Sonntag, Dezember 22, 2024

Stephanie Jakoubi, SBA Research, Universität Wien, ist Gründungsmitglied der Initiative ­Women4Cyber Austria. Das Ziel: Frauen in der IT-Sicherheitsbranche zu vernetzten, weibliche Fachkräfte zu fördern und mit manchem Missverständnis aufzuräumen.

Titelbild: Stephanie Jakoubi ist an der Schnittstelle von Forschung und Wirtschaft bei SBA Research und Universität Wien tätig. (Credit: Luiza Puiu)

Frau Jakoubi, gibt es zu wenig Frauen in der Cybersicherheit?

Stephanie Jakoubi: Definitiv – einer Studie des VÖSI zufolge bilden Frauen lediglich ein Prozent des Arbeitsmarktes in der IT-Sicherheit. Die Branche hat allgemein schon zu wenige Experten zur Verfügung. Neues Personal zu bekommen, geschieht meistens nur noch über das Abwerben. Dass man das Potenzial der Hälfte der möglichen Arbeitskräfte der Bevölkerung für diese Berufe wenig nutzt, trägt nicht gerade zur Entspannung am Jobmarkt bei. 

Welche Folgen sehen Sie daraus für Unternehmen?

Jakoubi: Abgesehen von einem wirtschaftlichen Schaden – mangels Mitarbeiter*innen verlieren Unternehmen Umsätze und Aufträge – geht eine Perspektive für Produkte und Lösungen verloren.

Welche Ziele haben Sie sich mit dem Verein Women4Cyber Austria gesetzt?

Jakoubi: Bei einem runden Tisch im September, organisiert von der Stadt Wien, waren fast 40 Frauennetzwerke vertreten, um sich auszutauschen und gemeinsam mehr zu bewegen. Viele dieser Initiativen beschäftigen sich mit allgemeineren Themenstellungen, ein paar haben einen spezielleren Technologiefokus wie zum Beispiel Women in AI. Security war bislang nicht vertreten. Mit Women4Cyber Austria wollen wir Frauen, die bereits in der Branche tätig sind, eine Möglichkeit zum fachlichen Austausch bieten. Wir wollen sie mit Mentoring fördern, werden Bildungspfade für Quereinsteigerinnen aufzeigen und auch als »Security Amabassadoren« in Schulen gehen.

Braucht es für den beruflichen Austausch auf jeden Fall Netzwerke? Wie ist Ihre Erfahrung dazu?

Jakoubi: Ich habe in den letzten Jahren immer mehr Frauen in der Branche kennengelernt und für mich festgestellt: Es gibt doch einige in der Security, aber man kennt einander nicht. Auf die Branchenveranstaltungen gehen vornehmlich die Männer. Das erweckt den Eindruck, es gäbe keine Expertinnen – was einfach nicht stimmt. Gemeinsam mit fünf weiteren Gleichgesinnten haben wir uns deshalb entschlossen, ein Österreich-Chapter der europäischen Women4Cyber-Initiative zu starten – unübersehbar im November mit einer Kick-off-Veranstaltung mit 150 Besucher*innen in Wien. Unser Gründungsteam ist breit aufgestellt, mit drei Expertinnen aus Unternehmen, zwei Vertreterinnen der Wirtschaftskammer und ich selbst bin aus der Forschung.

Mit welchen Maßnahmen wollen Sie das Berufsbild Security fördern?

Jakoubi: Ab dem neuen Jahr werden wir mit Sicherheits- und Datenschutz-Themen aktiv in die Schulen gehen. Für das geplante Workshop-Format werden jetzt ein Konzept und einheitliche Materialien erstellt. Denn für Schülerinnen ist es wichtig zu sehen, dass es erfolgreiche Frauen im Sicherheitsbereich gibt, die noch dazu mit Begeisterung darüber sprechen. Die Security bietet ja coole Jobs, mit familienfreundlicher Flexibilität und einer sehr guten Bezahlung. Wir werden an einer weiteren Ausgabe eines Women in Tech Community-Events in Wien teilnehmen, um das Networking mit anderen Frauennetzwerken aus der IT weiter zu stärken.

