Projekt »Small Hydro Mobility«: Kleinwasserkraftwerke eignen sich optimal für die Bereitstellung von Energie zur Gewährleistung einer emissionsfreien Elektromobilität. Von Stefan Gamper und Thomas Buchsbaum-Regner
Für die fast 4.000 Kleinwasserkraftwerke in Österreich waren die vergangen Jahre eine Berg- und Talfahrt. Nach der Hochpreisphase am Strommarkt im Jahr 2008 kam ein langer Preisverfall, der 2016 seinen Tiefpunkt erreichte. Aktuell zeichnet sich wieder eine Markterholung ab, doch die Branche ist nun vorsichtiger geworden und setzt auf eine Diversifizierung des Produkts Ökostrom. Eine mögliche Chance am Markt kann für viele Kleinwasserkraftanlagen in Zukunft der Betrieb einer Stromtankstelle sein. Der Verein Kleinwasserkraft Österreich hat darum im Rahmen des Programms Elektromobilität in der Praxis des Klima- und Energiefonds das Projekt »Small Hydro Mobility« eingereicht. Die Idee fand Anklang und so startete das Jahr 2019 mit der positiven Nachricht, dass Kleinwasserkraft Österreich mit der Abwicklung dieses Projektes beauftragt wird.
Um die 2015 beschlossenen Pariser Klimaziele erreichen zu können, ist eine deutliche Reduktion der CO2-Emissionen notwendig. Hier spielen die E-Mobilität und ein flächendeckender Ausbau der nötigen Ladeinfrastruktur eine entscheidende Rolle. Aufgrund ihrer technischen Voraussetzungen eignen sich Kleinwasserkraftwerke optimal für die Bereitstellung von erneuerbarer Energie zur Gewährleistung einer hundertprozentigen emissionsfreien Elektromobilität.
Auch aufgrund der recht gleichmäßigen Verteilung über das Bundesgebiet eignen sich Kleinwasserkraftanlagen sehr gut zum Ausbau der Ladeinfrastruktur. So liegen knapp 200 Kraftwerke mit einer Leistung von über 100 kW in der Nähe von Autobahnabfahrten und können dadurch dazu beitragen, ein kostengünstiges Netz an Schnellladestationen aufzubauen. Auch darüber hinaus besteht ein großes Potenzial an E-Tankstellen bei Kleinwasserkraftanlagen. Etwa entlang von Bundesstraßen, in Ortschaften oder bei Betrieben – zum Beispiel Gasthäuser und Geschäfte – und bei Anknüpfungspunkten zum öffentlichen Verkehr wie etwa Bushaltestellen und Bahnhöfe.
Erhebungen von Kleinwasserkraft Österreich zeigen, dass in Österreich etwa jede dritte Anlage für den Betrieb einer E-Tankstelle geeignet ist. Diese weisen eine gewisse Mindestleistung auf und erfüllen zumindest ein räumliches Kriterium – sind also in der Nähe von stark frequentieren Orten oder Straßen.
Für KraftwerksbetreiberInnen selbst stellt sich vor allem die Frage: Kann unter den gegebenen Marktbedingungen und den regulatorischen Voraussetzungen eine E-Tankstelle wirtschaftlich betrieben werden?
Wann ist ein Kraftwerk für eine E-Tankstelle geeignet?
Die erste und wichtigste Frage ist, ob die eigene Kleinwasserkraftanlage grundsätzlich für einen wirtschaftlichen Betrieb einer Stromtankstelle geeignet ist. Hier sind vor allem die Leistung und die Lage des Kraftwerks entscheidende Faktoren, die auch stark voneinander abhängen. So kann ein Kleinwasserkraftwerk im Ortsgebiet, in Gehweite zu Geschäften, Ärzten, Restaurants oder Bahnhöfen bereits ab etwa 25 kW als grundsätzlich geeignet angesehen werden. Denn hier sind hohe Ladeleistungen für schnelle Ladevorgänge weniger entscheidend als die Bereitstellung einer Ladesäule in der Nähe von stark frequentierten Orten.
In Bezug auf die Leistung gilt dennoch »je mehr, desto besser«. Je höher die Leistung, umso mehr Strom kann über die E-Tankstelle abgegeben werden. So kommen etwa Anlagen ab etwa 100 kW auch für Schnelllader in Frage, wobei hier schon Ladestellen mit bis zu 350 kW Leistung in Planung sind. Solche Einrichtungen können entlang von stark frequentierten Straßen wie Autobahnen, Schnellstraßen und Bundesstraßen in Frage kommen. Zu beachten gilt aber auch hier, dass eine gewisse Infrastruktur – Warteräume mit WLAN, Kaffeeautomat, Toiletten etc. – vorhanden sein sollte.
Eine Frage der Wirtschaftlichkeit?
Ein Berechnungsbeispiel zur Frage, wie viel Strom an der E-Tankstelle verkauft werden muss, um einen wirtschaftlichen Betrieb zu erreichen, sind im Infokasten rechts angeführt. Neben dem Erlös aus der Tankstelle ist auch die Umwegrentabilität ein wichtiger Faktor. Wer einen eigenen Betrieb mit regelmäßigem Kundenverkehr besitzt, kann seine Stromtankstelle diesen Kunden zur Verfügung stellen und damit die Kundenbindung verstärken und zusätzliche Kundschaft anwerben.
Ein wesentlicher Teil des Projektes ist die Durchführung von sieben Workshops in ganz Österreich. Dort sollen die wichtigsten Fragen zur Errichtung und dem Betrieb von E-Tankstellen erörtert werden, etwa welche rechtlichen und finanziellen Fragen zu klären sind, welche Zusatzangebote für eine hohe Kundenfrequenz förderlich sind und vieles mehr.
Über die Autoren: Stefan Gamper ist seit Februar 2019 für das Projekt »Small Hydro Mobility« neu im Team von Kleinwasserkraft Österreich. Thomas Buchsbaum-Regner ist seit 2011 mit allen technischen, wirtschaftlichen, ökologischen und rechtlichen Belangen in Bezug auf Kleinwasserkraftanlagen bei der Interessensvereinigung Kleinwasserkraft Österreich befasst und Geschäftsführer der KÖ Wasserkraft Service GMBH, einer Tochtergesellschaft des Vereins, welche Projekte, Studien und Gutachten abwickelt.