Mittwoch, November 20, 2024
Gewinn durch Klimaschutz
Der Konzern Agrana will CO2-Emissionen in der eigenen Produktion bis 2040 auf Netto-Null reduzieren. (Credit: Agrana)

Von der Abwärme über die Biomasse bis zur Photovoltaik – Österreichs Unternehmen schreiten in Sachen Energiewende voran. Und das ergibt in mancherlei Hinsicht Sinn, zeigen prominente Beispiele. 

Die Industrie ist »nicht bloß ein großer Verbraucher, sondern im Zuge der Energiewende auch immer mehr integrativer Bestandteil einer gesicherten Energie-Infrastruktur – sei es durch Bereitstellung von Abwärme für die Beheizung von Haushalten oder von öffentlichen Gebäuden, sei es durch flexibles Zu- und Abschalten von Großverbrauchern oder Stromerzeugungsanlagen zur Stabilisierung des Stromnetzes«, heißt es in einem aktuellen Rundbrief des Energieinstituts der Wirtschaft (EIW), des Instituts für Industrielle Ökologie (IIÖ) und des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI). Österreichweit werden rund 85.000 Haushalte mit Fernwärme auf Basis industrieller Abwärme versorgt. Und was die Flexibilität anlagt, kann die Industrie etwa 100 bis 200 Megawatt bereitstellen.

Was in Sachen klimaverträglicher (Selbst-)Versorgung mit Energie so drin ist, demonstriert keineswegs zuletzt der Faserkonzern Lenzing. Er erwarb vor kurzem das 43-MW-Biomassekraftwerk der Energie 42 Beteiligungs GmbH im Businesspark Heiligenkreuz im Burgenland und nutzt dieses nun zur Versorgung seiner nahegelegenen Faserfabrik. Deren Energiebedarf deckte der Konzern bisher zu rund 90 Prozent mit Erdgas. Mithilfe des Biomassekraftwerks kann die Lenzing rund 50 Prozent des fossilen Energieträgers ersetzen. Das verringert nicht nur die Abhängigkeit von Gasimporten erheblich, sondern bringt auch eine Senkung der CO2-Emissionen um rund 50.000 Tonnen pro Jahr mit sich. Zurzeit werde die Anlage »auf Effizienz und Leistungssteigerung« getrimmt, hieß es auf Anfrage des Energie Report.

Ökologie und Effizienz: Viele österreichische Unternehmen haben sich bis zur letzten Faser der Energiewende verschrieben. (Bild: Lenzing AG/Markus Renner)

Und das ist noch lange nicht das Ende der gewissermaßen »konzerneigenen« Energiewende: Die Lenzing plant, ihren Strombedarf in Heiligenkreuz zumindest teilweise mithilfe einer 40-MW-Photovoltaikanlage im unweit gelegenen Güssing zu decken: »Darüber hinaus ist ein weiterer Ausbau an Photovoltaik-Anlagen für den Standort Heiligenkreuz inklusive Energiespeicher und Wärmepumpen in Planung.« Verhandlungen mit der Burgenland Energie und der Netz Burgenland hinsichtlich entsprechender Projekte seien im Laufen – »unter vorbildlicher Unterstützung seitens Landeshauptmann Hans Peter Doskozil«, wie die Lenzing ausdrücklich betonte. Entstehen sollen derartige Anlagen aber auch an ausländischen Standorten des Konzerns, etwa in China und Indonesien. Nach Angaben der Lenzing sind dort »Photovoltaik-Anlagen bereits in Planung, deren Errichtungen wir für die nächsten zwei Jahre forcieren«.

Agrana auf Klimakurs

Auf »Klimakurs« ist ferner ein weiteres österreichisches Vorzeigeunternehmen: der Frucht-, Stärke- und Zuckerkonzern Agrana. Er verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, die CO2-Emissionen »in der eigenen Produktion bis 2040 auf Netto-Null zu reduzieren. Zur Erreichung der Emissionsziele sind Photovoltaikanlagen an unseren Produktionsstandorten ein wichtiger Baustein in unserer Dekarbonisierungsstrategie«. Wie es gegenüber dem Energie Report hieß, läuft nicht zuletzt aus diesem Grund seit vergangenem Jahr eine »Grünstrom-Offensive«. In deren Rahmen installierte die Agrana in ihren Fabriken in Gmünd, Pischelsdorf und Kröllendorf Photovoltaikanlagen: »Weitere Standorte in Österreich und auch außerhalb werden folgen.«

RWA Solar Solutions setzt für Agrana PV-Flächen am Dach von ­Verarbeitungsanlagen um. (Bild: Agrana/APA/Schedl)

Bis dato wurden Anlagen mit einer Gesamtfläche von mehr als 6.700 Quadratmetern installiert, »weitere 15.000 Quadratmeter Modulfläche sind in Österreich geplant. Die gesamte Energieausbeute soll in Österreich jährlich 3.400 MWh betragen.« In Österreich handelt es sich meist um Dachflächenanlagen. Die Errichtung der bisher erbauten Anlagen erfolgte in Zusammenarbeit mit der Raiffeisen-Tochter RWA Solar Solutions, und zwar mittels für beide Seiten vorteilhafter Contracting-Modelle. 

