euro-Investment ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für rund 350 Ingenieur*innen in Gent in Belgien auf. Die Entwicklung klimafreundlicher Wärmepumpen und Klimalösungen wird bei Daikin künftig weltweit von Europa aus vorangetrieben. Der Konzern ist überzeugt, dass Wärmepumpen eine zentrale Rolle in der Dekarbonisierung spielen. Dafür bereiten wir die Produktionskapazitäten vor: Daikin eröffnet 2024 ein weiteres Wärmepumpenwerk in Polen, in dem zunächst jährlich 400.000 Geräte vom Band gehen werden. Bis 2030 soll das Produktionsvolumen in allen Werken in Europa auf 2,1 Millionen Stück jährlich gesteigert werden
Welche technischen Entwicklungen sind im Wärmepumpenbereich noch zu erwarten – etwa hinsichtlich eingesetzter Gase?
Lievens: Beim Thema Kältemittel – auch F-Gase genannt – ist gerade einiges in Bewegung. Aktuell sind EU-Regulierungen in Diskussion, die zu einer Ablöse von bestimmten Kältemitteln führen sollen, oder als PFAS (Anm. per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) klassifiziert sind. Der Trend geht in Richtung CO2 oder Propan als alternative Kältemittel mit weit geringerem Treibhauspotenzial. Hier die optimale Lösung zu finden, ist momentan ein zentrales Thema unserer Entwicklungsaktivitäten.
Man muss verstehen, dass man nicht einfach ein anderes Kältemittel in eine Wärmepumpe füllen kann, sondern das Gerät exakt auf die thermodynamischen Eigenschaften des Kältemittels ausrichten muss, um die Balance zwischen Energieeffizienz und Sicherheitsstandards zu erfüllen. Gerade was Effizienz betrifft, unterscheiden sich unsere Lösungen auch heute schon stark vom Mitbewerb.
Carl Lievens ist Managing Director bei der Daikin Airconditioning Central Europe HandelsgmbH mit Sitz in Wien und verantwortet 16 Märkte in Zentral- und Osteuropa. (Foto: Daikin/ Matthias Silveri)
Welche Herausforderung sehen Sie bei Umgebungsgeräuschen einer Wärmepumpe in dicht besiedelten Gebieten?
Lievens: Bei der Wahl eines Geräts sollte man immer auch auf die Lärm-Emissionen achten. Daikin ist mit seinen Lösungen in dieser Hinsicht bereits führend, das Dezibel-Niveau der Geräte ist sehr niedrig. Prinzipiell setzen wir bei allen Anlagen auf die optimale Kombination aus Energieeffizienz, Sicherheit und möglichst geringen Emissionen – auch im Sinne von Schall.
Wie ist die Wärmewende in den Städten zu schaffen? Traditionell gibt es dort eine Vielzahl von Gasetagenheizungen.
Lievens: In Wien zum Beispiel wird man einen signifikanten Prozentsatz auf Fernwärme- und Fernkälte umstellen können – rund 40 Prozent wurden bereits genannt. Alles andere wird über Wärmepumpen laufen müssen. Und hier sind auch die Hersteller gefordert. Denn, wie geht man mit Mehrfamilienhäusern um? Die grundlegende Technologie gibt es seit den achtziger Jahren mit unseren VRV-Geräten.
Die modulare Serie ist etwa für Hotels und Bürogebäude gedacht, eignet sich aber auch für Häuser mit mehreren Wohneinheiten. Die Geräte können heizen und kühlen und bieten sogar eine Wärmerückgewinnung: Wenn in einzelnen Räumen mit starker Sonneneinstrahlung gekühlt werden muss, in anderen Bereichen aber die Temperatur angehoben werden soll, wird dieser Wärmeunterschied direkt genutzt. Was aber generell noch fehlt, ist die Möglichkeit einer Kostenumlage für unterschiedliche Abnehmer. Auch im gewerblichen und industriellen Bereich werden Großwärmepumpen und Kältemaschinen für die Fernkälte eine Riesenrolle spielen.
Haben die Hersteller und Installateure genügend Fachkräfte, um dem großen Bedarf nachzukommen?
Lievens: Leider nein. Berichten zufolge werden künftig bis zu 100.000 Klimafachkräfte alleine in Österreich benötigt. Wir sehen hier auch unsere Verantwortung als Branchenführer und sind gerade dabei, mit der Daikin Central Europe Academy einen regionalen Ansatz und Synergien zwischen unseren 16 Ländern der CE-Region zu schaffen. Wir sind offen für Partnerschaften und Kooperationen auch mit anderen Branchenvertretern.
Eine zentrale Zielgruppe für die Akademie sind Heizungsinstallateure, die auf unterschiedliche Wärmepumpen-Technologien umgeschult werden müssen. Das kann von der Wissensvermittlung zu einfacheren Monoblock-Systemen reichen bis zu Fortbildungen zur Installation und Wartung von Splitanlagen mit Außen- und Innengeräten. Auch F-Gas-Zertifizierungen für Fachkräfte werden benötigt. Natürlich wollen wir auch junge Menschen für Klimaberufe interessieren, etwa in einer Kooperation mit der Dualen Akademie Bratislava, die von Volkswagen, Siemens und weiteren Partnern ins Leben gerufen wurde. Neue Ausbildungen für Zukunftsberufe für die Energiewende zu schaffen – davon sollten alle profitieren, nicht nur Daikin.
Der Markt in Europa wird Prognosen zufolge im Jahr 2030 auf 14 Millionen neue Heizsysteme anwachsen. Das wird nur mit einer gesunden Portion Commitment aller und mit Zusammenhalt in Europa zu schaffen sein.
Analyse: Geschäftsjahr und Positionierung
Die Daikin Unternehmensgruppe hat das vergangene Geschäftsjahr (Ende März 2023) mit 5,2 Milliarden Euro Umsatz abgeschlossen, dem bisher besten Ergebnis in der Firmengeschichte. Das Tochterunternehmen Daikin Central Europe mit Hauptsitz in Wien hat wesentlich zum Erfolg beigetragen, mit Rekordergebnissen in 16 Märkten der Region Central Europe. Die Muttergesellschaft Daikin Industries mit Sitz in Japan hat 96.000 Mitarbeitende weltweit. In der CE-Region sind es 700 Mitarbeitende, ebenso hat Daikin zwölf Fabriken in Europa.
Die Nachfrage nach Wärmepumpenheizungen ist in Europa schneller als je zuvor gewachsen – um über 40 Prozent im Vergleich zu 2021. Im Geschäftskundenbereich sieht sich der Hersteller mit seinem Portfolio für beispielsweise den Handel, für Rechenzentren oder Lagerhäuser aber auch für große gewerbliche und industrielle Anwendungen im Vorteil.