Die traditionelle Wertschöpfungskette ist für Automobilhersteller ein Auslaufmodell. Investitionen in neue Technologien lassen sich auf herkömmliche Art kaum mehr refinanzieren. Dafür schaffen neue Mobilitätsangebote sowohl für Hersteller als auch Zulieferer neue Geschäftsmöglichkeiten.
Die notwendigen Investitionen in neue Technologien wie elektrische Antriebe oder autonomes Fahren lassen die Stücklistenkosten in der Produktion bis 2030 zwischen 20 % und 40 % steigen. Hinzu kommt, dass die absoluten Fahrzeugzahlen insbesondere in Europa durch den Wandel weg vom privaten Pkw hin zu Sharing-Modellen perspektivisch sinken werden. Mit der klassischen Wertschöpfungskette ist für Automobilhersteller bald das Ende der Fahnenstange erreicht. Jedoch eröffnen sich für Hersteller ebenso wie für Zulieferer parallel dazu in Form alternativer Mobilitätsangebote wie Shared Mobility neue Geschäftsmöglichkeiten. Das Marktvolumen dieser Dienstleistungen wird bis 2030 in Europa auf 350 Milliarden Euro anwachsen. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle »Digital Auto Report« von Strategy&, der Strategieberatung von PwC.
»Um die Einbußen aus dem klassischen Abverkauf auszugleichen, müssen Autohersteller und Zulieferer verstärkt auf Mobility-as-a-Sevice-Modelle setzen. Im Moment sind allerdings die wenigsten Angebote preislich konkurrenzfähig zum privaten Pkw und gleichzeitig für den Anbieter auch profitabel. Die aktuellen Preisschlachten im B2C-Bereich müssen mittelfristig in rentablen Geschäftsmodellen aufgehen. Wir gehen davon aus, dass der Markt unter wenigen globalen Playern aufgeteilt wird, während sich auf lokaler Ebene zahlreiche Möglichkeiten für Unternehmen mit spezialisierten Angeboten bieten werden«, erläutert Peter Trögel, Automobilexperte und Director bei Strategy& Österreich.
Neben dem veränderten Konsumentenverhalten soll der Umbruch der Automobilbranche vom technologischen Wandel und von regulatorischen Vorgaben vorangetrieben werden. Das Marktpotenzial für Connected Services wird in Europa, den USA und China bis 2030 ein Volumen von 72 Milliarden Euro erreichen, wovon rund 14 Milliarden Euro im europäischen Markt erwirtschaftet werden können.
Elektro-Boom in Europa und China
Durch regulatorische Maßnahmen mit Lenkungswirkung wird zudem der Anteil vernetzter, autonomer und elektrischer Fahrzeuge insbesondere in Europa sowie in China in den kommenden Jahren laut Studie stark ansteigen. Vor allem die Harmonisierung von Vernetzungsstandards und die Einführung verpflichtender Sicherheitsfeatures in Neuwagen beschleunigen den Wandel. Gleiches gelte für die steuerlichen Anreize beim E-Auto-Kauf und die Einführung strikterer CO2-Vorgaben. 2030 werden die elektrischen Fahrzeuge laut Strategy& rund 40 % (Europa) bzw. rund 46 % (China) aller Neuwagenzulassungen ausmachen, während die Quote in den USA mit 35 % niedriger bleibt.
Verschwimmende Geschäftsmodelle
Durch die wachsende Technologieintegration sowie die zusätzlichen Mobility-as-a-Sevice-Geschäftsmöglichkeiten positionieren sich sowohl Hersteller als auch Zulieferer in der Wertschöpfungskette neu und werden teilweise zu Konkurrenten, etwa im B2C-Sharing. Um das eigene Portfolio um profitable Ansätze erweitern zu können, müssen Automobilunternehmen ihre Organisationsstruktur an die neuen Rahmenbedingungen der Branche anpassen.
»Hybride Strukturen mit flexiblen horizontalen und vertikalen Geschäftsbereichen verschaffen Automotive-Playern die nötige Agilität, um schnell auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Zudem müssen laufend digitale Fähigkeiten aufgebaut, verbessert und sinnvoll in die bestehenden Kernkompetenzen integriert werden. Zur Erreichung dieser Ziele brauchen die Unternehmen Fachpersonal, das neu geschaffene Rollen ausfüllt«, kommentiert Peter Trögel. »Von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung bis hin zur Produktion sind künftig etwa agile Methoden sowie KI- und Datenanalyse-Fähigkeiten gefragt.«