Rechenzentrum heizt Krankenhaus

Im Zuge der allgegenwärtigen Digitalisierung zunehmend attraktiv wird auch die Nutzung der Abwärme von Rechenzentren. Ein Beispiel ist die Klinik Floridsdorf. Zu deren Beheizung trägt künftig das nur einige hundert Meter entfernte Rechenzentrum von Digital Realty in Österreich (vormals Interxion) teil. In der Energiezentrale der Klinik installiert die Wien Energie drei Wärmepumpen des bekannten Herstellers Equans.

Um Leichtgewichte handelt es sich eher nicht: Jede der Anlagen kommt auf ca. 6,5 Tonnen. In etwa so viel bringt ein wohlgenährter Elefant auf die Waage. Die Leistung jeder der Pumpen beläuft sich auf 1 MW, was in Summe ausreicht, um 50 bis 70 Prozent des Wärmebedarfs des Krankenhauses mit seinen 800 Betten zu decken. Nach Angaben der Wien Energie beläuft sich dieser auf mehr als 21.000 MWh pro Jahr, die benötigte Heizleistung liegt bei 13 MW. In einem durchschnittlichen Jahr wird die Klinik an rund 150 Tagen beheizt. Durchaus erwünscht ist, dass mithilfe der Wärmepumpen die in der Klinik anfallenden CO2-Emissionen um rund 4.000 Tonnen pro Jahr sinken. 

Anlieferung der Wärmepumpen für die Klinik Floridsdorf. Gespeist werden sie in dem Projekt von Wien Energie mit der Abwärme aus dem Kühlsystem eines nahegelegenen Rechenzentrums in Form von rund 26 Grad warmem Wasser. (Bild: Wien Energie/Thomas Topf)

High Noon für Förderungen

Der Unterstützung der hochwohllöblichen Politik kann sich die Wirtschaft bei derartigen Vorhaben sicher sein. Im Rahmen des Umweltförderungsgesetzes sind für die »Transformation der Industrie« bis 2030 insgesamt 2,975 Milliarden Euro budgetiert. Laut der Kommunalcredit Public Consulting (KPC), die das entsprechende Förderprogramm abwickelt, erhalten Unternehmen für die »Reduktion von prozessbedingten Treibhausgas-Emissionen« eine Unterstützung von »bis zu 80 Prozent der beihilfefähigen Investitionskosten«. Je eingereichter Maßnahme sind es maximal 30 Millionen Euro.

Und die erste Deadline für das Akquirieren der Mittel steht fest: Frei nach Fred Zinnemanns Westernklassiker endet um 12 Uhr Mittag des 18. September die Ausschreibung zur Förderung von Investitionskosten im Jahr 2023. Dafür stehen laut den Unterlagen der KPC »175 Mio. Euro für Industrieanlagen und Pilot-/Demonstrationsanlagen zur Verfügung. Davon fallen 140 Millionen Euro auf Industrieanlagen und 35 Millionen Euro auf Pilot- und Demonstrationsanlagen. In den Folgejahren bis 2030 werden weitere Ausschreibungen, sowohl zur Förderung von Investitionskosten als auch zur Förderung von Betriebskosten, stattfinden«.

Sinnvolles Gesetz

Stichwort Politik: Kürzlich beschloss das Parlament bekanntlich das Strompreiskosten-Ausgleichsgesetz (SAG). Mithilfe der Förderungen auf Basis des Gesetzes können rückwirkend für 2022 bis zu 75 Prozent der »indirekten« CO2-Kosten energieintensiver Unternehmen abgedeckt werden. Und das ist durchaus zu begrüßen, hieß es seitens der Lenzing gegenüber dem Energie Report: »Die hohen Energiepreise sind nicht nur im globalen Vergleich, sondern auch im Vergleich mit europäischen Nachbarn für uns ein erheblicher Standortnachteil.«

Nun müsse die EU-Kommission im Zuge des Notifizierungsverfahrens entscheiden. »Österreich war bis vor kurzem das einzige Land in Europa, das keine Strompreiskompensation hatte. Es wäre jetzt sehr hilfreich, die Transformation der Industrie weg von fossilen Brennstoffen hin zu Strom und anderen Energieträgern langfristig und vor allem planbar zu gestalten«, stellte die Lenzing klar. 


Online-Check Energieeffizienz

Die im vergangenen Jahr massiv gestiegenen Energiekosten sowie das Bestreben, ihre Abhängigkeit von Gas, Kohle und Öl zu verringern, veranlasst viele Unternehmen zu Projekten, um ihre Energieeffizienz zu steigern. Zu einem ersten Überblick über möglicherweise sinnvolle Maßnahmen verhilft ein Online-Ratgeber, den das EIW gemeinsam mit Fachleuten der Wirtschaftskammer und der Österreichischen Energieagentur entwickelte.

Zugänglich ist das Tool unter ratgeber.wko.at/energieeffizienz

 

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