Biokohle-Technologie hat das Potenzial, die Energieerzeugung in weiten Teilen der Welt zu verändern und gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit und Kohlenstoffbindung in einigen der ärmsten Regionen der Welt zu verbessern. Von Rebecca Hood-Nowotny, übersetzt von Elisabeth Ziss.
Die Pariser COP-Initiative »Four per mille« wirbt für die Kohlenstoffbindung durch Bodenverbesserungen als eine leicht umsetzbare negative Emissionstechnologie (NET). Eine Zunahme um vier Prozent soll durch eine Erhöhung der Kohlenstoffbindung im Boden mittels eines Aufbaus von organischer Substanz im Boden, Direktsaatverfahren, Bodenbegrünung oder Kompost erreicht werden. Die Zugabe von Biokohle zum Boden, die mit eigens hergestellten Biokohle-Kochern erzeugt wird, könnte die Erreichung dieser Ziele in landwirtschaftlichen Subsistenzsystemen auf der ganzen Welt erleichtern und bietet gleichzeitig eine Reihe von Zusatznutzen.
Die Verbrennung von Biomasse mit »Three Stone« Holzfeuerstellen ist ein charakteristisches Merkmal der bäuerlichen Subsistenzhaushalte (Anm. Subsistenzwirtschaft oder Bedarfswirtschaft: Selbstversorgung zur Sicherstellung des Lebensunterhaltes einer Familie oder einer kleinen Gemeinschaft). Weltweit sind 815 Millionen Menschen, davon 70 Prozent Bauern und Bäuerinnen, auf Biomasse zum Kochen und Heizen angewiesen. Für das Sammeln von Biomasse sind in der Regel die Frauen zuständig – insbesondere im globalen Süden. Brennholz ist ein knapper und teurer Rohstoff, der durch in der Landwirtschaft anfallende Ernterückstände für die Erzeugung von Kochenergie und für die Biokohleproduktion ersetzt werden könnte. Die Verfügbarkeit von Ernterückständen und die wettbewerbsfähige Ressourcenallokation in kleinbäuerlichen Anbausystemen ist jedoch ein unerforschtes Thema.
Die Einführung pyrolytischer Biokohle-Kochherde, die überschüssige Ernterückstände verwerten und nützliche Biokohle produzieren, könnte eine entwicklungsfördernde Strategie sein (Anm. Pyrolyse ist die Bezeichnung für die thermische Spaltung chemischer Verbindungen). Diese Strategie könnte sowohl die Lebensgrundlage von Frauen als auch die Pflanzenproduktion verbessern und gleichzeitig Kohlenstoff im Boden binden. Damit würden Kochherde in den Mittelpunkt des Komplexes Ernährung-Energie-Umwelt rücken und eine Reihe der Ziele für nachhaltige Entwicklung erfüllen.
Nutzungsgrad erhöht
Die Vorteile pyrolytischer Biokohleöfen gegenüber Verbrennungssystemen liegen in der höheren Effizienz der Biomassenutzung und in der Fähigkeit, mit einer Reihe von geringwertigen Rückständen mit niedriger Energiedichte wie Stroh und Spelzen zu arbeiten. Darüber hinaus ist auch die bei der Vergasung von Biomasse anfallende Biokohle ein wertvolles landwirtschaftliches Hilfsmittel, welches die chemischen, physikalischen oder biologischen Eigenschaften tropischer Böden verbessert (Scholz et al. 2014, Cernansky 2015). Dadurch können Ernteerträge um durchschnittlich 25 Prozent erhöht werden (Jeffery 2017), während gleichzeitig Kohlenstoff in den Böden über Jahrzehnte gebunden wird. Das tatsächliche Kohlenstoffbindungspotenzial dieser naturbasierten negativen Emissionstechnologien ist jedoch noch nicht vollständig untersucht worden.
Mit einer Kombination aus wissenschaftlichen Experimenten, partizipatorischen Studien und Experimenten im Living Lab im Distrikt Pallisa, Uganda, haben wir eine landesweite Schätzung der Kohlenstoffbindung auf der Grundlage der Wertschöpfungskette von Biokohle aus Ernterückständen entwickelt. Anhand dieser Schätzungen konnten wir die Stärken und Schwächen des Konzepts sowie die Hindernisse für die Einführung bewerten und das Potenzial der Technologie bestimmen.
