Im Stadtteil „Viertel Zwei“ entsteht in einem Forschungsprojekt in Wien die bislang größte Energiegemeinschaft Europas.
Rund 100 Bewohnerinnen und Bewohner in der Wiener Krieau leben bereits, was in wenigen Jahren in ganz Europa Alltag sein soll. Lokal wird Strom über Photovoltaik-Anlagen erzeugt, je nach Bedarf selbst verbraucht oder über eine Blockchain-Plattform an die Nachbarn verkauft – und künftig auch in einem Quartierspeicher für sonnenarme Zeiten zwischengelagert. Dafür investiert Wien Energie mehr als zwei Millionen Euro über einen Zeitraum von fünf Jahren.
Über eine intelligente Verteilung von Erzeugern und Verbrauchern soll der Nutzungsschlüssel von dem marktüblichen Drittel Eigenverbrauch des PV-Ertrags mit der Handelsoption auf zwei Drittel gehoben werden können. In dem ersten Schritt der Testphase im Viertel Zwei wurden zwei Anlagen mit insgesamt rund 110 kWp Leistung errichtet. Jedem Bewohner, der einen flexiblen Tarif wählt, steht 1 kWp für den Eigenverbrauch oder Weiterverkauf zu Verfügung. Interessierte können den Strombezug auch mit dem Smartphone steuern. Ist beispielsweise ein Nachbar drei Wochen auf Urlaub, kann er seinen Sonnenstrom-Anteil in dieser Zeit der Familie nebenan verkaufen.
„Es ist die erste Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft in diesem Umfang in Europa“, ist Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl stolz, den Punkt „Citizen Energy Communities“ der Erneuerbaren-Richtlinie des Ende 2018 beschlossenen Clean Energy Package der EU bereits in der Praxis anzugehen. Bis spätestens Mitte 2021 ist die Möglichkeit für BürgerInnen zur gemeinsamen lokalen Erzeugung von Strom und Wärme, des Verbrauchs, der Speicherung, des Handels und Vertriebs auch in nationales Recht umzusetzen.
Bild: Michael Strebl, Wien Energie, und Sabine Müller, Value One, stimmen sich auf eine gemeinsame Zukunft der lokalen Energiegemeinschaften ein.
Noch können die NutzerInnen bis dahin nicht als direkte Anbieter und Abnehmer untereinander agieren. Wien Energie springt aus Rechtsgründen als Zwischenhändler ein. „Wir sind jedenfalls einen Schritt voraus und haben den Weitblick und die Verantwortung bewiesen, dass man auch in einer Großstadt das Thema erneuerbare Energie einbinden kann“, ist Strebl optimistisch.
Parallel zum mehrjährigen Forschungsprojekt soll künftig auch die Wärme- und Kälteversorgung mit Solarthermie, Wärmepumpen, dem lokalem Fernwärmenetz – unter Einbindung des nahegelegenen Kraftwerks Krieau und Ausbau des Netzes – sowie einer Kältezentrale in der Energiegemeinschaft forciert werden. Die Haushalte des Modellviertels haben zudem Zugang zu „Fiber-to-the-Home“ mit Bandbreiten von 500 Mbit/s.
„Mit dem Viertel Zwei haben wir gezeigt, wie nachhaltige Stadtentwicklung gelingen kann. Die ersten Ergebnisse der Testphase stimmen mich zuversichtlich“, wünscht sich auch Sabine Müller, Chief Innovation und Marketing Officer des Immobilienentwicklers Value One, „noch viele weitere Energiegemeinschaften bei unseren anstehenden Immobilienprojekten“.