Mittwoch, November 20, 2024
Grün produziert, grün gespeichert
Von außen unspektakulär, doch sie könnte zu einem der Gamechanger der Energiewende werden: Die SolidFlow-Riesenbatterie speichert künftig im Testlauf im Burgenland. (Credit: Burgenland Energie)

„Goldene Stunden und Energieunabhängigkeit“ feiert man ab jetzt im Burgenland - mit einem der weltweit ersten nachhaltigen Großspeicher - für ebenso nachhaltige Energien. Der Speicher kommt ohne rohstoffkritische Materialien wie Lithium aus und wird künftig überschüssige Energie aus einem Solarpark aufnehmen und gezielt einspeisen. 

Am Montag wurde die weltweit erste betriebsbereite organische SolidFlow-Batterie erfolgreich ausgeliefert. CMBlu Energy, der Hersteller dieser besonders sicheren und günstigen Batteriespeicher, und Burgenland Energie haben mit einem „Richtfest“ mit Vertreter*innen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft diesen Meilenstein gefeiert. Die Weltpremiere fand am hybriden Solar- und Windpark Schattendorf in der Nähe der ungarischen Grenze statt. Damit kommt die innovative und nachhaltige Organic-SolidFlow-Technologie erstmalig im Feld zum Einsatz - und soll künftig beweisen, dass ein vollständig erneuerbares Energiesystem möglich ist.

Energie- und geopolitisches Vorbild

„Das Burgenland hat sich ein klares Ziel gesetzt: Wir wollen und wir werden 2030 klimaneutral, energieunabhängig und damit auch preisunabhängig sein“, betonte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil bei der Präsentation in Eisenstadt. Man hätte es sich leicht machen und auf Lithium-Ionen-Speicher setzen können. „Aber das hätte nicht zu unserer Haltung gepasst, dass wir die Energie aus den natürlichen und fairen Ressourcen gewinnen wollen. Deshalb haben wir eine Forschungskooperation mit CMBlu gewählt, um ein europäisches Modell zu erreichen und zu errichten. Wir wählen nicht den einfachen Weg, wir versuchen, den dauerhaft und nachhaltig richtigen Weg zu wählen“, so Doskozil stolz.

 SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil: „Speicherlösungen, wo wir die Ausbeutung von Minen und anderen Kontinenten in Kauf nehmen, sind nicht das soziale Bild, das wir im Zuge einer Energiewende akzeptieren werden.“

Die organischen SolidFlow-Batterien kommen ohne kritische Rohstoffe wie Lithium oder Kobalt aus. Damit nehmen sie eine besondere Bedeutung ein - für die Unabhänigkeit des europäischen Energiemarkts, aber insbesondere für die Unabhängigkeit von Staaten, deren Regierungen unfaires oder erpresserisches Verhalten an den Tag legen, meinte Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich. „Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist nicht nur klimapolitisch, sondern auch geopolitisch das Gebot der Stunde. Kein Diktator dieser Welt kann uns den Wind oder die Sonne abdrehen“, erklärt er und führt weiter aus: „Die EU hat sich das Ziel gesetzt, den Anteil der Erneuerbaren am Energieverbrauch bis 2030 auf 42,5 Prozent zu verdoppeln. Dabei müssen wir natürlich aufpassen, dass wir uns nicht in neue Abhängigkeiten begeben.“ Darum sei es umso wichtiger, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen CO2-neutralen Industrie zu stärken und sich ein sicheres Netz an zuverlässigen Rohstofflieferanten aufzubauen.

Das Thema der Energiesicherheit habe laut Stephan Sharma, Vorstandsvorsitzender der Burgenland Energie, durch den Krieg in der Ukraine und die Diskussionen über Blackouts in der Bevölkerung größere Relevanz erhalten. „Wir bemerken, dass die Unsicherheit der letzten Jahre dazu geführt hat, dass die Nachfrage nach Stromspeichern massiv gestiegen ist. Innerhalb eines Jahres hat sich die installierte Speicherkapazität in Europa verdreifacht.“

Sie alle setzen große Hoffnungen auf die neue Speichertechnologie (v.l.n.r.): Reinhard Czerny, Martin Selmayr, Stephan Sharma (Vorstandsvorsitzender der Burgenland Energie), Peter Geigle (CEO der CMBlu Energy) und Landeshauptmann Hans Peter Doskozil.

Speicherkapazitäten für die Energiewende

Auch im Kontext der Netzkapazitäten seien Speicherinfrastrukturen von großer Bedeutung, erklärte Thomas Kienberger: „Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, dann brauchen wir dafür auch einen entsprechenden Netzausbau. Und selbstverständlich unterstützen Speicherlösungen hier auch bei einer vernünftigen und optimalen Nutzung der Netzkapazitäten.“ Gründer und CEO der CMBlu Energy, Peter Geigle, ergänzte: „Mit der erfolgreichen Auslieferung ist nun der Grundstein gelegt, um die Technologie in verschiedensten Szenarien zu testen. Unser Fokus liegt in den kommenden Wochen darauf, die Leistung unserer Technologie zu evaluieren und dann weitere Speicher mit einer Gesamtkapazität von 300 MWh ins Burgenland zu liefern.“

Detailaufnahme: SolidFlow-Batterien speichern die elektrische Energie in nahezu unbegrenzt verfügbaren Elektrolyten, verwenden keine umweltgefährdenden Materialien, sind nachhaltig und – da nicht brennbar – sehr sicher zu betreiben.

„Unabhängigkeit bedeutet, dass wir das ganze Jahr über unsere Energie im Burgenland selbst erzeugen und jederzeit zur Verfügung haben“, betonte Stephan Sharma. Mit Wind und Sonne könne man Energieunabhängigkeit erreichen, „wir müssen aber auch akzeptieren: Dieses „Gold“ ist nicht zu jeder Stunde im Jahr verfügbar.“ Ein typischer Wind- und PV-Tag habe zwei Phasen, eine Unter- und Überdeckung der Nachfrage. „Um das für ein energieunabhängiges System auszugleichen, brauchen wir bis 2030 ein Speichervolumen von rund 300 Megawattstunden.“

Marktreife austesten

„Der Speicher hat bisher ausgezeichnete Ergebnisse im Labor erzielt“, betonten Geiger und Sharma. Der Einsatz in der freien Stromwildbahn werde weitere Erkenntnisse - und Herausforderungen - bringen. „Aber wir setzen gemeinsam alles daran, dass diese Technologie voll einsatzfähig wird und möglichst rasch auch zur Marktreife gelangt.“

Die erst Anfang 2023 errichtete Hybrid-Photovoltaik-Anlage in Schattendorf verfügt über eine Gesamtleistung von 15 Megawatt. Die an den Solarpark angeschlossene Organic-SolidFlow-Batterie befindet sich zunächst als „Battery-Lab“ in einem 40-Fuß großen, klimatisierten und ortsunabhängigen Container. Weitere Batterien sollen in den kommenden Monaten an verschiedenen Standorten installiert werden. Die in Deutschland gefertigten Großspeicher sind konsequent modular aufgebaut und können daher einfach in Hochregalsystemen konfiguriert werden – so entstehen große und kostengünstige „Lagerhäuser für Strom“, die bis in den Gigawattstunden-Bereich erweiterbar sind.

(Fotos: Burgenland Energie)

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