Strom für Europa
Die Verbund Austrian Power Grid AG (APG) hat Ende Oktober ihre neue Steuerungszentrale in Wien-Unterlaa eröffnet. Sie fungiert als operatives Zentrum für das von der APG als Regelführer zu koordinierende österreichische Stromnetz mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg. Mit ihrer Hilfe sollen Lastflüsse optimiert und Verluste minimiert sowie ein effektives Engpassmanagement betrieben werden, wie APG-Vorstand Heinz Kaupa bei der Eröffnung erklärte. Denn durch den Ausbau der wetterabhängigen erneuerbaren Energieträger, den steigenden Stromverbrauch und auch die Internationalisierung der Verteilnetze würden erhöhte Anforderungen an die Übertragungsnetzbetreiber gestellt, was den Neubau notwendig gemacht habe, so Kaupa. Den entscheidenden Anstoß für den Bau hat aber die Einführung der ISO 9001-Qualitätszertifizierung bei der APG gegeben. Bei etwaigen Ausfällen kann ein Reserve-Steuerzentrum in Bisamberg alle Funktionen aufrecht erhalten. Um rechtzeitig auf Ausfälle in einem der Nachbarstaaten reagieren zu können, sind in der Schaltzentrale die umliegenden europäischen Netze dargestellt und werden alle 15 Minuten einem Sicherheitscheck unterzogen. So sollen Netzprobleme und Störungen wie die vom 4. November 2006 verhindert werden, als Teile von Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Österreich und Spanien teilweise bis zu zwei Stunden ohne Strom waren, als die deutsche E.ON ohne rechtzeitige Vorwarnung eine 380kV-Leitung abschaltete.
Verpflichtung zum Lückenschluss.
Wie notwendig eine effiziente Steuerung und Kontrolle der Übertragungsnetze ist, machte Klaus Kleinekorte, Vorsitzender des Dachverbands der europäischen Netzbetreiber und technischer Vorstand des deutschen Netzbetreibers Amprion deutlich: Heute sei auch Österreichs Stromnetz in ein kontinentaleuropäisches Synchrongebiet eingebettet. Aus diesem Grund hätten Netzbetreiber wie die Verbund APG sogar die Verpflichtung, ihre Netze so zu betreiben, dass Ausfälle keine Auswirkungen auf das Synchrongebiet und damit auf die gesamte Stromversorgung Europas hätten, warnte der Experte und appellierte in diesem Zusammenhang an die Politik, sich für den notwendigen Lückenschluss im österreichischen Höchstspannungsnetz einzusetzen. „Der 380 kV-Ring dient nicht nur der österreichischen Versorgungssicherheit, sondern dem gesamten Markt“, mahnte Kleinekorte Verantwortung ein.
Verbund-General Wolfgang Anzengruber wies auf die Chancen hin, wenn Österreich seine Rolle als europäisches Zentrum für das zukünftige Zusammenspiel zwischen Windkraft aus dem Norden, Solarkraft aus dem Süden und der Wasserkraft aus Mitteleuropa wahrnehme. Dazu seien aber starke Übertragungsnetze als Rückgrat der europäischen Stromversorgung notwendig. „Im Moment sind wir aber nicht weit von einem Bandscheibenvorfall entfernt“, zog Anzengruber einen medizinischen Vergleich zu Frage der Netz-Infrastruktur. Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner betonte die Drehscheibenfunktion, die Österreich nicht nur im Strom- sondern auch im Öl- und Gasbereich spielen könnte. Die Power Grid-Zentrale der APG sei das sichtbare Zeichen der internationalen Verbindungslinien im Stromnetz, lobte der Minister den Bau. Das architektonisch interessante Gebäude wurde nach zwei Jahren Bauzeit um 19 Millionen Euro Gesamtinvestitionskosten fertig gestellt.