Ein weiterer Punkt ist ein Coaching-Programm für Frauen- und Mädchengruppen bei der jährlich veranstalteten »Austria Cybersecurity Challenge« des Vereins Cyber Security Austria. Lediglich vier Prozent Frauen oder Mädchen nehmen daran teil, und sie stoßen generell nicht bis ins Finale vor. Das wollen wir ändern, indem wir  Teilnehmerinnen trainieren und ihnen alle nötigen IT-Werkzeuge zur Verfügung stellen, um in den Challenges zu reüssieren. Denn am Fachwissen, an den Fähigkeiten, liegt es meistens nicht.

Monatlich veranstalten wir im kommenden Jahr auch wieder das »Women in Privacy and Security Vienna«-Meetup, das mit Martina Lindorfer, TU Wien, und zwei meiner Kolleginnen bei SBA Research, Johanna Ullrich und Yvonne Poul, ins Leben gerufen worden ist. Studentinnen erhalten hier Hilfe und Einblicke in Security-Themen. Mit techniklastigen und auch weniger technischen Vorträgen werden verschiedene interdisziplinäre Fächer, aber stets mit dem Fokus auf Security, diskutiert. Zum Beispiel eine Psychologin, die über die Ursachen spricht, warum Menschen auf Phishing-Mails klicken, oder eine Universitätsprofessorin aus der Geografie, die sich mit geobasierter Privacy beschäftigt.

Wir wollen damit unterschiedliche Denkrichtungen für das Berufsbild Cybersicherheit anregen – und Studentinnen so vielleicht auf diesen Weg bringen.

In welcher Weise hat sich der Blick auf die Aufgaben in der IT-Sicherheit verändert?

Jakoubi: Um Frauen für IT-Security-Berufe zu gewinnen, ist man in der Vergangenheit immer den Weg über die IT gegangen. Man hat Mädchen und Frauen zuerst von der IT überzeugen müssen, um sie in weiterer Folge für Security- und Privacy-Themen zu gewinnen. Das ist eine recht eingeschränkte Sichtweise, um Identifizierungspunkte zu finden.

Das Berufsbild Security ist mittlerweile sehr vielfältig. Um in der Security zu arbeiten, muss man nicht mit dem Computer aufgewachsen sein oder hacken können. Ich bin deswegen auch überzeugt, dass für die Branche besonders auch Quereinsteigerinnen spannend sind. Sie bringen unterschiedlichstes Domainwissen mit und haben so einen anderen Blick auf Herausforderungen. Unternehmen müssen anfangs zwar vielleicht etwas mehr Zeit und Ressourcen in diese Personen stecken, mittelfristig bringen diese aber einen Mehrwert.

Frauen sind vielleicht gerade auch in der Kommunikation und bei einer Übersetzerrolle zwischen Fachbereichen und Technik gut eingesetzt. Hier ist ein Basiswissen zu Security und Produkten notwendig, die Hauptaufgabe ist aber der Vermittlungsaspekt. Das betrifft dann natürlich auch Männer, die diesen Weg gehen möchten. Es ist uns im Übrigen ebenso wichtig, Männer für unsere Gruppe zu gewinnen. Die Gründungsmitglieder von Women4Cyber sind Frauen, wir werden aber auch die Männer als Unterstützer und Mentoren brauchen. Wir werden nur gemeinsam erfolgreich sein.


Über die Initiative

Start von »Women4Cyber Austria« mit den Gründerinnen (v. l.) Verena Becker, Ulrike Egger, Alexandra Horvath, Christina Bäck, Kristina Jovanovska und Stephanie Jakoubi. (Bild: women4cyber Austria)

Women4Cyber Austria wurde im September 2022 gegründet und ist ein Teil der Women4Cyber Foundation. Die gemeinnützige europäische Privatstiftung fördert, ermutigt und unterstützt die Beteiligung von Frauen im Bereich der Cybersicherheit. Die Gründungsmitglieder des Auftritts in Österreich sind Verena Becker (WKÖ), Christina Bäck (Fortinet), Kristina Jovanovska (Avanade), Ulrike Egger (Fortinet), Alexandra Horvath (Advantage Austria, WKÖ) und Stephanie Jakoubi (SBA Research, Universität Wien).

LinkedIn-Gruppe »Women4Cyber Austria«
www.linkedin.com/company/women4cyber-austria

Meetup-Link »Women in Privacy and Security Vienna«
www.meetup.com/secwomenvienna

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