Zunächst kartierten wir die Ernterückstandserträge und die derzeitige Nutzung. Dann entwickelten wir Formeln zur Quantifizierung der Ernterückstandsmenge und der Allokation. Das Ziel war, die Mengen an überschüssigen Rückständen zu schätzen, die aus den nationalen Ernteertragsstatistiken verfügbar waren. Diese Studien wurden mit standardisierten Wassersiedetests sowie experimentellen und Survey-Daten von 15 landwirtschaftlichen Betrieben aus zwei Saisonen kombiniert. Wir berechneten die maximale und minimale Verfügbarkeit von Rückständen für fünf Hauptkulturen und die potenzielle Biokohleproduktion auf Haushalts- und Landesebene. Schließlich bewerteten wir das Kohlenstoffbindungspotenzial von vier gängigen afrikanischen Anbausystemen, die dieser Wertschöpfungskette folgen, und verglichen die Werte mit den Vier-Prozent-Zielen in einem dynamischen Kohlenstoffmodell.
Lage vor Ort
Erhebungsdaten aus Living-Lab-Studien im ugandischen Distrikt Pallisa ergaben, dass die Landwirt*innen ausschließlich mit Brennstoff aus Biomasse kochten – in der Regel mit »Three Stone«-Systemen. Mais, Sorghum, Hirse, Reis, Erdnuss und Maniok wurden als Grundnahrungsmittel angebaut. Außerdem zeigten die Erhebungsdaten, dass die Böden in der Region wenig organische Substanz enthielten und sauer waren. Die Daten zur Biomasse aus Ernteresten und zur wettbewerbsfähigen Nutzung wurden in partizipativen Workshops von sechs lokalen Bauernverbänden erhoben.
Anhand von fünfzig Bohnen – als Symbol für die Ressourcen – wurden Informationen über den Anbau und die Konkurrenz um Ernterückstände gewonnen, indem die Bohnen wiederholt Segmenten in einem einfachen Kreisdiagramm zugeordnet wurden. Die Landwirt*innen legten fünf Kategorien für die konkurrierende Nutzung fest: Futtermittel, Bauarbeiten, Bodenverbesserung (Mulchen und Kompostieren), Kochbrennstoff oder »keine Verwendung«.
Kochofen für gleichzeitige Biokohleherstellung (rechts); Wassersiedetest zur Bestimmung der Energieeffizienz (links).
Erdnussschalen, die Maishüllblätter sowie Reis-, Fingerhirse- und Sorghumspelzen hatten keine alternative Verwendung und wurden von den Landwirt*innen als potenzielle Ressourcen für die Verwendung in den Biokohleöfen identifiziert. Die Körnererträge waren in der Regel fünf- bis zweimal so hoch wie die Reststoffe, wobei die ermittelten verfügbaren Reststoffe bei Erdnuss, Mais, Reis und Sorghum im Durchschnitt etwa 0,3, 1,1 bzw. 1,5 Tonnen pro Hektar betrugen. Das deutet darauf hin, dass das ganze Jahr über genügend überschüssige Rückstände für die Verwendung in Haushaltsvergasern verfügbar sein würden.
Für die Ermittlung der Menge an Biokohle-C, die landwirtschaftlichen Böden zugeführt werden könnte, wurde eine Szenarioanalyse durchgeführt. Rückstände aus Mais-Erdnuss- und Sorghum-Erdnuss-Fruchtfolgen sowie aus Reisfeldern würden eine durchschnittliche C-Sequestrierung von bis zu 1 t C/ha pro Jahr über einen Zeitraum von drei bis 23 Jahren ermöglichen. Rückstände aus Hirse-Erdnuss-Fruchtfolgen würden über einen Zeitraum von drei bis acht Jahren zu einem Anstieg der C-Vorräte im Boden um 0,55 t/ha pro Jahr führen. Die potenziellen C-Sequestrationsraten von Biokohle in jedem der vier Anbausysteme betrugen zwischen 0,2 und 0,4 t/ha pro Jahr für einen Zeitraum von zwei bis 25 Jahren. In Uganda könnte dies allein durch die Zugabe von Biokohle bis zu einer Million Tonnen gebundenen Kohlenstoffs pro Jahr bedeuten, wobei die Steigerung der pflanzlichen Produktion nicht berücksichtigt ist.
