Das vergangene Jahr war für die heimischen Konsument:innen ein Jahr großer Herausforderungen. Noch nie hat es so viel Verunsicherung auf den Strom- und Gasmärkten gegeben wie 2022. Der Regulator E-Control zieht Bilanz.
Die aktuellen Ergebnisse einer Umfrage unter 1.000 österreichischen Haushalten zeigen, dass die Beschäftigung mit Strom und Gas stark zugenommen hat. So geben 80 Prozent der Befragten an, sich „sehr stark“ oder „immer wieder“ mit dem Thema Energiekosten zu beschäftigen. Das ist eine Steigerung um 20 Prozentpunkten in den letzten zwei Jahren. „Die große Mehrheit der Verbraucher:innen kennt ihren aktuellen Strom- oder Gaspreis nicht. 72 Prozent der Befragten geben an, nicht genau zu wissen, wie viel sie für die Kilowatt-Stunde bei Strom bezahlen, bei Gas wissen das sogar 88 Prozent nicht“, bedauert Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der E-Control.
Für ein Viertel der Verbraucher:innen haben sich im letzten Jahr die Teilzahlungsbeträge bei Strom (25 Prozent) nicht nachvollziehbar geändert, bei Gas waren es 28 Prozent. „Auch hier fordern wir mehr Transparenz im Sinne der Konsument:innen“, betont Urbantschitsch. Die Beratungsstelle der E-Control verzeichnete 2022 rund 30.000 Anfragen und Beschwerden (eine Steigerung von 260 Prozent), die Schlichtungsstelle weitere 2.800 Anfragen und Beschwerden (plus 120 Prozent) sowie 1.800 Verfahren (plus 180 Prozent).
Thematisch behandeln die Anfragen und Beschwerden vor allem die Abrechnung. Viele Konsument:innen können sich einerseits hohe Nachzahlungen nicht erklären und zusätzlich ihre neuen Teilbetragsvorschriften nicht nachvollziehen. Auf kürzlich gelegten Abrechnungen für Strom ist außerdem bereits der Stromkostenzuschuss ausgewiesen. Auch hier herrscht Unsicherheit über die Art der Berechnung. „Aus unserer Sicht wäre es notwendig, dass die Energielieferanten hier mehr Hilfestellung leisten und für mehr Transparenz auf den Abrechnungen sorgen. Auch sollten einfach zugängliche Kundenserviceangebote selbstverständlich sein“, so Urbantschitsch.
Aufwärtstrend und Sinken
Konsument:innen und Industriekunden sahen sich 2022 mit steigenden und sehr volatilen Energiepreisen konfrontiert. Die Haushaltsenergiepreise für bestehende Verträge wurden dabei noch durch längerfristige Beschaffungsstrategien der Versorger gedämpft, jene für Neukund:innen stiegen insbesondere im dritten Quartal 2022 rasant an. „Dies spiegelte eine noch nie dagewesene Entwicklung auf den Großhandelsmärkten für Strom und Gas wider, die 2022 für ein insgesamt erhöhtes Preisniveau mit einigen beispiellosen Preisspitzen sorgte“, bilanziert Urbantschitsch. Und weiter: „Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass 74 Prozent der Verbraucher:innen im letzten Jahr von einer Strom- oder Gaspreiserhöhung betroffen waren.“
Seit Herbst 2022 haben sich sowohl Strom- als auch Gaspreise an den Großhandelsmärkten langsam, aber kontinuierlich nach unten bewegt. Dies hängt einerseits mit den europäisch implementierten Maßnahmen (etwa zur Speicherbefüllung und Gasquellendiversifizierung) zusammen, aber auch mit einem relativ milden Winter und einer gedämpften weltwirtschaftlichen Entwicklung.
Die etwas ruhigeren Großhandelsmärkte zeigen jedoch einen differenzierten Ausblick auf die Preise. Der Gaspreis für zukünftige Lieferungen zeigt noch bis Ende 2024 ein Niveau von 50-60 Euro pro MWh. Danach sollten unter anderem zusätzliche Flüssiggasprojekte weltweit zu einem höheren Angebot und damit weiter sinkenden Preisen führen. Strom für den Winter 2023/24 kostet am Großhandel derzeit zwischen 140 und 180 Euro/MWh mit leicht sinkender Tendenz in den folgenden Jahren. Unsicherheit besteht hier vor allem in Hinblick auf die Erzeugung aus Atomkraftwerken in Europa. Um auch langfristig ein niedrigeres Preisniveau zu bekommen, wird das Erreichen der Erneuerbaren-Ausbau-Ziele ein zentrales Element sein.
Da Energieunternehmen ihre Mengen üblicherweise ein bis zwei Jahre im Voraus einkaufen, kommt die Preisreduktion auf den Großhandelsmärkten nun langsam bei den Endkund:innen an. Während es im Jänner 2023 somit noch zu Preiserhöhungen für Haushalte kam, haben inzwischen einige größere Unternehmen für das zweite Quartal erwartungsgemäß angekündigt, die Preise nicht mehr weiter zu erhöhen oder sogar wieder leicht zu senken. „Wir gehen davon aus, dass hier noch viele weitere Unternehmen ihre Preise nach unten anpassen werden. Die Preis- und Kostensituation haben wir uns dazu im Detail angeschaut.“, betont Urbantschitsch.
Wer bereits einen Smart Meter daheim im Einsatz hat, kann schon seit einiger Zeit auch als Haushalt Strom zu den stündlich aktuellen Börsenpreisen – plus Händleraufschlag – beziehen. Das sei vor allem dann interessant, wenn durch eine Home-Automation etwa Tiefkühltruhen oder Warmwasserspeicher dann laufen, wenn Strom an der Börse gerade günstig ist.
Das Bewusstsein, mit Strom und Gas sorgsam umzugehen, ist im vergangenen Jahr noch einmal deutlich angestiegen, das beweist auch die aktuelle Umfrage zum „Status quo am Energiemarkt 2023“. 59 Prozent der Befragten hat angegeben, im letzten Jahr zusätzliche Energiesparmaßnahmen gesetzt zu haben. „Mit Abstand führend ist dabei, weniger zu heizen. Energiesparmaßnahmen werden vor allem dort gesetzt, wo der Aufwand am geringsten ist“, erläutert E-Control-Vorstandskollege Alfons Haber. Und er betont: „Dass auch einfache Einsparungen Sinn machen, zeigt sich nicht zuletzt in der Strom- und Gasverbrauchsentwicklung. Sowohl der Strom- als auch der Gasverbrauch sind im Jahr 2022 insgesamt zurück gegangen. Und das, obwohl in den ersten Monaten sogar noch mehr Strom verbraucht wurde. Die Reduktion kam im zweiten Halbjahr zustande, vor allem im Oktober. Bei Gas wurde ab Beginn der Heizsaison deutlich weniger verbraucht.“
In Summe lag der Enverbrauch bei Strom im Jahr 2022 bei 64 TWh, was in Summe ein Minus von 2,8 Prozent bedeutet. Bei Gas lag der Endverbrauch bei 86,4 TWh, 2021 waren es rund 96,3 TWh und selbst im Corona-Krisenjahr 2020 waren es 90,6 TWh.