Die Energieversorgung wird klimafreundlich. Wind und Sonne, sauberer Strom und »grünes« Gas sind auf dem Vormarsch. Doch die Wende funktioniert nur dank leistungsfähiger Verteilernetze.
Der offizielle Klimaschutzbericht des Umweltbundesamtes stellt der Energiebranche ein gutes Zeugnis aus: Die Energieerzeuger haben von allen Wirtschaftszweigen in den letzten Jahren die größte Einsparung an CO2-Emissionen zuwege gebracht. Sie haben auch geschafft, was dem Sektor Verkehr oder der Landwirtschaft nicht gelungen ist, nämlich die langfristigen Zielwerte für 2016 zu unterbieten.
Die Energiewende ist also in vollem Gang, das Ziel, bis 2030 den gesamten nationalen Stromverbrauch dekarbonisiert aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen, lässt sich zuverlässig erreichen. Der Ausbau der E-Mobilität wird diese Entwicklung weiter beschleunigen.
Was aber dabei nicht übersehen werden darf: Diese tiefgreifenden Umbrüche im Energiesystem können nur gelingen, wenn ausreichend leistungsfähige und flexible Verteilernetze zur Verfügung stehen. »Die Energiewende ist in Wirklichkeit eine Netzwende«, betont daher die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit, Brigitte Ederer, »die erfreuliche starke Zunahme an erneuerbaren Energien wie Wind und Photovoltaik muss mit dem Ausbau der Leitungen synchron gehen.«
Das Forum Versorgungssicherheit, ein gemeinnütziger Verein, wurde 2003 gegründet, um das Bewusstsein für Bedeutung der Energieinfrastruktur als Schlüsselfaktor für den Standort Österreich zu stärken. Im Hinblick auf den Klimaschutz und die Energiewende kommt den Verteilernetzen eine entscheidende Rolle zu, so Ederer: »Verteilernetze sind Teil der kritischen Infrastruktur in Österreich. Ihr Erhalt und Betrieb erfordert langfristige Planbarkeit. Dafür ist eine abgestimmte Strategie erforderlich.«
Große Herausforderungen für die Verteilernetze
Es sind gleich drei langfristige Entwicklungen, die steigende Anforderungen an die Verteilernetze stellen werden: Zum einen erfordert die Integration erneuerbarer Energiequellen erhöhte Flexibilität. Zweitens sind die Endverbraucher immer öfter »Prosumer«, die Teile ihres Energiebedarfs aus eigenen Energiequellen wie Solardächern oder Wärmepumpen beziehen und Überschüsse ins Netz einspeisen wollen. Und drittens werden schon bald hunderttausende Elektrofahrzeuge regelmäßig ihre Batterien aufladen wollen und entsprechende Verbrauchsspitzen auslösen.
Ederer sieht daher hohen Investitionsbedarf auf die Netzinfrastruktur zukommen: »Berechnungen gehen davon aus, dass Investitionen in der Höhe von 50 Milliarden Euro für den Ausbau der Verteilernetze und weitere 35 Milliarden für die technologische Aufrüstung nötig sein werden. Diese Investitionen müssen natürlich finanziert werden.«
Der Umbruch im Energiebereich erfordert eine Anpassung des Tarifsystems: In Zukunft soll sich der Tarif überwiegend an der Leistung und nicht wie bisher überwiegend am Verbrauch orientieren. »So würden jene Kunden profitieren, die einen möglichst geringen, aber auch einen möglichst gleichmäßigen Leistungsbedarf haben. Dagegen sollen Verbraucher mehr beitragen, die im derzeitigen System die größten Kosten verursachen, aber gleichzeitig die größten Vorteile durch Eigenstromerzeugung lukrieren.«
Gas wird grün und erneuerbar
Im Energiesystem der Zukunft wird auch Gas weiter eine Rolle spielen, ist Ederer überzeugt. Als Brückentechnologie bleibt herkömmliches Erdgas weiter unersetzbar, was angesichts seiner geringen CO2-Emission auch im Hinblick auf die Klimaziele vertretbar ist. Langfristig aber wird »grünes Gas« an Bedeutung gewinnen, das entweder aus Biomasse erzeugt oder aber durch Elektrolyse aus dem Überschussstrom von Wind- und Solaranlagen gewonnen wird. Diese Power-To-Gas-Technologie stellt derzeit die vielversprechendste Methode zur längerfristigen Speicherung und zur Stabilisierung der Schwankungen von erneuerbaren Energien dar.
»Gas unterstützt also die erneuerbaren Energien«, so Ederer, was wiederum Konsequenzen für die bestehende Gasinfrastruktur hat: »Die Gasinfrastruktur wird auch in Zukunft benötigt. Es wäre volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, diese wertvolle Infrastruktur brachliegen zu lassen.«