Aus kenianischen Untersuchungen geht hervor, dass der Einsatz von selbst hergestellter Biokohle zu einer Steigerung der Maiserträge um bis zu fünf Tonnen Trockengewicht pro Hektar bei einem Biokohleeinsatz von 10 t/ha führen kann (Sundberg et al., 2020). Außerdem wurde in dieser und in unserer Studie eine erhebliche Verringerung des Holzverbrauchs und der Schadstoffbelastung in Innenräumen festgestellt.
Wir haben auch den Gehalt an polyaromatischen Kohlenwasserstoffen der in diesen Systemen hergestellten Biokohlen untersucht und konnten zeigen, dass diese weit unter den EU-Grenzwerten liegen. Diese Daten sind wichtig, um sicherzustellen, dass wir eine Technologie mit geringem Risiko fördern. Unsere Umfragen haben gezeigt, dass Biokohle als Bodenverbesserungsmittel in der Öffentlichkeit eine hohe Akzeptanz genießt. Das ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sie als natürliches Produkt angesehen wird, welches seit Jahrtausenden existiert und das es auch in Zukunft geben wird.
Die afrikanische Arbeit zeigt sehr anschaulich das Potenzial des Einsatzes von Biokohleöfen für die Wiederverwertung von Abfallprodukten im häuslichen Umfeld. Aber auch weltweit wächst das Interesse, da viele Landwirt*innen immer noch ressourcenarm sind, aber über zahlreiche Reststoffe verfügen, die als Ersatz für Kochholz verwendet werden könnten. Es sollte betont werden, dass wir diese Technologie als ein Sprungbrett sehen, das Subsistenzlandwirt*innen die Möglichkeit eröffnet, ihre begrenzten Ressourcen besser zu nutzen und zusätzliche landwirtschaftliche Produkte oder Einkommen zu schaffen.
Starkes Interesse
Wir sind uns darüber im Klaren, dass es bei der Entwicklung und Anpassung der Öfen an die lokalen Bedürfnisse noch einen weiten Weg zu gehen gilt, aber dies geschieht am besten im Rahmen eines zweiseitigen Dialogs in spezifischen Projekten, wobei wir hier lediglich das Potenzial ausloten. Vor diesem Hintergrund wurden die Öfen vor kurzem in Indonesien hergestellt und getestet. Es gibt auch ein laufendes Projekt zur Verwendung von Biokohle zur Steigerung der Ernteerträge in ehemaligen Zinnabbaugebieten in Indonesien. Erste Feldstudien auf der Insel Banka haben gezeigt, dass bei der Kombination von Biokohle und Kompost die Erträge bei den Kombinationsbehandlungen höher sind als bei den Einzelbehandlungen zusammengenommen.
Das lässt auf eine positive Wechselwirkung zwischen der Kombination von Biokohle und Kompost schließen. Diese partizipative Forschung wurde von Katharina Keiblinger von der Universität für Bodenkultur Wien in Zusammenarbeit mit dem Forschungsleiter Ngadisih Ngadisih von der indonesischen Universität UGM geleitet. Die ertragreichen Versuchsflächen auf der Insel Banka zogen viele neugierige Landwirt*innen aus der Umgebung an. Dieses Interesse führte zu einer Reihe von Schulungstagen für Landwirt*innen und zu einer Reihe von Werbevideos zur weiteren Verbreitung der Technologien während der Pandemie.
Biokohle und Energieerzeugung in größerem Maßstab werden auch für die Stromerzeugung in Kleinstnetzen erforscht. In vielen Gegenden der Welt wird der Strombedarf tagsüber durch erneuerbare Energien gedeckt, aber wenn die Sonne untergeht, schwindet dieses Angebot. Durch die Kombination dieser Mikronetze mit kombinierten Stromerzeugungs- und Biokohleproduktionssystemen besteht die Möglichkeit, die Stromversorgung aufrechtzuerhalten, ohne auf teure Batterietechnologien angewiesen zu sein. Diese scheinbar einfachen Biokohle-Technologien können die Lebensbedingungen von Millionen von Menschen verändern.
Internationale Arbeit
Das Forschungsprojekt wurde durchgeführt von Rebecca Hood-Nowotny, S. Gottenhuber, D. Nakubulwa, John Babtist Tumuhairwe, Mwanjalolo Majaliwa, I. Ndawula, Sanda Zadrian und Dries Roobroeck (Universität für Bodenkultur Wien, International Institute of Tropical Agriculture, Nairobi, Kenya, und Makerere University, Kampala, Uganda).