Sonntag, Dezember 22, 2024



Wie Technologiedienstleiter Unternehmen in Gewerbe und Industrie beim Wandel zu ressourcenschonenden Strukturen und Produkten unterstützen.

Mit Beginn der Industrialisierung wurde in den Wirtschaftssystemen der Staaten weltweit ein Verhalten tausendfach verstärkt, das jahrhundertelang Tradition hatte: die Auslagerung von Produktionskosten an die Umwelt. Einen im Vergleich zur Menschheitsgeschichte lächerlich kurzen Zeitraum von 200 Jahren später steht die Biosphäre des Planeten vor dem Kollaps.

Neben einem bereits unumkehrbaren Artenrückgang gilt es nun, den »Tipping Point« der Klimaerwärmung auf wenigstens 1,5 bis 2 Grad bis Ende des Jahrhunderts einzugrenzen. Doch ist das überhaupt möglich? Forschende und die Politik sind von der Machbarkeit überzeugt, solange entsprechende Maßnahmen rasch und konzertiert gesetzt werden. Auch will man sich auf den eigentlichen Verursacher des Problems verlassen: die Wirtschaft, die letztlich die Basis für die Services und Abläufe der modernen Gesellschaft stellt. Zum Glück ist das Thema auch in den Führungsetagen der Unternehmen angekommen. Man weiß: Die Maßnahmen für ein ressourcenschonendes unternehmerisches Verhalten werden nicht nur für die Erhaltung unseres Lebensraumes sorgen, sondern auch für den langanhaltenden Unternehmenserfolg und Wettbewerbsvorteile.

Technologien für die Zukunft
Innovation kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass Unternehmen nachhaltiger agieren und der Klimakatastrophe gegensteuern können. Daran arbeitet etwa der Innovationsdienstleister Zühlke herstellerunabhängig gemeinsam mit IT-Konzernen wie AWS. Im Rahmen eines Events im Mai in Wien wurden die aktuellen Herausforderungen und Lösungsansätze dazu vorgestellt und diskutiert.

»Die acht wärmsten Jahre weltweit waren die letzten acht Jahre. Wer glaubt noch daran, dass das Zufall ist?«, fragt Marcus Wadsak, Leiter der ORF-Wetterredaktion und Gründungsmitglied von »Climate without Borders«, die Wirtschaftstreibenden im Publikum. Was können Unternehmen nun tun, um verantwortungsvoll mit der Umwelt umzugehen und gleichzeitig auch wirtschaftlichen Mehrwert zu schaffen – also eine Win-Win-Situation? Oftmals gilt es, direkt am Kern des eigenen Geschäftsmodells ansetzen. Digitale Lösungen sind ein wichtiges Werkzeug, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Daten und digitale Prozesse können dabei helfen, Potenziale zu erkennen und umzusetzen, aber Technologie und eine schlichte Übersetzung zuvor analoger Prozesse in digitale reicht noch nicht, um das Unternehmen nachhaltig aufzustellen, heißt es bei Zühlke.



»Digitale Lösungen sind wichtige Werkzeuge, um gesetzte Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, bedürfen aber auch des richtigen Einsatzes und setzen kritisches Hinterfragen bestehender Prozesse und Geschäftsmodelle voraus. Gerade IT kann ein toller Enabler sein, Technologie allein kann uns aber nicht retten. Es braucht die richtige Strategie, um tatsächlich nachhaltig zu agieren und gleichzeitig handfesten Mehrwert zu schaffen – und zwar für Wirtschaft und Umwelt«, betont Stefan Novoszel, Head of Sustainable Software Solutions der Zühlke Group (Bild). 

Anleitung für Verantwortung
Cloud Computing kann eine bessere gemeinsame Nutzung von Ressourcen ermöglichen und damit wesentlich den CO2-Fußabdruck verringern. Laufen Rechenprozesse in der Cloud optimal ab, so könnten Unternehmen gut mehr als fünf Mal energieeffizienter arbeiten, im Vergleich zu durchschnittlichen Rechenzentren.

Die IT-Infrastrukturen selbst sind aufgrund des rasanten Wachstums der Branche in den Blickpunkt der Klimadiskussion gerückt. Dabei werden Themen aufgebrochen, die völlig neu sind – etwa die Frage nach dem CO2-Ausstoß mit der Wahl der passenden Programmiersprache. Das weiß auch Stefan Novoszel. Gemeinsam mit seinem Team bei Zühlke hat er einen »Responsible Design Guide« entwickelt, der dem Innovationsdienstleister als Kompass für sämtliche Projekte dient. Er beinhaltet unterschiedliche Dimensionen, die bei der Architektur und Umsetzung einer nachhaltigen Software beachtet werden müssen. 

