„Beim Kauf einer PV-Anlage kann allerhand falsch laufen.“ Nicolas Rieger, Co-Geschäftsführer von Solarr.at, kennt das aus der Praxis: Der Weg zur eigenen Solaranlage erweist sich für viele Kund*innen als teurer Hindernismarathon. Wieso? Vom Förderungsparcours, unlogischen Amortisierungsberechnungen und mehr.
Man sollte meinen, in Anbetracht der Klimakrise sollte klimafreundliches Verhalten - wie der Installation einer Solaranlage - belohnt oder zumindest so leicht wie möglich gemacht werden. Allerdings erweist sich allein der Antrag auf Förderung als Stressprobe: Die meisten Hausbesitzer fallen in die Förderungskategorie A (0,01 bis 10 kWp; Kilowatt-Peak oder kWp). Pro 1kWp bekommt man in Österreich eine Förderungssumme 285 Euro, bei Anlagen mit 10 kWp sind dies maximal 2.850 Euro pro Anlage. Bei einer Anlage, die 25.000 Euro kostet, entspricht das rund 10 Prozent der Gesamtsumme.
„Eine Förderung ist nur bis Inbetriebnahme der Anlage möglich“, erklärt Solarr.at.-Geschäftsführer Nicolas Rieger. Derzeit gibt es in Österreich aber nur viermal jährlich einen sogenannten Fördercall - an einem bestimmten Wochentag und einem exakt definierten Zeitpunkt, beispielsweise 17:00 Uhr. „Dann sitzen in Österreich tausende Menschen gespannt vor dem Computer, um ihre Förderung zu beantragen“, so Rieger. „Da der Fördertopf aber limitiert ist, öffnet sich der Call für maximal drei bis vier Minuten. Ist man zu langsam, muss man wieder drei Monate warten.“ Schafft man es dann auch nicht, dann heißt es wieder drei Monate warten...oder man baut die Solaranlage eben ohne Förderung.
Es rechnet sich nicht
„Fakt ist, dass sich die Förderung nur dann rechnet, wenn man beim ersten Förderungscall die Zusage erhält“ sagt Rieger, „dies ist aber aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre durch das ‚first come, first serve‘ - Prinzip extrem schwierig, insbesondere bei der derzeit hohen Inflation, den steigenden Stromkosten und weltweiten Lieferengpässen.“ Die Wahrscheinlichkeit sei hoch, dass sich die geplante PV-Anlage in dieser Zeit massiv verteuert. Wenn man zwei bis drei Versuche benötigt, hätte man schon 9 Monate an Amortisationszeit gewonnen, die sich in den meisten Fällen mit der Fördersumme überschneidet. Zynischerweise gibt es darum sogar Videotutorials, wie man sich auf diesen Call im Vorfeld am besten vorbereitet (Link: https://www.oem-ag.at/de/foerderung/)
Keine Förderung, dafür rasche Amortisation
Angenommen, ein Interessent wartet ein halbes Jahr auf die Förderung und hat einen Stromverbrauch von 5.000 kWh pro Jahr, mit einem Tarif für 0,40 Euro pro kWh wären das 2.000 Euro Stromkosten pro Jahr und daher 1.000 Euro im Halbjahr. Wenn man nun die 10 kWp Anlage errichtet und den überschüssigen Strom, in diesem Beispiel ebenso 5.000 kWh in das Netz speist und der OeMG weiterverkauft (Tarif momentan bei 0,51 Euro), wären dies 2.550 Euro im Jahr und im halben Jahr 1.275 Euro. Hätte man also nicht auf die Förderung gewartet, wäre das eine Kostenersparnis von 2.275 Euro.
Ähnlich mit der Förderung: Diese beträgt per se bei einer 10 kWp Anlage maximal 2.850 Euro. Wenn man die Anlage sofort errichtet und nicht auf die Förderung wartet, hätte man in einem halben Jahr fast die komplette Fördersumme eingespart.