Die Entwicklung hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft ist eine Transformation, die die gesamte Organisation verändert. Sie bedarf der offen kommunizierten Bereitschaft des ganzen Unternehmens. Aber auch die Gesellschaft und Politik sind gefordert. »Digitale Prozesse im Endanwender-Bereich können dabei helfen sinnvolle Verhaltensweisen zu unterstützen. Digitalisierung ermöglicht, gute und sinnvolle Initiativen einfach, jederzeit und kostengünstig verfügbar zu machen. Breitenwirkung erzielen wir nur, wenn wir möglichst viele Menschen für sinnvolle Verhaltensweisen gewinnen«, so Novoszel. Es gilt: je langlebiger ein Produkt ist, zum Beispiel durch einfache Weiterentwicklung, Bauteiltausch oder Reparatur, desto besser wirkt sich dies auf die CO2-Bilanz aus. Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft ist ein wesentlicher Schritt hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaften. Dabei handelt es sich um ein zirkuläres Model, in welchem Ressourcen wieder verwendet und erneut für die Produktion verfügbar gemacht werden können.

Keine Theoretiker
Auch Accenture arbeitet mit Unternehmen und öffentlichen Institutionen zusammen – mit allen, »die es mit Innovation und Veränderung ernst meinen und vor komplexen Herausforderungen auf ihren angestammten und globalen Märkten stehen«, betont Hans Peter Schmid, Managing Director Resources des IT-Dienstleisters in Österreich. »Wir verbinden strategische Fragestellungen mit der konkreten Umsetzung in Strukturen, Prozessen und Systemen. Wenn es vom Kunden gewünscht wird, können wir diese Dienstleistungen dann auch in Form von Betriebsservices erbringen. Das ist mit der Kraft eines globalen Netzwerkes, das lokal präsent ist, möglich.«



Accenture stützt sich auf ein weltweit verteilte Innovationsarchitektur mit »Future Labs«, Innovationszentren und »Future Camps«, die neue Methoden der Zusammenarbeit und kreatives Entwickeln ermöglichen. Jährlich investiert der IT-Riese mehr als eine Milliarde Dollar in Innovation und die Entwicklung neuer Technologien. »Wir gestalten Innovation aktiv mit. Wir sind aber keine Innovationstheoretiker – mit Accenture zu arbeiten, heißt immer auch Lösungen umsetzen und implementieren«, erläutert Schmid (Bild).

Der Experte sieht auch bei Kunden in der Prozessindustrie die Digitalisierung der Geschäftsprozesse als wesentlichen Pfeiler für den Erfolg. Für OMV Upstream und Mondi wurde in den letzten beiden Jahren S/4HANA implementiert und damit eine Plattform für die digitale Transformation der Unternehmen geschaffen.

Accenture arbeitet partnerschaftlich auch direkt an der Energiewende und der nachhaltigen Veränderung der Energieproduktion. Ein Beispiel dafür ist ein Projekt mit Wien Energie – die Hauptstadt soll bis 2040 klimaneutral werden. Eine Säule zum Erreichen dieses Ziels ist der beschleunigte Ausbau von Photovoltaik-Anlagen, der zu einem Großteil durch den kommunalen Energieversorger erfolgen wird. Doch die Stromerzeugung ist auf eine hohe Anzahl von Anlagen verschiedenster Größen ausgelegt. Daraus entstehen Herausforderungen in Monitoring, Management und Wartung. Gemeinsam mit dem Kunden hat Accenture eine skalierbare Lösung umgesetzt, die sämtliche PV-Anlagen automatisiert in einem einzigen, cloudbasierten System integriert. Mit der Plattform ist nun ein übersichtliches Monitoring ermöglicht, ebenso die Analyse von unterschiedlichsten Parametern. Echtzeit-Auswertungen und Alarme machen es möglich, die Anlagen optimal zu betreiben. Mit Self-Service und Advanced Analytics wird die frühzeitige Erkennung von Anomalien und Störungen möglich.

Ökosystem für Daten
Damit unsere Stromversorgung auch in Zukunft sicher und bezahlbar bleibt, muss die Energiewende mit einer Digitalisierung der erneuerbaren Energien, der Netzinfrastruktur, Energiespeichersystemen, Elektromobilität und weiterer Segmente einher gehen. Nur so können die Steuerung von Stromproduktion auf der einen und Nachfrageflexibilität auf der anderen Seite umgesetzt werden. Die Energieunternehmen müssen dazu kooperieren und sich in Zukunft über Datenplattformen koordinieren. Dabei werden die Daten mit externen Ökosystempartnern ausgetauscht oder geteilt. Diese Daten werden dann von KI-Anwendungen genutzt, um eine effiziente Automatisierung sicherzustellen, so die Idee.