Bremse Beantragung
Nicht nur die Förderung kann den Traum von der eigenen PV-Anlage ausbremsen, sondern auch die Antragsbestätigung für eine Zählerpunktnummer sowie das Warten auf die Genehmigung für die Inbetriebnahme. Am 30. Dezember des vergangenen Jahres hat die EU dazu allerdings eine Notverordnung auf den Weg gebracht, die Bewilligungsverfahren für PV-Anlagen beschleunigen soll. Die Empfehlung von Experte Nicolas Rieger: „Ergo, mit der Fertigstellungsmeldung sollte bis zur Ticketziehung gewartet werden.“
PV-Anlage: Worauf muss ich achten?
1. Ist das Dach geeignet? Dachstühle die über 30-40 Jahre alt sind, könnten sich als problematisch erweisen und sollten von einem Statiker begutachtet werden. Speziell Eternit-Dächer, die vor 1991 erbaut wurden, weisen fast immer Asbest auf.
2. Speicher/Batterie: Macht ein Speicher wirtschaftlich Sinn oder nicht? Es wird hier propagiert, das ein Speicher keinen Sinn macht, das hängt allerdings mit dem Verbraucherprofil zusammen. Eine einheitliche Antwort gibt es nicht - und es hängt auch vom jeweiligen Speicher ab: Ist dieser beispielsweise ersatzstromfähig (auch der Wechselrichter)? Ersatzstrom heißt im Endeffekt, dass die ganze Anlage komplett autark nach einem Stromausfall funktioniert.
3. Smartmeter: Für eine PV-Anlage benötigt man einen Smartmeter. Besitzt man noch einen analogen Wechselstromzähler, sollte dieser vom Netzbetreiber ausgewechselt werden. Sollte eine Wärmepumpe existieren und es deshalb zwei Zähler geben, muss dieser vor dem Bau der PV-Anlage auf einen Zähler zusammengelegt werden.
4. Ausrichtung der PV-Module: Optimal wäre eine Ausrichtung gegen Süden. Ebenso würde es aber Sinn machen, die Module Ost/West auszurichten, dann hätte man den maximalen Ertrag in den Morgenstunden und ab Mittag den maximalen Ertrag im Westen. Einige zusätzliche Module im Süden erweisen sich speziell in den Wintermonaten als sinnvoll, wo die Sonne anders steht.
5. Wartung: Es herrscht der Irrglaube, dass PV-Module alle ein bis zwei Jahre gewaschen oder gewartet werden müssen. Aber: Ein Modul ist meistens im Winkel von 20 bis 40 Grad aufgestellt. Durch Regen waschen sich die Module selbständig. Sollte ein Modul ausfallen, gibt es sogenannte Leistungsoptimierer, die auf den Modulen installiert werden. Mit deren Hilfe können die Probleme einfach via Smartphone-App, Tablet etc. identifiziert werden. Außerdem haben Module meistens eine 20-jährige Produktgarantie.
6. Kaufen ist besser als mieten: Oftmals wird beworben, dass die Miete von PV-Anlagen günstiger sei als der Kauf. In diesem Zusammenhang werden vor allem die Investitionskosten angeführt. Aber: Bei diversen Plattformen und Anbietern liegt die Mietrate für 10 kWp bei rund 136 Euro pro Monat. Auf die 20 Jahren Bindungszeit verrechnet kostet die Miet-Anlage um die 32.600 Euro – rund ein Drittel mehr als eine einmalig gekaufte. Denn die gestiegenen Preise haben dazu geführt, dass sich private PV-Anlagen erst später rechnen als noch vor einigen Jahren. Bei Mietangeboten, die in der Regel durch Finanzierungs- und Servicekosten über die Mietdauer teurer sind als Kaufanlagen, führt das schnell dazu, dass die versprochene Kostenersparnis erst gegen Ende oder sogar nach Ende des Mietvertrages eintritt. Das sollte man sich bewusst machen und Ersparnisrechnungen der Anbieter genau prüfen.
7. Argument Materialknappheit: Verfügbares Material für PV-Anlagen ist ausreichend vorhanden und selbst wenn einige Marken und Produkte nicht verfügbar sind, gibt es gleichwertige Alternativen. Die Gründe für solche Aussagen sind entweder Mitarbeitermangel oder eine zu geringe Bevorratung an Material bei den Gewerken.
(Titelbild: solarr.at)