Der Technologiedienstleister K-Businesscom (ehemals Kapsch BusinessCom) ist dazu mit dem Plattformspezialisten Intertrust eine Partnerschaft eingegangen. In der Zusammenarbeit soll die Lösungskompetenz des österreichischen Traditionsunternehmens mit den Produkten und Services von Intertrust für sichere Dateninteroperabilität entlang der digitalen Wertschöpfungskette verknüpft werden – dazu gehören Sensorik-Lösungen, Datenbanken und Cloud bis hin zur künstlichen Intelligenz.

Plattformen und Applikationen des international tätigen Unternehmens wurden speziell dafür geschaffen, um die Interoperabilität innerhalb von neuen Ökosystemen zu ermöglichen und abzusichern. Das Einbinden unterschiedlicher Quellen – von einzelnen Hardwarekomponenten bis zu Cloudumgebungen – sowie eine automatisierte Data Governance für Nutzer*innen und KI gleichermaßen machen die Daten auch für neue Geschäftsprozesse nutzbar.

»Unsere Kunden aus dem Energiesektor verlangen nach Lösungen, mit denen sie ihre Daten-Ökosysteme nutzen und alle regulatorischen Auflagen erfüllen können«, erläutert Jochen Borenich, Mitglied des Vorstands K-Businesscom AG. Gemeinsam möchten man zum Gelingen der Energiewende beitragen, indem auch angrenzende Branchen eingebunden werden, wie etwa Elektromobilität und Ladeinfrastruktur, die Gebäudewirtschaft und andere Industrien mit einem signifikanten Energiebedarf. 



Bild: Gemeinsam für digitale Energiewende: Jochen Borenich, Mitglied des Vorstands K-Businesscom, und Florian Kolb, Chief Commercial Officer und General Manager, Energy, Intertrust.

Politischer Wille
Und auch die Politik unterstützt die derzeit herrschende Aufbruchstimmung für den Umbau des Wirtschaftssystems zur Klimaneutralität. Klimaschutzministerin Leonore Gewessler hat im Juni einen Drei-Punkte-Plan für eine schnellere Energiewende vorgestellt: Für den Bau neuer Windkraftanlagen ist bei fehlender Energieraumplanung keine Widmung mehr notwendig, um in die Umweltverträglichkeitsprüfung einsteigen zu können. Und die Definition der Energiewende als »besonders hohes öffentliches Interesse« soll eine zu lange Verzögerung von Projekten künftig vermeiden.


Beitrag der Unternehmen entscheidend



Bild: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler bei der Diskussionsveranstaltung #awsPerspektiven im Juni in Wien.

Zum Thema »Ökologisierung als Wachstumsmotor« diskutierten Unternehmer*innen mit Klimaschutzministerin Gewessler und der aws-Geschäftsführerin Edeltraud Stiftinger. »Wir müssen uns fragen, was die zentrale Standortkompetenz für Österreich und für Europa ist. Bei Green-Tech und Klimaschutztechnologien haben wir die Nase vorne, daher müssen wir hier weitere Investitionen ermöglichen, um uns Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft zu sichern«, so Ministerin Gewessler.

Dass es gerade das Engagement der Unternehmer*innen braucht, bestätigten in der Diskussion die Vorreiterfirmen Sonnenkraft, Syncraft, Circly und Vienna Textile Lab. So hat das Kärntner Unternehmen Sonnenkraft gerade um 8,5 Millionnen Euro ausgebaut und damit die Kapazitäten verdreifacht. Als Spezialisten für Solarenergie arbeitet das Unternehmen an der Gebäudeintegration von Solarkraftwerken. Syncraft hat ein modernes Holzkraftwerk entwickelt, das Restholz optimal nutzt und aufgrund der Nutzung des im Baum gespeicherten CO2 nicht nur klimaneutral, sondern sogar klimanegativ ist. Circly wiederum hat einen KI-Algorithmus entwickelt, der Produzent*innen und Händler*innen den realen Bedarf ihrer Kund*innen vorhersagen lässt. Damit können Überproduktion und die Verschwendung von Lebensmitteln effektiv bekämpft werden. Und Vienna Textile Lab hat in der Textilindustrie eine Möglichkeit gefunden, natürliche Organismen für Färbeprozesse zu nutzen. Damit können bestehende und umweltfreundliche Ressourcen genutzt und die Fashion-Industrie verändert werden.

Auf die Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft verweist Edeltraud Stiftinger: »Als Förderbank des Bundes geht es uns darum, Unternehmen im Bereich Green-Tech umfassend zu unterstützen. Im vergangenen Jahr haben wir mit unseren Kernprogrammen Startups und junge innovative Unternehmen mit rund 380 Mio. Euro unterstützt.«

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